Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(11): 540-541
DOI: 10.1055/s-2007-998846
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Spätschäden minimieren - Rationale Leberdiagnostik in der Hausarztpraxis

Further Information

Publication History

Publication Date:
05 December 2007 (online)

 
Table of Contents

Lebererkrankungen gehören zu den zwölf häufigsten Todesursachen in der industrialisierten Welt [4]. Eine rechtzeitige Diagnose ist daher von großer Bedeutung - nicht zuletzt, weil viele Ursachen chronischer Lebererkrankungen heute behandelbar oder sogar heilbar sind.

#

Erste Hinweise durch Laborwerte

Wichtige Marker für eine Schädigung der Hepatozyten sind die Glutamat-Oxalacetat-Transferase (GOT, syn. AST) und die Glutamat-Pyruvat-Transferase (GPT, syn. ALT). Die GPT ist im Gegensatz zur GOT leberspezifisch und weist bei Erhöhung auf eine Hepatitis hin. Die GGT ist typischerweise erhöht bei Cholestase, Fettleber, Alkoholmissbrauch, aber auch bei einer gesteigerten Lebersynthese. Die Alkalische Phosphatase (AP) kommt außer in der Leber auch in den Knochen und anderen Geweben vor. Eine Erhöhung der AP zeigt sich daher zum Beispiel bei Gallengangstenosen.

Weitere wichtige Parameter für die Synthese und Exkretion der Leber sind das Albumin, der Quick/INR-Wert sowie das Bilirubin. Für die Abklärung einer Lebererkrankung muss zwischen einer Hepatitis und einer cholestatischen Lebererkrankung unterschieden werden (Tab. [1]). Als Suchtests sind aufgrund der Spezifität und Sensitivität am besten für die Abklärung einer Hepatitis die GPT, sowie zur Abklärung einer cholestatischen Lebererkrankung die AP geeignet. Eine GPT-Erhöhung weist eindeutig auf eine hepatozelluläre Schädigung hin. Dagegen muss die AP-Erhöhung durch die zusätzliche Bestimmung der GGT bestätigt werden, da eine alleinige AP-Erhöhung zum Beispiel auch eine Skeletterkrankung anzeigen kann. Für ein erstes Screening reicht die Bestimmung von GPT und AP! Die vom Labor genannten Grenzwerte sollten unbedingt ernst genommen und Überschreitungen sofort differenzialdiagnostisch abgeklärt werden [9], [12]. Unabhängig davon sollte bedacht werden, dass jüngere, schlanke Patientinnen bereits bei Werten an oder knapp unterhalb der Obergrenze der Normwerte möglicherweise pathologische Befunde aufweisen.

Zoom Image

Tab. 1 Verschiedene Laborwertkonstellationen und ihre häufigsten Ursachen

#

Diagnostik von Lebererkrankungen

Chronische Lebererkrankungen sind durch eine eher unspezifische Symptomatik gekennzeichnet. Am häufigsten berichten Patienten über Müdigkeit, Leistungsminderung und Abgeschlagenheit [7]. Darum sollte neben anderen häufigen Ursachen für eine Müdigkeit wie zum Beispiel Anämie, Diabetes mellitus und Schilddrüsenfunktionsstörungen bereits zu Beginn der differenzialdiagnostischen Abklärung immer auch an eine mögliche Lebererkrankung gedacht und die GPT bestimmt werden (Abb. [1]). Ist die GPT auch nur geringgradig erhöht, muss weiter abgeklärt werden. Dabei stehen neben der Hämochromatose oder der nichtalkoholischen Fettleberhepatitis (NASH) vor allem die chronischen Virushepatitiden B und C im Vordergrund. Der allgemein angenommene übermäßige Alkoholkonsum ist demgegenüber nur in weniger als 50% die Ursache einer chronischen Lebererkrankung.

