Z Orthop Unfall 2008; 146(2): 148-149
DOI: 10.1055/s-2008-1076657
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

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Interview: Navigation - Navigierte Ballonkyphoplastie bei osteoporotischen Wirbelsäulenfrakturen

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Publication Date:
05 June 2008 (online)

 
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Seit Ende 2005 werden in Freiburg Patienten mit osteoporotischen Sinterungsfrakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule mittels computernavigierter Ballonkyphoplastie therapiert. Dr. Michael Oberst, Geschäftsführender Oberarzt am Department für Orthopädie und Traumatologie der Universität Freiburg erläutert im folgenden Interview das Verfahren und seine Vorteile.

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Entwickler des Markraumendoskops

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Dr. Michael Oberst

Dr. Michael Oberst ist seit 2006 Geschäftsführender Oberarzt des Departments für Orthopädie und Traumatologie der Universität Freiburg. Die Schwerpunkte des Facharztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie sind Traumatologie, Navigation und Markraumendoskopie; für letztere hat er ein eigenes Markraumendoskop entwickelt.

? Was ist das "Markraumendoskop"; wofür wird es eingesetzt?

Das Markraumendoskop ist ein speziell für die intramedulläre Inspektion bzw. Intervention im Markraum des langen Röhrenknochens konzipiertes Endoskop. Neu an der Methode ist einerseits, dass die Arbeitsinstrumente nicht neben, sondern innerhalb eines Arbeitskanals im Endoskop eingeführt werden, so dass der relativ enge Durchmesser des Markraumes optimal ausgenützt werden kann. Weiterhin kann das Endoskop sowohl am "eröffneten" Knochen (z. B. nach Implantatentfernung) als auch am intakten, unversehrten Knochen eingesetzt werden.

Eine Hauptindikation zur Anwendung des Markraumendoskops ist die endoskopische Zemententfernung im Rahmen der Revisionsendoprothetik der Hüfte. Weiterhin kommt das System zur Diagnostik und Therapie von Knochentumoren bzw. der Osteomyelitis zur Anwendung. Andere Einsatzgebiete sind das Bergen von intramedullären Fremdkörpern oder intramedulläre Blutstillung. Auch zur endoskopischen, intramedullären Frakturreposition unter Sicht konnte das Gerät bereits erfolgreich eingesetzt werden.

? Was versteht man unter Ballonkyphoplastie?

Die Ballonkyphoplastie ist eine minimalinvasive Methode zur Stabilisierung osteoporotischer Sinterungsfrakturen der Wirbelsäule, die bei vergleichsweise geringem operativen Aufwand dem Patienten eine rasche postoperative Mobilisierung und eine rasche Schmerzreduktion ermöglicht.

? Beschreiben Sie bitte kurz die Technik.

Bei der Ballonkyphoplastie wird der deformierte Wirbelkörper durch zwei Ballone aufgerichtet und der entstandene Hohlraum anschließend mit Zement aufgefüllt (Abb. [1]).

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Abb. 1 Technik der Kyphoplastie (Copyright Fa. Kyphon).

Um die Ballone im frakturierten Wirbelkörper zu platzieren, muss zunächst ein Zugangsweg (meist transpedikulär) zum Wirbelkörper geschaffen werden. Dies geschieht durch perkutanes Einführen einer sog. Yamshidi-Nadel, über die dann in Seldinger-Technik eine Arbeitshülse platziert wird. Durch die räumliche Nähe zum Rückenmark und den Nervenwurzeln ist die korrekte Lage des Zugangsweges natürlich essentiell. Daher ist für die Platzierung und nachfolgende Zementapplikation eine kontinuierliche Röntgenkontrolle im ap- und seitlichen Strahlengang notwendig (Abb. [2]).

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Abb. 2 a osteoporotische Fraktur, b Aufrichtung der Fraktur mittels Ballon, c postoperatives Röntgenbild mit einliegendem Zement, d postoperatives CT (Copyright Fa. Kyphon).

? Welche Indikation sehen Sie für die Ballonkyphoplastie?

Hauptindikation ist die schmerzhafte, osteoporotische Sinterungsfraktur des alten Menschen. Daneben können auch Tumoren im Bereich der Wirbelkörper im Sinne einer palliativen Maßnahme versorgt werden.

? Welche Nachteile bestehen bei der Methode?

Der Nachteil der Methode ist eine relativ hohe intraoperative Strahlenbelastung für Patient und OP- Personal während der Prozedur, sowohl für die Platzierung des Arbeitskanals, als auch während der Kontrolle der Zementapplikation (s. o.) Wir wollten mit der Methode der Navigation diesen Nachteil reduzieren.

? Was bedeutet navigierte Ballonkyphoplastie?

