Intensivmedizin up2date 2008; 4(2): 113-132
DOI: 10.1055/s-2007-995411
Internistische Intensivmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eklampsie und HELLP-Syndrom

Gisbert  Knichwitz, Walter  Klockenbusch
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Publication Date:
13 February 2008 (online)

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Kernaussagen

Die schwangerschaftsinduzierte Hypertonie bezeichnet das nach der 20. SSW erstmalige Auftreten einer arteriellen Hypertonie in Ruhe mit einem diastolischen Wert über 90 mm Hg oder einem systolischen Wert über 140 mm Hg. Kommt es neben der schwangerschaftsinduzierten Hypertonie zu einer begleitenden Proteinurie von über 300 mg/l, so wird dies als Präeklampsie definiert. Das zusätzliche Auftreten von neurologischen Symptomen mit Konvulsionen wird als Eklampsie bezeichnet. Die Beteiligung von Leber und Blutgerinnungssystem führt zu dem an laborchemischen Veränderungen orientierten HELLP-Syndrom (Hemolysis [H], elevated liver enzymes [EL], low platelet count [LP]).

Die Inzidenz der Präeklampsie liegt bei 5 - 10 %, die der Eklampsie bei 0,05 % und des HELLP-Syndroms bei 0,6 %.

Die Ätiologie ist bis heute unbekannt. Die Symptome werden als eine inadäquate Antwort der Mutter auf ihre Schwangerschaft verstanden, wobei der plazentaren Ischämie eine zentrale Bedeutung beigemessen wird. Die endotheliale Dysfunktion mit konsekutiver Minderperfusion in der Mikrostrombahn der einzelnen Organe und Organsysteme ist ein pathophysiologischer Schlüssel zur Erklärung der verschiedenen Symptome dieser Krankheitsgruppe.

Klinik. Es handelt sich um eine Multiorganerkrankung mit teilweise schubartigem Verlauf, wobei das klinische Bild durch eine vielgestaltige Symptomatik gekennzeichnet ist. Der Verlauf und die Ausprägung der Erkrankung sind individuell und im Einzelnen schwer kalkulierbar. Es ist zudem nicht möglich, die Organmanifestation vorauszusagen. So kann bei einer Patientin nur die arterielle Hypertonie im Vordergrund stehen, bei einer anderen zusätzlich eine Leber- oder Nierenbeteiligung dominieren.

Hämodynamik. Bei schwerer Präeklampsie, Eklampsie oder HELLP-Syndrom ist vor therapeutischer Intervention der periphere Gefäßwiderstand erhöht und das Herzzeitvolumen erniedrigt. Das Plasmavolumen ist gegenüber einer Normalschwangerschaft deutlich vermindert mit einem entsprechend erhöhten Hämatokrit.

Zentralnervensystem. Prodromi einer Enzephalopathie sind Kopfschmerz und Sehstörungen in Form von Lichtscheu, Flimmerskotomen, Doppelbildern und Visusverlust. Objektive Symptome, wie Hyperreflexie, motorische Unruhe und Bewusstseinsstörungen zeigen drohende Konvulsionen im Sinne der Eklampsie an. Diese können auch intra oder post partum auftreten.

Respiration. Für eine respiratorische Insuffizienz kommen differenzialdiagnostisch vor allem Enzephalopathie, Lungenödem und Pneumonie in Betracht. Ein Lungenödem kann auch bis zu 72 Stunden nach der Entbindung auftreten.

Nierenfunktion. Ein akutes Nierenversagen ist eher selten. Da es sich meist um eine reversible akute tubuläre Nekrose handelt, hat es eine gute Prognose.

Leberfunktion. Ein ischämischer Verlust der Leberzellintegrität mit Transaminasenanstieg lässt sich mit unterschiedlicher Häufigkeit bereits bei Patientinnen mit Präeklampsie oder Eklampsie nachweisen, ohne dass weitere Zeichen eines HELLP-Syndroms bestehen.

Leberfunktion und HELLP-Syndrom. Die Definition des HELLP-Syndroms fordert neben dem obligaten Transaminasenanstieg und Thrombozytenabfall den Nachweis einer Hämolyse. Kardinalsymptom ist der rechtsseitige Oberbauchschmerz. Die gefährlichste Komplikation ist die Leberruptur. Ihr gehen häufig subkapsuläre oder intrahepatische Hämatome voraus. Subkapsuläre Hämatome können frühzeitig sonographisch nachgewiesen werden, bei intrahepatischen Hämatomen kommt es zu einem fulminanten Transaminasenanstieg.

Überwachung. Die mütterliche und fetale Prognose wird v. a. durch die auftretenden Komplikationen bestimmt. Daher ist eine intensive Überwachung mit rechtzeitiger therapeutischer Intervention zwingend erforderlich.

Therapie. Die einzige bisher bekannte kausale Therapie ist die Beendigung der Schwangerschaft und sollte insbesondere bei den schweren Verlaufsformen mit Organbeteiligung frühzeitig angestrebt werden. Die intensivmedizinische Behandlung ist daher nur symptomatisch auf die Beherrschung der Komplikationen Hypovolämie, Hypertonie, Konvulsion, Oligurie, Ateminsuffizienz und Gerinnungsstörung gerichtet.

Forcierte oder abwartende Geburtseinleitung. Bei intensiver mütterlicher und fetaler Überwachung kann das Belassen des Fetus in utero insbesondere zur Förderung der Lungenreifung bis zur 34. SSW gerechtfertigt sein. Die Fortsetzung der Schwangerschaft unter strenger intensivmedizinischer Überwachung kann die perinatale Morbidität und Mortalität verbessern. Da auch die Prognose einer Sectio caesarea außerhalb eines HELLP-Schubes günstiger ist, ist ein initialer Stabilisierungsversuch auch bei einem HELLP-Syndrom gerechtfertigt.

Kolloidale Volumensubstitution. Eine gezielte Anhebung des verminderten Intravasalvolumens ist Voraussetzung und begleitende Komponente einer antihypertensiven Therapie.

Antihypertensive Therapie. Eine antihypertensive Therapie muss ab einem diastolischen Blutdruck von 110 mmHg eingeleitet werden. Ziel ist es, den diastolischen Wert zwischen 90 und 105 mmHg bzw. den systolischen Wert unter 170 mmHg einzustellen, um die Gefahr zerebraler Blutungen zu mindern, ohne jedoch den uteroplazentaren Blutfluss zu verschlechtern.

Antikonvulsive Therapie. Eine antikonvulsive Therapie muss bei Eklampsie zwingend eingeleitet werden. Magnesium ist das Medikament erster Wahl zur weiteren Prävention und Behandlung von Konvulsion und Hyperreflexie.

Therapie von Gerinnungsstörungen. Gerinnungsstörungen werden nach Klinik durch Substitution von Fresh Frozen Plasma oder Thrombozytenkonzentrate behandelt.

Literatur

Prof. Dr. med. Gisbert Knichwitz

Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin

Universitätsklinikum Münster

Albert-Schweitzerstr. 33

48149 Münster

Email: knichwi@uni-muenster.de