Zoom Image

Abb. 1 Beispielhafte Labordiagnostik bei unspezifischer Symptomatik

#

Risikofaktoren

Zu den Risikofaktoren für Lebererkrankungen gehören neben genetischen Ursachen und dem Lebensstil vor allem der Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten (Virushepatitis B und C). Wenn die GPT erhöht ist oder bei normaler GPT keine anderen Ursachen für die lebertypische Symptomatik gefunden werden konnten, sollte eine Virushepatitis auch bei leerer Anamnese abgeklärt werden, da sich zirka 40% der Patienten mit Hepatitis C an keinen Risikofaktor erinnern können [7] oder ihn nicht mitteilen (Tab. [2]).

Zoom Image

Tab. 2 Risikofaktoren bzw. Übertragungswege für eine chronische Hepatitis C

#

Häufige Lebererkrankungen

Fettleberhepatitis - Die Fettleberhepatitiden gehören zu den häufigsten Lebererkrankungen in den Industrieländern (Konsensuskonferenz der NIH 1998). Diagnostisch stehen keine beweisenden Laboruntersuchungen zur Verfügung.

Neben Erkrankungen, die dem metabolischen Syndrom zugerechnet werden, können auch chronische Virusinfektionen, insbesondere die Hepatitis-C-Virusinfektion vom Genotyp 3, eine Leberverfettung hervorrufen. Das Fortschreiten zur Zirrhose ist bei gleichzeitiger Fettleber und HCV-Infektion deutlich beschleunigt.

Chronische Virushepatitis - In Deutschland geht man von mehr als einer Million mit dem Hepatitis-B- oder C-Virus infizierten Patienten aus. Die chronischen Virushepatitiden B und C sind nach der Fettleber die zweithäufigste Ursache für Lebererkrankungen. Die Chronifizierungsraten unterscheiden sich deutlich: Während die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) bei Erwachsenen in weniger als 10% der Fälle chronisch verläuft, müssen von Hepatitis C Betroffene mit Chronifizierungsraten von bis zu 80% rechnen. Eine chronische Virushepatitis führt unabhängig vom Erreger in 20-30% der Fälle über Jahrzehnte zu einer Leberzirrhose, auf deren Boden sich wiederum in 20% der Fälle ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln kann (Abb. 2).

In den Industrieländern werden 40% der Leberzirrhosen und 60% der Leberzellkarzinome durch das Hepatitis-C-Virus verursacht. Jede dritte Lebertransplantation erfolgt aufgrund einer chronischen Hepatitis C [5], [10]. Wichtig zu wissen ist: selbst wenn die Transaminasen dauerhaft normal sind, kann die Fibrosierung der Leber bis zur Zirrhose voranschreiten [11].

Hepatitis B - Der erste diagnostische Hinweis auf eine Hepatitis B ergibt sich durch die Untersuchung des HBs-Antigens. Der positive Nachweis ist beweisend für eine bestehende (aktive) Hepatitis B. Weitere Marker zur Diagnose der chronischen Hepatitis B sind die HBV-DNA, das HBe-Antigen und Antikörper gegen HBc-, HBe- oder HBs-Antigen (Tab. [3]). Wichtigster Marker für die Beurteilung der Krankheitsaktivität ist die Viruslast (HBV-DNA), die bei einem Wert >10000 Kopien/ml (entspricht 2000 IU/ml) als klinisch signifikant einzustufen ist. Daher sollte dringend bei Überschreiten dieses Grenzwertes eine Indikation zur Therapie geprüft werden.

