Balint Journal 2008; 9(1): 23-31
DOI: 10.1055/s-2008-1004717
Preisträger

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Bald Erdmöbel!” - Student trifft Patient

M. Rinschen1
  • 1Medizinische Fakultät, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Publication Date:
26 March 2008 (online)

Einleitung

Mein Name ist Markus Rinschen, ich bin am 1.3.1985 geboren und studiere seit Herbst 2004 Medizin in Münster. Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit einem Patienten, den ich Anfang des Jahres 2005 im Rahmen eines Kurses des ersten vorklinischen Semesters traf.

Warum wollte ich überhaupt Medizin studieren? Meine wichtigste Motivation für das Studium war neben naturwissenschaftlichem Interesse der Umgang mit Patienten. Für mich gehörte zur Vorstellung des Arztberufes ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, ein gegenseitiges tiefes Verständnis, ein Gefühl von gegenseitigem Respekt. Ich sah nur wenige Probleme in der Beziehung zu den Patienten.

Vor meinem Studium trat ich das erste Mal in Kontakt mit Patienten. Ich arbeitete fast zwei Monate auf einer Belegarztstation mit Urologie, Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten und Augenheilkunde. Als Praktikant habe ich mich dort um Patienten gekümmert, sie längerfristig betreut, mit ihnen gesprochen und Beziehungen zu ihnen aufgebaut.

Während meiner Arbeit machte ich Erfahrungen, die sicherlich beschrieben werden könnten, beispielsweise die erste Konfrontation mit unsäglichem menschlichen Leiden, mit Tod und Trauer. Die Geschichten von vier Patienten, die aufgrund von Prostatakarzinomen oder Lungenembolien gestorben sind, haben sich mir in ihren letzten Stunden ins Gedächtnis gebrannt. Ich sah auch, dass die Arbeit von Ärzten mit Patienten alles andere als einfach ist. Aufseiten der Ärzte gab es Zeitmangel, Ungeduld und Unsensibilität, aufseiten der Patienten Misstrauen, Unkooperativität und Aggressivität. Es kam zu allen nur erdenklichen Varianten von gestörter Kommunikation. Ein zum Teil sehr schlechtes Klima zwischen Patienten, Ärzten und Pflegekräften war die Folge.

Warum schreibe ich nicht über meine Beziehung zu den Patienten, mit denen ich dort zu tun hatte? Die Arbeit auf der Station war eine komplett andere Erfahrung als diejenige, über die ich berichten werde: Dort war ich eine Hilfskraft: ich schleppte Kästen, war ein Laufbursche, brachte Essen, sammelte das Geschirr ein und bezog Betten. Selten musste ich einem Patienten alleine gegenüberstehen und eigenverantwortlich mit ihm interagieren. Mit den Standardvokabeln „Guten Morgen, ich möchte Ihr Bett machen”, „Schönes Wetter draußen”, „Ihr Essen ist da, guten Appetit” kam ich sehr gut über die Runden. Ich war immer nur Ausführender einer gewissen Hierarchie, und Gestaltungsraum in meinem Handeln hatte ich wenig.

Man kann sagen, dass diese ersten Erfahrungen im Krankenhaus mich eher für die bestehenden Probleme sensibilisiert haben. Sie gaben mir oberflächliche Eindrücke einer Beziehung zwischen Arzt und Patient, erst recht zwischen Medizinstudent und Patient. Ich habe mich also gegen diese Begegnungen entschieden und stattdessen meine erste Student-Patienten-Beziehung im medizinischen Curriculum gewählt. Es war eine kleine, bescheidenere Begegnung, doch ich sah den Patienten nicht mehr als Pflegehilfskraft, sondern als Arztanwärter, wenn auch im ersten Semester. Mit dieser Begegnung war eine durchgehend andere Art der Interaktion verbunden: Zum ersten Mal, mit geringen Kenntnissen ausgestattet, musste ich eigenverantwortlich eine Anamnese erheben und einen Patienten hinsichtlich seiner Erfahrungen und Gefühle befragen. Gleichzeitig sollte ich meine eigenen Gefühle im Rahmen einer Balintarbeit reflektieren.

Obwohl diese Beziehung wenig spektakulär scheint und sich nicht in Extremsituationen der menschlichen Existenz (Tod, Sterben) bewegte, hat sie mir doch sehr viel bedeutet. Anhand dieser Beziehung habe ich viel über mich selbst gelernt und auch neue Erfahrungen über die Rolle als Student gemacht. Ich erlebte zum ersten Mal, wie es sich anfühlt, einem Patienten gegenüberzusitzen und eine arztähnliche, aber nicht-identische Rolle einzunehmen.

Wie kam es nun zur Begegnung mit meinem ersten Patienten?

M. Rinschen

Frauenstraße 3-6

Zimmer 101

48143 Münster

Email: markus.rinschen@uni-muenster.de

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