manuelletherapie 2008; 12(5): 189-192
DOI: 10.1055/s-2008-1027974
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

25 Jahre Manuelle Triggerpunkt-Therapie

R. Gautschi
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Publication Date:
11 December 2008 (online)

Rückblick

Schmerzpatienten mit einer schmerzhaften Therapie behandeln – Ist das erlaubt? Triggerpunkte – Gibt es die überhaupt? Referred Pain – Wie bitte? Die Ursache eines ventralen oder „tief im Gelenk” empfundenen Schulterschmerzes soll häufig nicht an der Schmerzstelle (d. h. nicht „vorne” und nicht „im Gelenk”), sondern durch einen dorsal liegenden Muskel (z. B. M. infraspinatus) verursacht sein?

Diese Fragen, die auch heute noch für einige Therapeuten und Ärzte povokativ klingen, waren es vor 25 Jahren bestimmt.

Beim 7. Internationalen FIMM-Kongress für Manuelle Medizin 1983 in Zürich stellte David G. Simons das Konzept der myofaszialen Triggerpunkte (mTrP) und ihre Behandlung mit der Spray-and-Stretch-Methode (Kälteapplikationen auf die Haut im Bereich der mTrPs und anschließendem Stretching der Muskulatur) sowie der Infiltration mTrPs mit einem Lokalanästhetikum (Procain, Lidocain) vor. In der Folge begann Beat Dejung – zu jener Zeit selbst Mitglied des Instruktorenteams für Manuelle Medizin der SAMM (Schweizerische Ärztegesellschaft für Manuelle Medizin) –, in großem Ausmaß myofasziale Schmerzprobleme in seiner Praxis für Rheumatologie und Physikalische Medizin in Winterthur/Schweiz zu untersuchen und mit Spray and Stretch und Infiltrationen zu behandeln. Gleichzeitig experimentierte er damit, manuell nicht nur die Triggerpunkte selbst mit ischämischer Kompression, sondern gleichwertig das Bindegewebe zu behandeln, das sich vor allem bei chronischen Schmerzpatienten sehr häufig reaktiv verändert und verkürzt zeigt. Dazu nutzte und adaptierte er tiefe Massage- und Bindegewebstechniken, wie sie von Ida Rolf [23] bekannt sind. Dejung stellte fest, dass vor allem bei chronifizierten Schmerzzuständen die manuelle Behandlung der Triggerpunkte in Verbindung mit der Therapie des Bindegewebes die nachhaltigste Wirkung zeigte [3] [4] [5]. Dies war die Geburtsstunde der Manuellen Triggerpunkt- und Bindegewebsbehandlung.

Rückblickend besteht eines der großen Verdienste von Dejung darin, die Erkenntnisse von Travell und Simons [27] über myofasziale Schmerzen und Funktionsstörungen in eine manualtherapeutische Methode überführt zu haben, die gleichwertig auf den mTrP selbst als auch auf die reaktiv veränderten faszialen Strukturen wirkt. In den frühen 90er-Jahren rekrutierte er ein Instruktorenteam und initiierte die 1995 in der Schweiz gegründete Interessengemeinschaft für myofasziale Triggerpunkt-Therapie (IMTT), die heute über 500 Mitglieder zählt. Ihre Ziele bestehen im Vermehren und Verbreiten des Wissens um Ursache, Diagnostik und Therapie myofaszialer Syndrome sowie der Etablierung einer qualifizierten Ausbildung zur Therapie myofaszialer Schmerzen und Funktionsstörungen. Im Kurssystem der IMTT unterrichten derzeit 14 Instruktoren (10 Physiotherapeuten und 4 Ärzte) und 5 Assistenten einen standardisierten 15-tägigen Ausbildungslehrgang. Nach dem IMTT-Kurssystem wurden in Europa bisher über 3000 Physiotherapeuten und mehr als 200 Ärzte ausgebildet [26] [27].

Literatur

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  • 23 Rolf I. Rolfing: Strukturelle Integration. Wandel und Gleichgewicht der Körperstruktur.  München. Hugendubel  1996; 
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  • 25 Travell J G, Simons D G. Handbuch der Muskel-Triggerpunkte: Obere Extremität, Kopf und Rumpf. München; Urban & Fischer 2004 2. Aufl
  • 26 www.imtt.ch
  • 27 www.triggerpunkt-therapie.eu

Roland Gautschi,

Master of Arts, Dipl. PT Senior-Instruktor, IMTT, Vorsitzender des Instruktorenteams der IMTT

Kehlstr. 33

5400 Baden

Schweiz

Email: gautschi@kehl-33.ch

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