Zoom Image

Tab. 3 Bedeutung diagnostischer Marker bei Hepatitis-B-Infektion

Hepatitis C - Bei unspezifischer Symptomatik oder dem Vorliegen von Risikofaktoren ist auch bei GPT-Werten im Normbereich eine Hepatitis-Serologie sinnvoll, denn die chronische Hepatitis C geht in bis zu 30% der Fälle ohne eine dauerhafte Erhöhung der GPT einher. Ist die GPT erhöht, so wird die obere Normwertgrenze in der Regel nur bis zum Zweifachen überschritten. Gerade bei nur gering erhöhten GPT-Werten wird eine Häufung von Hepatitis-C-Virusinfektionen beobachtet [8]. Für ein erstes Screening ist die Bestimmung von HCV-Antikörpern (HCV-AK) der Test der Wahl. Ein positiver Befund muss durch den Nachweis des Virusgenoms durch eine PCR bestätigt werden. Eine Patientin mit positivem Virusnachweis oder GPT-Erhöhung in Kombination mit einem positiven HCV-Antikörper-Befund sollte zu einem erfahrenen Therapeuten überwiesen werden. Denn zur Indikationsstellung, Bestimmung von Therapiedauer und Dosierung der eingesetzten Medikamente müssen weitere diagnostische Tests wie die Genotypisierung und die Viruslastbestimmung erfolgen.

Die Hepatitis C ist heute in vielen Fällen heilbar. Eine frühe Diagnose und Therapie bedeutet für die Patienten nicht nur höhere Heilungschancen, sondern bei erfolgreicher Behandlung auch eine bessere Lebensqualität, die Vermeidung von Spätfolgen und ein Gewinn an Lebensjahren. Darüber hinaus wird die Verbreitung durch Übertragung auf weitere Menschen geringer. Eine Hepatitis-C-Therapie ist daher auch unter pharmakoökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll [13], [14].

Autoimmune Lebererkrankungen - Bei den autoimmunen Hepatitiden wie der Autoimmunhepatitis (AIH), der primär biliären Zirrhose (PBC) oder der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) treten Autoantikörper gegen bestimmte Zellantigene auf, deren Unterscheidung Hinweise auf den Typ der autoimmunen Hepatitis geben kann [1].

Hereditäre, metabolische Lebererkrankungen - Die Hämochromatose ist die häufigste metabolisch bedingte Lebererkrankung mit einer Prävalenz von 2-5 Fällen pro 1 000 Einwohner [2]. Eine frühe Erkennung ist wichtig, da durch rechtzeitige Aderlasstherapie die Entwicklung zu einer Leberzirrhose vermieden werden kann [6]. Zur Diagnosestellung müssen Transferrinsättigung und Ferritin bestimmt werden (Sensitivität: 98%). Eine erhöhte Transferrin-Sättigung (> 45%) und ein erhöhtes Ferritin (> 350 µg/l) sind nahezu beweisend. Weitere metabolische Lebererkrankungen wie der alpha-1-AT-Mangel und der Morbus Wilson sind selten und können durch die Bestimmung des α1-AT im Serum beziehungsweise durch erniedrigtes Coeruloplasmin und eine erhöhte Kupferausscheidung im 24-Stunden-Urin differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden.

#

Fazit

Bei unspezifischer Symptomatik sollte neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung bereits in der ersten Laboruntersuchung die Bestimmung der GPT erfolgen. Bei erhöhter GPT sollten auch bei nicht erkennbaren Risikofaktoren eine Virushepatitis B und C unbedingt ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass jede laborchemische Untersuchung auf einen Erreger einer meldepflichtigen Erkrankung vom Laborbudget ausgenommen ist (Kennziffer 32006). Dies schließt selbstverständlich die chronischen Virushepatitiden ein.

