Dialyse aktuell 2007; 11(7): 3
DOI: 10.1055/s-2007-993062
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Dialyse - Keine Falle, sondern Erfolgsgeschichte

Stephanie Schikora
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Publication Date:
31 October 2007 (online)

Haben Sie vor Kurzem den Spiegel gelesen und in der Ausgabe 39 vom 24. September dieses Jahres den Artikel „Schleichender Exitus” bemerkt? Die meisten Nephrologen, die auf dem diesjährigen Kongress der Gesellschaft für Nephrologie in München waren, werden den Beitrag von Günther Stockinger in der Rubrik „Wissenschaft” wohl inzwischen kennen - denn immer wieder war er auf der Tagung Thema und Stein des Anstoßes. Nicht viel einzuwenden werden die meisten sachkundigen Leser haben, wenn die Zusammenfassung des Textes auf die noch immer desolate Situation bezüglich der Primärprävention des Nierenversagens Bezug nimmt, obwohl sich die Lage - wenn auch langsam - immer weiter verbessert und das Wissen um die Gefährlichkeit von Bluthochdruck und Diabetes für die Niere dank vieler Aufklärungsmaßnahmen sogar in der Allgemeinbevölkerung immer größer wird.

Klar und korrekt verweist der Autor des Artikels auf die Schwierigkeiten der Früherkennung chronischer Nierenerkrankungen. Mancher niedergelassene Allgemeinarzt oder Internist tue sich mit der Interpretation der entsprechenden Testergebnisse (Kreatinin im Blut oder Eiweiß im Urin) nicht leicht und unterschätze den bereits bestehenden Funktionsverlust der Nieren. Eine Kritik, welche die meisten Nephrologen gerne unterstreichen werden. Ähnlich sehen dies die Gesellschaft für Nephrologie und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Klinische Nephrologie in ihrer Stellungnahme zu dem angesprochenen Beitrag: „Der Artikel 'Schleichender Exitus' hat auf eindrucksvolle Weise die brennenden Themen der Nierenheilkunde auf den Punkt gebracht - die mangelnde Prävention und Früherkennung von chronischen Nierenerkrankungen, die rasch ansteigende Anzahl von Dialysepatienten und den zunehmenden Mangel an Spenderorganen. Wir danken der Redaktion, diese wichtigen Themen aufgegriffen und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben!”

Damit aber endet der Konsens mit dem Spiegel-Autor. Denn im zweiten Teil seines Artikels spricht Stockinger von der „Dialysefalle” - eine Formulierung, die beide Gesellschaften nicht unkommentiert lassen konnten und wollten. Denn die Nierenersatztherapie in Form der Dialyse sei für die betroffenen Patienten keinesfalls eine „Falle” aus der sie „nicht wieder lebend herauskämen”, so die Gesellschaften in ihrer Stellungnahme. Im Gegenteil: Die Dialyse sei eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Keine andere medizinische Disziplin könne über so viele Jahre einen Ersatz für ein lebenswichtiges Organ anbieten. Die „Falle” für den Patienten sei die chronische Erkrankung, nicht deren Therapie, betonen die Gesellschaften.

Unkommentiert blieb in der erwähnten Stellungnahme allerdings ein harscher Vorwurf an die Berufsgruppe der Nephrologen „Weil sich mit der Nierenersatztherapie noch immer viel Geld verdienen lässt, ist es für niedergelassene Nephrologen of wichtiger, Patienten für die Dialyse zu rekrutieren, als den Nierenexitus mit allen Mitteln abzuwenden. (...) Viele haben gar keine Interesse, ihre Patienten durch eine Transplantation zu verlieren.” Neu sind solche Vorwürfe, dass es in den Dialysezentren zunächst darum gehe, die Dialyseplätze ohne Rücksicht auf Alternativverfahren - sei es die Transplantation oder die Peritonealdialyse - bestmöglich und möglichst gewinnbringend auszunutzen, sicherlich nicht. Und tatsächlich seien die Nierenpatienten oft nicht optimal über die Möglichkeiten der Heimdialyseverfahren informiert, kritisierte Prof. Michael Nebel, Köln, im Rahmen der Pressekonferenz des Kongresses.

Wahrscheinlich wird es das ein oder andere „schwarze Schaf” unter den Dialyseärzten geben, denen ihr wirtschaftliches Auskommen wichtiger ist als das Wohl ihrer Patienten, das Gros der Ärzte wird ihren Patienten aber sicher nach bestem Wissen und Gewissen die für sie am besten geeignete Therapie empfehlen. Vielleicht hat die Schelte in dem Spiegel-Artikel aber auch hier etwas Gutes und hält diesen „schwarzen Schafen” einen „Spiegel” vors Gesicht?

Stephanie Schikora

Stuttgart

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