Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(10): 497
DOI: 10.1055/s-2007-992865
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Morbus Bechterew - NSAR sind der Mittelpunkt der Therapie

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Publication Date:
05 November 2007 (online)

 
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Die Therapie der ankylosierenden Spondylitis (Morbus Bechterew) zielt darauf ab, Schmerzen zu beseitigen, die Gelenkfunktion zu verbessern oder wiederherzustellen, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten und die Mobilität des Patienten zu erhalten. Im Hinblick auf das Erreichen aller dieser Therapieziele gelten nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) beziehungsweise Coxibe als Basistherapie der ersten Wahl.

Die amerikanischen und europäischen Leitlinien (ASAS, EULAR) haben den NSAR einen Platz als Medikamente der ersten Wahl zugewiesen. Dies beruht nicht nur auf der überzeugenden klinischen Wirksamkeit gegen Schmerz und Entzündung, sondern auch darauf, dass eine kontinuierliche Therapie mit NSAR die röntgenologische Progression der Krankheit signifikant bremsen kann. Dies hat eine Studie gezeigt, in der 214 Patienten NSAR entweder kontinuierlich oder bei Bedarf bekamen [1]. Etwa 70% der Patienten erhielten Celecoxib (Celebrex®). In der kontinuierlich behandelten Gruppe ergab sich eine mittlere Veränderung des modifizierten SASSS um 0,4 Punkte, in der Gruppe mit Bedarfsbehandlung um 1,5 Punkte (p < 0,02) [1]. Dies wurde für TNF-alpha-Blocker nicht so eindeutig bestätigt. "Der Morbus Bechterew ist die einzige entzündlich-rheumatische Erkrankung, bei der häufig und kontinuierlich NSAR eingesetzt werden müssen", sagte Prof. Joachim Sieper, Berlin. Das große antientzündliche und analgetische Potenzial dieser Substanzen muss unbedingt ausgeschöpft werden, bevor man zu Biologika greift.

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80% Response auf NSAR

Der hohe Stellenwert der NSAR in der Therapie der ankylosierenden Spondylitis (AS) spiegelt sich auch darin wieder, dass eine gute Response auf NSAR geradezu als diagnostischer Marker für diese Krankheit gilt, so Prof. Rainer Wigand, Frankfurt. Knapp 80% der Patienten sprechen gut bis sehr gut an. "Es gibt keine andere Krankheit, wo eine Langzeittherapie mit NSAR so gut wirksam ist", bekräftigte Wigand. Konventionelle Basistherapeutika hingegen sind in der Therapie der axialen AS nicht und bei peripherer Beteiligung nur wenig effektiv.

Dass NSAR und Coxibe in verschiedenen Analysen eine sehr gute Kosteneffektivität gezeigt haben, bestätigte Prof. Dr. med. Jürgen Braun aus Herne. TNF-alpha-Blocker sind zwar teuer, aber bei richtiger Selektion der Patienten ebenfalls kosteneffektiv. "Aber einen Patienten, der noch nicht kontinuierlich mit NSAR behandelt worden ist, auf TNF-alpha-Blocker zu setzen, ist gesundheitsökonomischer Irrsinn", meinte Wigand. Als problematisch bei TNF-alpha-Blockern sieht er eine erhöhte Infektionsrate sowie das Absetzen der Therapie: "Bei laufender Therapie merkt man nicht, wann die Aktivität der Krankheit nachlässt", so Wigand.

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Coxibe, ein Zugewinn an Sicherheit

Standard-NSAR und Coxibe haben sich bei Morbus Bechterew als gleichermaßen wirksam erwiesen, wobei nur Celecoxib für diese Erkrankung zugelassen ist. "Aber wir werden durch den analgetischen Effekt für die größte Komplikation traditioneller NSAR geblindet", sagte Wigand. Denn gastrointestinale Komplikationen wie Blutungen und Perforationen machen sich in mehr als 80% der Fälle nicht durch Symptome bemerkbar. Eine Kombination mit Protonenpumpenhemmern schützt zwar den oberen, aber nicht den ebenso gefährdeten unteren Gastrointestinaltrakt. COX-2-selektive Substanzen wie Celecoxib halbieren das Risiko für gastrointestinale Komplikationen im Vergleich zu Standard-NSAR. "Sie bringen damit einen hohen Zugewinn an Sicherheit", sagte Wigand.

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Deutsche Multicenter-Studie

In einer deutschen multizentrischen Studie [2] wurden 458 Patienten mit Morbus Bechterew für eine Therapie mit einmal oder zweimal täglich 200 mg Celecoxib beziehungsweise zweimal täglich 75 mg Diclofenac randomisiert. Ziel der Studie war es, zu klären, ob Celecoxib hinsichtlich der Schmerzreduktion Diclofenac unterlegen ist, erklärte Sieper.

Mehr als 80% der Patienten beendeten die Studie mit einer Dauer von zwölf Wochen. Die Patienten der drei Gruppen waren in den Basis-Parametern Schmerzscore (VAS), Krankheitsaktivität (BASDAI) und Entzündungsstatus (CRP) gut vergleichbar. Die Schmerzintensität als primäres Zielkriterium sowie sekundäre Variablen der Krankheitsaktivität und Funktion besserten sich in allen Gruppen vergleichbar. Sieper hob besonders hervor, dass es zu einer signifikanten Abnahme des CRP-Werts kam. Das weise darauf hin, dass Celecoxib nicht nur ein Schmerzmittel ist, sondern die Entzündung hochpotent hemmt. Die gastrointestinale Verträglichkeit war in beiden Celecoxib-Gruppen besser als in der Diclofenac-Gruppe.

In einer offenen randomisierten Follow-up-Studie wurde dann das Augenmerk auf die Krankheitsprogression gerichtet. Die Patienten erhielten zu Beginn zweimal 100 mg Celecoxib pro Tag; im Verlauf konnte auf zweimal 200 mg gesteigert oder auf ein anderes NSAR gewechselt werden. Eine Gruppe bekam eine kontinuierliche Medikation, die andere nur eine Bedarfstherapie. Am Ende erhielten fast zwei Drittel der Patienten noch Celecoxib. Diese Studie wird offen fortgeführt, um den langfristigen Effekt von Celecoxib auf die Röntgenprogression zu prüfen.

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Physiotherapie nicht vergessen!

Neben der entzündungshemmenden und analgetischen Medikation darf die Rolle der Physiotherapie nicht unterschätzt werden, betonte Wigand. Sie diene der Mobilisation der Facett- und der Rippen-Wirbelgelenke sowie der Vorbeugung von Kontraktur an Nachbargelenken, insbesondere an Schulter- und Hüftgelenk. Wichtig sind die Dehnung der ventralen Rumpfmuskulatur, das Training der Kopfbeweglichkeit und das Einüben von Entlastungsstellungen zur Schmerzprophylaxe.

Dr. med. Angelika Bischoff, Planegg

Quelle: Symposium "Morbus Bechterew", im Rahmen des 35. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), September 2007 in Hamburg. Veranstalter: Pfizer Pharma Gmbh, Karlsruhe.

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Literatur

  • 01 Wanders  . et al . Arthritis Rheuma. 2005;  52 1756-1765
  • 02 Sieper  . et al . Ann Rheum Dis. 2007;  (Epub ahead of print)
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Literatur

  • 01 Wanders  . et al . Arthritis Rheuma. 2005;  52 1756-1765
  • 02 Sieper  . et al . Ann Rheum Dis. 2007;  (Epub ahead of print)