PD Dr. med. Holger Hinrichsen, Kiel

Mit freundlicher Unterstützung der Roche Pharma AG, Grenzach

#

Literatur

  • 01 Bayer EM . Schramm C . Kanzler S . et al . Gastroenterol. 2004;  42 (1) 19-30
  • 02 Edwards CQ . Griffen LM . Goldgar D . et al . N Engl J Med. 1988;  318 (21) 1355-1362
  • 03 Feder JN . Gnirke A . Thomas W . et al . Nat Genet. 1996;  13 (4) 399-408
  • 04 Gines P . Cardenas A . Arroyo V . et al . N Engl J Med. 2004;  350 (16) 1646-1654
  • 05 Hoofnagle JH . Hepatology. 1997;  26 (3 Suppl 1) 15-20
  • 06 Niederau C . Fischer R . Purschel A . et al . 1996;  110 (4) 1107-1119
  • 07 Niederau C . Kapagiannidis C . Med Klin (Munich). 2006;  101 (6) 448-457
  • 08 Niederau C . Zehnter E . Kapagiannidis C . et al . Werden die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Diagnose der Hepatitis C im hausärztlichen Bereich umgesetzt? Eine prospektive Untersuchung von 192 Hausarztpraxen in Deutschland. DGVS 2006, Poster Nr. 240. 
  • 09 Prati D . Taioli E . Zanella A . et al . Ann Intern Med.. 2002;  137 (1) 1-10
  • 10 Puoti C . Castellacci R . Montagnese F . et al . J Hepatol. 2002;  37 (1) 117-123
  • 11 Ryder SD . Irving WL . Jones DA . et al . Gut. 2004;  53 (3) 451-455
  • 12 Schumann G . Klauke R . Clin Chim Acta. 2003;  327 (1-2) 69-79
  • 13 Siebert U . Sroczynski G . Rossol S . et al . Gut. 2003;  52 (3) 425-432
  • 14 Wasem J . Sroczynski G . Aidelsburger P . et al . Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz. 2006;  49 57-63
  • 15 Hämmerli. Acta Med Scand. 1966;  197 (Suppl.) 444
#

Literatur

  • 01 Bayer EM . Schramm C . Kanzler S . et al . Gastroenterol. 2004;  42 (1) 19-30
  • 02 Edwards CQ . Griffen LM . Goldgar D . et al . N Engl J Med. 1988;  318 (21) 1355-1362
  • 03 Feder JN . Gnirke A . Thomas W . et al . Nat Genet. 1996;  13 (4) 399-408
  • 04 Gines P . Cardenas A . Arroyo V . et al . N Engl J Med. 2004;  350 (16) 1646-1654
  • 05 Hoofnagle JH . Hepatology. 1997;  26 (3 Suppl 1) 15-20
  • 06 Niederau C . Fischer R . Purschel A . et al . 1996;  110 (4) 1107-1119
  • 07 Niederau C . Kapagiannidis C . Med Klin (Munich). 2006;  101 (6) 448-457
  • 08 Niederau C . Zehnter E . Kapagiannidis C . et al . Werden die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Diagnose der Hepatitis C im hausärztlichen Bereich umgesetzt? Eine prospektive Untersuchung von 192 Hausarztpraxen in Deutschland. DGVS 2006, Poster Nr. 240. 
  • 09 Prati D . Taioli E . Zanella A . et al . Ann Intern Med.. 2002;  137 (1) 1-10
  • 10 Puoti C . Castellacci R . Montagnese F . et al . J Hepatol. 2002;  37 (1) 117-123
  • 11 Ryder SD . Irving WL . Jones DA . et al . Gut. 2004;  53 (3) 451-455
  • 12 Schumann G . Klauke R . Clin Chim Acta. 2003;  327 (1-2) 69-79
  • 13 Siebert U . Sroczynski G . Rossol S . et al . Gut. 2003;  52 (3) 425-432
  • 14 Wasem J . Sroczynski G . Aidelsburger P . et al . Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz. 2006;  49 57-63
  • 15 Hämmerli. Acta Med Scand. 1966;  197 (Suppl.) 444
 
Zoom Image

Tab. 1 Verschiedene Laborwertkonstellationen und ihre häufigsten Ursachen

Zoom Image

Abb. 1 Beispielhafte Labordiagnostik bei unspezifischer Symptomatik

Zoom Image

Tab. 2 Risikofaktoren bzw. Übertragungswege für eine chronische Hepatitis C

Zoom Image

Tab. 3 Bedeutung diagnostischer Marker bei Hepatitis-B-Infektion