Der Klinikarzt 2008; 37(1): 48
DOI: 10.1055/s-2008-1044416
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NSAR/Coxibe sind Medikamente der ersten Wahl - Spondylarthritiden werden zu spät diagnostiziert

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Publication Date:
18 February 2008 (online)

 
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Erst fünf Jahre nachdem die ersten Beschwerden einsetzen werden Spondylarthritiden (SpA) in der klinischen Praxis diagnostiziert. Doch was kann man tun, um die Früherkennung solcher Probleme zu verbessern? Im Prinzip ist es ganz einfach. Man müsse "nur" genau auf entzündliche Rückenschmerzen achten und im Zweifelsfall bei Betroffenen weitere, für eine Spondylarthritis typische Befunde genau abklären.

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Einfache diagnostische Parameter als Grundlage der Verdachtsdiagnose

Durch eine ausführliche Anamnese, erweitert um Labor und Röntgendiagnostik, könnte die Diagnose 'Spondylarthritis' viel früher als bisher gestellt werden, sagte Dr. Markus Gaubitz, Münster. Typisch für die Erkrankung ist ein langsamer Beginn der Rückenschmerzen vor dem 40. Lebensjahr, anhaltende wellenförmig wiederkehrende Schmerzen, die auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder selektive Hemmer der Cyclooxygenase II, die sogenannten Coxibe, gut ansprechen, sowie klinische Hinweise für eine entzündliche Genese. Ein aktueller Expertenkonsens [1] geht davon aus, dass entzündliche Rückenschmerzen sehr wahrscheinlich sind, wenn mindestens zwei der folgenden vier Parameter erfüllt sind:

  • Morgensteifigkeit > 30 Minuten

  • tief sitzende Rückenschmerzen, die sich bei Bewegung bessern

  • Aufwachen in der zweiten Nachthälfte wegen Rückenschmerzen

  • alternierender Gesäßschmerz.

Bei rund jedem siebten Patienten mit chronischen entzündlichen Rückenschmerzen ist eine axiale Spondylarthritis die Ursache. Wichtige Zusatzbefunde sind Arthritiden in großen peripheren Gelenken, Enthesiopathien, Daktylitis, Augenentzündungen (Uveitis anterior, Iridozyklitis) sowie Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Akne oder auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Durchfälle!). Bei immerhin etwa der Hälfte der Patienten mit Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis, AS), eine der häufigsten SpA-Formen, lassen sich bei endoskopischen Untersuchungen Zeichen einer Colitis ulcerosa nachweisen, berichtete Prof. Rainer Wigand, Frankfurt am Main.

Die Wahrscheinlichkeit einer Spondylarthritis steigt weiter, wenn der Bluttest auf den Gewebemarker HLA-B27 positiv ausfällt. Denn rund 90-95 % der Betroffenen sind HLA-B27-positiv - allerdings auch 8 % der Allgemeinbevölkerung. So gut wie sicher ist die Diagnose bei röntgenologischem Nachweis einer Sakroiliitis. Der Kernspin ist dabei das herausragende radiologische Verfahren, um eine bestehende Entzündungsaktivität nachzuweisen.

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Wichtiges Therapieziel: Hemmung der radiologischen Progression

Die Therapie einer Spondylarthritis besteht primär aus einer physiotherapeutischen Behandlung in Kombination mit der Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika oder Coxiben, berichtete Gaubitz. Lassen sich dadurch die Beschwerden nicht ausreichend lindern, kommen Opioide und lokale Steroide infrage. Wenig wirksam bei der axialen Spondylarthritis sind dagegen klassische Antirheumatika wie Methotrexat. Bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität trotz anderer Medikamente sind Tumornekrosefaktor-α-Hemmstoffe indiziert.

Sowohl NSAR als auch Coxibe lindern nicht nur die akuten Beschwerden, sondern hemmen dauerhaft gegeben auch die Krankheitsprogression. In einer Studie wurde mit Celecoxib - übrigens das einzige Coxib, das zur Therapie bei der ankylosierenden Spondylitis zugelassen ist - im Verlauf von zwei Jahren die radiologische Progression im Vergleich zu Placebo um rund 70% gehemmt, berichtete Gaubitz.

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Geringes gastrointestinales Nebenwirkungsspektrum von Vorteil

Coxibe sind genauso wirksam wie traditionelle NSAR, gastrointestinal jedoch besser verträglich, auch wenn es um die Behandlung der Spondylarthritis geht, berichtete Wigand. Dies bestätigt eine direkte Vergleichsstudie mit insgesamt 458 AS-Patienten, die entweder mit Celecoxib (200 mg ein- oder zweimal täglich) oder Diclofenac (75mg zweimal täglich) behandelt wurden [2]. Die Schmerzen der Studienteilnehmer verringerten sich im Verlauf der zwölfwöchigen Therapie in allen drei Gruppen auf einer visuellen Analogskala jeweils um 30 bis 33 Punkte. Der Aktivitätsindex BASDAI[1] nahm um einen bis 1,5 Punkte ab. Gleichzeitig sank unter dem Coxib die Häufigkeit gastrointestinaler Nebenwirkungen von 28 auf 15 % (200 mg Celecoxib) bzw. 17% (2 x 200 mg).

Viele schwere gastrointestinale Läsionen verlaufen ohne Alarmsignale, warnte Wigand. Bei längerfristiger Behandlung mit traditionellen NSAR sollten daher unbedingt zusätzlich Protonenpumpenhemmer (PPI) eingesetzt werden. Coxibe sind allerdings in Bezug auf den Schutz des Magen-Darmtrakts auch der Kombination von NSAR plus PPI überlegen, da gastrointestinale Läsionen nicht nur im oberen, sondern auch im unteren Gastrointestinaltrakt verhindert werden. Wie wichtig das ist, belegte Wigand mit aktuellen Zahlen: Denn 40-60 % aller Magen-Darmläsionen unter einer NSAR-Therapie betreffen den unteren Gastrointestinaltrakt.

Roland Fath, Frankfurt

Quelle: Satellitensymposium "Der Rückenschmerz aus rheumatologischer Sicht" im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses, veranstaltet von der Pfizer Deutschland GmbH, Karlsruhe

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Pfizer Deutschland GmbH, Karlsruhe

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Literatur

  • 01 Rudwaleit  M . Metter A . Listin J . et al . Inflammatory back pain in ankylosing spondylitis: a reassessment of the clinical history for application as classification and diagnostic criteria.  Arthritis Rheum. 2006;  54 (2) 569-578
  • 02 Sieper J . Klopsch T . Richter M . et al . Comparison of 2 different dosages of celecoxib with diclofenac for the treatment of active ankylosing spondylitis: results of a 12-week randomised double-blind controlled study.  Ann Rheum Dis. 2008;  Jul 6 [Epub ahead of print]

1 Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index

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Literatur

  • 01 Rudwaleit  M . Metter A . Listin J . et al . Inflammatory back pain in ankylosing spondylitis: a reassessment of the clinical history for application as classification and diagnostic criteria.  Arthritis Rheum. 2006;  54 (2) 569-578
  • 02 Sieper J . Klopsch T . Richter M . et al . Comparison of 2 different dosages of celecoxib with diclofenac for the treatment of active ankylosing spondylitis: results of a 12-week randomised double-blind controlled study.  Ann Rheum Dis. 2008;  Jul 6 [Epub ahead of print]

1 Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index