Durch Verwendung eines Navigationssystems zur Platzierung der Arbeitskanülen (Yamshidi-Nadel) kann, so unsere Hypothese, die intraoperative Strahlenbelastung reduziert werden.

? Seit wann praktizieren Sie diese Methode?

Seit 12/05 werden in unserer Klinik Patienten mit osteoporotischen Sinterungsfrakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule mittels computernavigierter Ballonkyphoplastie therapiert.

? Erläutern Sie bitte das Verfahren.

Zur intraoperativen Bildacquisition wird der isozentrische C-Bogen benutzt. Die intraoperative Datenakquisation für die Navigation erfolgt bei Frakturen der Lendenwirbelsäule im 2D-Modus fluoroskopisch. Bei Frakturen der Brustwirbel wird mittels des ISO-C-3D ein 3D-Datensatz erzeugt, der dann für die navigationsgestützte Operation herangezogen wird. (Abb. [3]).

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Abb. 3 Screenshot während einer 2D-fluoroskopischen Platzierung der Yamshidi-Nadel. Der grüne Anteil des Balkens entspricht der einkalibrierten Yamshidi-Nadel, der rote Anteil zeigt die virtuelle Verlängerung des zu schaffenden Arbeitskanals mit korrekter Ausrichtung in den Wirbelkörper (Bild: Oberst).

? Bei wie vielen Patienten haben Sie bereits die Methode angewandt?

Im Rahmen unserer Studie haben wir 30 navigierte Operationen vorgenommen.

? Wie sind Ihre Ergebnisse?

Wir haben die intraoperativ erfassten Daten während der navigierten Kyphoplastie mit denjenigen einer historischen Kontrollgruppe von ebenfalls 30 Patienten verglichen, bei denen wir in der Zeit vor 12/05 eine konventionelle Kyphoplastie durchgeführt haben.

Die Ergebnisse zeigen, dass die intraoperative Anwendung der Navigation zu einer statistisch signifikanten Reduktion der Strahlendosis und der Durchleuchtungszeit führen. Dabei führt der erhöhte technische Aufwand für die Navigation nicht zu einem wesentlichen Anstieg der durchschnittlichen Operationsdauer (ca. 45-60 min). Auch der für die navigierte Operation zusätzlich notwendige Hautschnitt von ca. 2 cm über dem zu instrumentierenden Wirbelkörper (zur Fixierung der Referenzklemme) führte zu keinen lokalen Problemen.

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Department für Orthopädie und Traumatologie der Universität Freiburg

Das Traumazentrum der Stufe 1 unter der ärztlichen Leitung von Universitäts-Professor Dr. Norbert P. Südkamp mit 45 weiteren ärztlichen Mitarbeitern ist eine Einrichtung der Maximalversorgung, welches eine 24-stündige Bereitschaft für Verletzungen aller Schweregrade im Zusammenspiel mit allen notwendigen Fachabteilungen vorsieht. Das Department ist aus der Zusammenlegung der Kliniken für Traumatologie und Orthopädie entstanden. Die Klinik behandelt im Jahr ca. 5 000 ambulante Notfälle. Weitere 25.000 ambulante Behandlungen erfolgen im Rahmen der Nachsorge und der ambulanten Zuweisung in der traumatologischen und orthopädischen Poliklinik sowie in verschiedenen Spezialsprechstunden. Ca. 4 500 Operationen werden für Notfälle und elektive Eingriffe durchgeführt. Hierfür stehen neben 5-6 Operationssälen drei Stationen mit insgesamt 120 Betten sowie weiteren Betten auf den chirurgisch geleiteten Intensivstationen und für die Kindertraumatologie und -orthopädie zur Verfügung. Pro Jahr werden etwa 4 800 Patienten stationär behandelt.

Dr. med. Michael Oberst,

Geschäftsführender Oberarzt

Dipl. Gesundheitsökonom

(Oec.med./Schweiz)

Email: michael.oberst@uniklinik-freiburg.de

 
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Dr. Michael Oberst

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Abb. 1 Technik der Kyphoplastie (Copyright Fa. Kyphon).

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Abb. 2 a osteoporotische Fraktur, b Aufrichtung der Fraktur mittels Ballon, c postoperatives Röntgenbild mit einliegendem Zement, d postoperatives CT (Copyright Fa. Kyphon).

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Abb. 3 Screenshot während einer 2D-fluoroskopischen Platzierung der Yamshidi-Nadel. Der grüne Anteil des Balkens entspricht der einkalibrierten Yamshidi-Nadel, der rote Anteil zeigt die virtuelle Verlängerung des zu schaffenden Arbeitskanals mit korrekter Ausrichtung in den Wirbelkörper (Bild: Oberst).