Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(4): 165
DOI: 10.1055/s-2008-1077117
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fehldiagnose!

Hagen Sandholzer
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Publication Date:
05 May 2008 (online)

Wer kennt es nicht – den Vorwurf des Pathologen, dass der Kliniker dies und jenes hätte besser machen können und sollen. Da hilft auch die ganze Forschung nichts, haben doch Fehldiagnosen trotz Bildgebung, EKG und moderneren Laborverfahren in den letzten Jahrzehnten nicht abgenommen. Einen besonders drastischen Fall von Fehldiagnose hatte ein armer Notarzt zu verantworten, als er die sterblichen Überreste eines Mannes fand, der nach einem Streit aus dem 13. Stock aus dem Fenster sprang. Dokumentiert wurde „Suizid infolge Erregungszustands infolge zerrütteter Ehe“.

Pech, dass aufgrund der unnatürlichen Todesursache die Frankfurter Pathologie mit einbezogen wurde. Dort wurde nicht schlecht gestaunt, als man eine Kugel vom Kaliber 38 im Thorax fand, die die rechte Herzkammer durchschlagen hatte – also Mord.

Nun wurde mit großem Tamtam die Kriminalpolizei involviert, die vor Ort recherchierte. Diese ermittelte im gleichen Haus einen Mann, der sieben Stockwerke tiefer wohnte und rechtmäßig eine Waffe besaß. Der Waffennarr hatte sich kurz nach dem Sprung des verzweifelten Ehemanns bei seinen allabendlichen Schießübungen eines neuen, aus Fernost stammenden Kugelfangs bedient, den er aus Kostengründen der deutschen Wertarbeit vorzog. Betreten musste der Pathologe einräumen, dass alles nur ein Unfall war.

Ein Unfall? Man hätte den Hausarzt des Ehemanns befragen sollen, der regelmäßig in das Hochhaus zu Hausbesuchen kam. Er wusste über die Ursache des Ehekrachs Bescheid: Seine Frau hatte mit einem Mieter, sieben Stockwerke tiefer, ein Verhältnis angefangen – eben dem Waffennarr. Aber wer hört schon auf einen Hausarzt!

Prof. Dr. med. Hagen Sandholzer

Leipzig

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