Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(10): 459
DOI: 10.1055/s-2007-993298
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schnittstelle Herz

Raimund Erbel
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Publication Date:
05 November 2007 (online)

Der akute oder chronische Brustschmerz ist für den Hausarzt, den Notarzt und für die Klinik eine diagnostische Herausforderung. Neben dem akuten Koronarsyndrom - instabile Angina pectoris, akuter Herzinfarkt, plötzlicher Herztod - sind das akute Aortensyndrom - klassische Aortendissektion, intramurales Hämatom sowie Aortenplaquerupturen - und die akute und chronische Lungenembolie wichtige Ausschlussdiagnosen, da sie eine schlechte Prognose beinhalten. Erst wenn diese Diagnosen ausgeschlossen sind, kommen weitere kardiale und nicht kardiale Diagnosen in Betracht.

Martin Hermann stellt in seinem Manuskript heraus, dass in einer kardiologischen Praxis immer die koronare Herzerkrankung im Vordergrund steht, der Gastroenterologe an die Refluxkrankheit und der Orthopäde an die Intercostalneuralgie denkt. Die Patientenvorselektion spielt daher eine wichtige Rolle. Andererseits muss bedacht werden, dass von den Patienten, die eine Notaufnahme anlaufen, jeder Fünfzigste später lebensbedrohlich gefährdet erscheint. M. Hermann stellt heraus, dass die niedrige Prävalenz der schweren Erkrankungen in der Hausarztpraxis die Situation kennzeichnet, die dazu führt, dass die Anamnese, die klinische Untersuchung und vor allem der Vergleich des Bildes bei der Vorbehandlung des Patienten, eine wichtige Rolle spielen. Erst wenn eine Abweichung vom erwarteten Verlauf festzustellen ist, werden differenzialdiagnostische weitergehende Überlegungen notwendig.

Frank Breuckmann beschreibt aus der Sicht des Notarztes das notwendige Vorgehen beim akuten Thoraxschmerz und konzentriert sich auf das wichtige Thema des akuten Koronarsyndroms. Aus eigener Erfahrung und auf dem Boden des Aufbaus des Essener Brustschmerzzentrums findet er einen optimalen Zugang zur angesprochenen Problematik. Nach wie vor entscheidend ist, dass beim Auftreten akuter Thoraxschmerzen die Diagnostik rasch und zielgerichtet erfolgt. Dazu ist die Benachrichtigung des Rettungsdienstes wichtig, die aber im Rahmen des Essener Herzinfarktverbundes im Mittel noch immer drei Stunden in Anspruch nimmt, bevor der Patient nach Beginn der Symptome den Notarzt kontaktiert. F. Breuckmann beschreibt die notwendigen Sofortmaßnahmen, die natürlich das Schreiben des EKGs beinhalten, das heute über Fax und Telemetrie an das Zielkrankenhaus durch den Notarzt weitergegeben werden kann. Auch die Therapie des akuten Thoraxschmerzes muss vom Notarzt schon begonnen werden. Ein enges Monitoring der Patienten bis zum Kliniktor muss gewährleistet sein, wo die Akutbehandlung im 24-Stundendienst jeden Tag in der Woche gewährleistet werden muss. Neu aufgebaute Herzinfarktverbände im Rahmen der integrierten Versorgung bilden die optimale Struktur.

Im Verhältnis von 1 zu 80 ist nicht ein akutes Koronarsyndrom, sondern ein akutes Aortensyndrom in einer Notaufnahme zu beobachten. Wie beim akuten Koronarsyndrom sind differenzialdiagnostische Überlegungen wichtig. Die Differenzialdiagnose muss rasch gestellt und die Therapie unverzüglich eingeleitet werden. In Abhängigkeit von der Diagnose steht auch die konservative interventionelle oder operative Therapie an. Sebastian Huptas und Holger Eggebrecht stellen das diagnostische Spektrum und das Vorgehen bei entsprechenden Erkrankungen vor.

Noch seltener als ein akutes Koronarsyndrom und Aortensyndrom ist ein akutes Lungensyndrom, das meist durch eine akute Lungenembolie ausgelöst wird. Auch bei der Lungenembolie ist die Diagnosestellung unverzüglich notwendig, um die richtigen therapeutischen Entscheidungen treffen zu können. In der Therapie steht die Antikoagulation ganz im Vordergrund, während die thrombolytische Therapie nur selten notwendig ist. In Einzelfällen ist sogar die Operation indiziert, vor allem dann, wenn eine Lysetherapie in der kardiogenen Schocksituation nicht möglich ist, oder andere Kontraindikationen existieren. Für alle Differenzialdiagnosen gibt es seit Einführung der Biomarker erhebliche diagnostische Erleichterungen. So können mit dem Troponin I- und T-Test auch Mikroinfarkte erkannt werden; die Bestimmung der D-Dimere erlaubt eine frühe Diagnose der Lungenembolie oder tiefen Beinvenenthrombose. Hohe Werte sind aber auch bei der akuten Aortendissektion bekannt geworden. Hohe BNP-Werte zeigen eine Belastung des Herzens, bei der Lungenembolie vor allen Dingen des rechten Herzens an. Bei der Lungenembolie weist ein hoher Troponin-Wert auf eine sehr schlechte Prognose durch die starke Druckbelastung des Herzens hin. Es ist zu erwarten, dass zukünftig noch mehr Biomarker entwickelt werden, die im stationären aber auch im ambulanten Bereich eine weitergehende Diagnostik ermöglichen.

Den Lesern der Notfall & Hausarztmedizin haben wir hoffentlich interessante Beiträge zusammengestellt, die Ihr Interesse finden. Über eine Resonanz würden sich die Autoren sicher sehr freuen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Univ.-Prof. Dr. med. Raimund Erbel

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