PiD - Psychotherapie im Dialog 2008; 9(2): 178-182
DOI: 10.1055/s-2008-1067401
Aus der Praxis

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Erleben von Psychotherapie aus Sicht von Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung

Tobias  Buchner
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Publication Date:
03 June 2008 (online)

Zusammenfassung

Psychotherapie mit Menschen mit so genannter geistiger Behinderung wurde bisher im deutschsprachigen Raum noch nicht aus der Perspektive der KlientInnen beforscht. Die in diesem Artikel präsentierte Studie versucht, diese Forschungslücke zu schließen. Unter Anlehnung an die Methodologie der Grounded Theory wurden elf Personen mit sogenannter geistiger Behinderung bezüglich ihrer Erfahrungen zu Psychotherapie befragt. Dabei wurde thematisch auf das Erleben von Psychotherapie, Erfolg von Psychotherapie und Gründe für ein erfolgreiches Gelingen von Psychotherapie aus Sicht der KlientInnen fokussiert. Die Ergebnisse zeigen, dass für eine erfolgreiche Psychotherapie eine positive Beziehung zwischen TherapeutIn und KlientIn wie auch eine intrinsische Motivation der KlientInnen Voraussetzung sind.

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1 In diesem Artikel ist die Rede von „Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung”. Diese Formulierung wird verwendet, um zu verdeutlichen, dass die Personenkategorie „Menschen mit geistiger Behinderung” auf einer Zuschreibung von außen (durch meist nicht behinderte Personen) basiert, welche nach Ansicht des Autors als diskriminierend einzustufen ist. Daher wird der Gebrauch des Terminus „Geistige Behinderung” in diesem Text abgelehnt. Zudem soll durch das Beifügen der Wörter „sogenannt” auf die Notwendigkeit eines Diskurses für eine neue Begriffsfindung hingewiesen werden.

2 Aus Gründen des Datenschutzes wurden ehemalige KlientInnen zunächst von den TherapeutInnen informiert und bezüglich einer möglichen Teilnahme befragt. Bei Interesse wurden den Personen meine Kontaktdaten weitergegeben, damit sie sich mit mir persönlich in Verbindung setzen und das weitere Vorgehen besprechen konnten.

3 Dieses Kriterium war von wesentlicher Bedeutung, da das Reflektieren über den Ablauf und die Auswirkungen einer Psychotherapie Distanz zum Erlebten benötigt.

4 Bei der vorliegenden Studie ging es nicht darum, die vorhandenen psychotherapeutischen Modelle zu vergleichen geschweige denn zu bewerten, sondern den Fokus auf das allgemeine Erleben von Psychotherapie zu legen und die Gründe für ein Gelingen zu erforschen, unabhängig von der psychotherapeutischen Schule.

5 Für eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse s. Buchner (2006).

Korrespondenzadresse:

Tobias Buchner

Leiter der Lebenshilfe-Akademie, Bundesgeschäftsstelle der Lebenshilfe Österreich

Förstergasse 6

1020 Wien, Österreich

Email: tobias.buchner@gmx.net

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