Klin Monbl Augenheilkd 2008; 225(10): 896-901
DOI: 10.1055/s-2008-1027725
Offene Korrespondenz

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Bombenkrieg, Augenverletzungen und die Luftschutzbrille nach Walter Dieter

Bomb Attacks, Eye Injuries and the “Air-Raid Protection Spectacles” of Walter DieterJ. Rohrbach
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Eingegangen: 17.6.2008

Angenommen: 15.7.2008

Publication Date:
24 October 2008 (online)

Nach der unverkennbaren Expansionspolitik Adolf Hitlers im Jahre 1938 und der Invasion Polens durch die Deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 erklärten England und Frankreich aufgrund der Polen gegenüber abgegebenen Garantieerklärung dem Deutschen Reich am 3. September 1939 den Krieg. Damit war der 2. Weltkrieg ausgebrochen. Für die deutsche Bevölkerung waren die Einschränkungen zunächst noch recht gering. Dieses sollte sich erst mit Einsetzen des Bombenkrieges und dann vor allem mit Beginn des Russlandfeldzuges am 22. Juni 1941 entscheidend ändern.

Nach der Niederwerfung Frankreichs im Mai/Juni 1940 blieb England unter seinem unbeugsamen, einer Allparteien-Koalition vorstehenden Premierminister Winston Leonard Spencer Churchill (1874 – 1965) der entscheidende Kriegsgegner [5]. Nachdem die Deutsche Luftwaffe die „Luftschlacht um England” spätestens Ende 1940 verloren hatte und das Vereinigte Königreich über eine deutliche Überlegenheit zur See verfügte, war eine Landung von deutschen Bodentruppen in England so gut wie unmöglich geworden. Stattdessen kam es zu einem von beiden Seiten geführten Bombenkrieg, der sich gegen kriegswichtige Ziele, aber – in der Hoffnung, Moral und Widerstand zu brechen („moral bombing”) – bewusst auch gegen die Zivilbevölkerung richtete.

Der erste Bombenangriff auf das Deutsche Reich wurde am 12. Mai 1940 von der Royal Air Force (RAF) gegen Mönchengladbach unternommen. Nachdem Deutschland und Italien den USA am 11. Dezember 1941 – vorausgegangen war der japanische Angriff auf die US-Amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 – den Krieg erklärt hatten, beteiligte sich die US-Air Force (USAF) von England aus ab Sommer 1942 an den Bombenangriffen auf Hitler-Deutschland. Während die USAF am Tag flog, griffen die Bomberkommandos der RAF ihre Ziele in der Nacht an.

Die Zahl der deutschen Opfer des Bombenkrieges ist bis heute nicht genau bekannt. Man geht von etwa 500 000 toten Zivilisten und weit mehr Verletzten aus. Die Verletzungen waren in der Mehrzahl allerdings leichterer Natur und betrafen vorwiegend die Haut und das Skelett. Vergleichsweise häufig waren aber auch die Augen betroffen, und zwar einerseits durch umher fliegende Splitter, andererseits durch Rauchgase und Hitze, die vor allem nach Abwurf von Brandbomben freigesetzt wurden. Auch im Rahmen der „Feuerstürme”, wie sie insbesondere in Hamburg und Dresden, aber z. B. auch in Würzburg auftraten [3], sind zahlreiche Augen durch umherfliegende Splitter verletzt worden.

Über die Anzahl und das Spektrum der Augenverletzungen bei der deutschen Zivilbevölkerung durch Bombenangriffe im 2. Weltkrieg gibt es, soweit dem Autor bekannt, nicht einmal vage Angaben. In den „Klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde” und im „Graefes Archiv für Ophthalmologie” der Jahre 1940 – 1950 konnte hierzu – zumindest unter den Originalarbeiten – kein Beitrag gefunden werden (Es gibt (wenige) Berichte zu Kriegsverletzungen bei den Soldaten der Wehrmacht). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass etwa 30 % aller Ophthalmologen zum Kriegsdienst eingezogen und zahlreiche Augenkliniken zerstört waren [9], sodass die zivile augenärztliche Versorgung erheblich eingeschränkt und das Führen von Statistiken verständlicherweise stark nachrangig war. Zumindest von der Düsseldorfer Augenklinik ist berichtet, dass es nach Bombenangriffen zu einer deutlichen Erhöhung der Patientenzahlen kam [1]. Insofern bestand unzweifelhaft Bedarf, Zahl und Schwere der Augenverletzungen bei der Zivilbevölkerung zu reduzieren. Als eine wesentliche Gegenmaßnahme ist in diesem Zusammenhang die „Luftschutzbrille nach Dieter” zu sehen.

Literatur

  • 1 Ackermann E. Die Geschichte der Augenklinik der Universität Düsseldorf von der Gründung im Jahre 1907 bis zum Jahr 1980. Düsseldorf; Med Diss 1986
  • 2 Böke W. Geschichte der Universitäts-Augenklinik Kiel 1888 – 1988. Neumünster; Wachholtz 1988
  • 3 Grehn F, Geerling G, Krogmann F. et al .Geschichte der Augenheilkunde in Würzburg. Pfaffenhofen; Akamedon 2007: p 115
  • 4 Kaufmann A K. Alfred Bielschowsky (1871 – 1940). Ein Leben für die Strabologie. Giessen; Med Diss 1993
  • 5 Krockow C von. Churchill. Eine Biographie des 20. Jahrhunderts München; Deutscher Taschenbuch Verlag 2005 3. Auflage
  • 6 Küchle H J. Augenkliniken deutschsprachiger Hochschulen und ihre Lehrstuhlinhaber im 19. und 20. Jahrhundert. Köln; Biermann 2005
  • 7 Müller H K. Die Behandlung der Kriegsverletzungen des Auges im Felde. Thiel R Ophthalmologische Operationslehre Leipzig; Georg Thieme 1945: p 893-984
  • 8 Rohrbach J M. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft im Nationalsozialismus.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2006;  223 869-876
  • 9 Rohrbach J M. Augenheilkunde im Nationalsozialismus. Stuttgart; Schattauer 2007
  • 10 Rohrbach J M. Die DOG im „Dritten Reich”. Festschrift „Visus und Visionen. 150 Jahre DOG” Köln; Biermann 2007: p 35-62
  • 11 Rohrbach J M. Deutsche Augenärzteschaft und NSDAP.  Sudhoffs Archiv (Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte). 2008;  92 1-19
  • 12 Speer A. Erinnerungen. Berlin; Propyläen 1969

Prof. Dr. Jens M. Rohrbach

Department für Augenheilkunde, Universität Tübingen

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