Der Klinikarzt 2007; 36(10): 598
DOI: 10.1055/s-2007-991604
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Angiogenesehemmung - Relevante Verbesserung der Überlebensrate beim fortgeschrittenen Lungenkarzinom

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31 October 2007 (online)

 
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Bild: Roche Pharma AG

Mit der Zulassung zur First-line-Therapie des fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) hat der Angiogeneshemmer Bevacizumab (Avastin®) eine weitere Zulassungserweiterung erhalten. Bisher waren platinbasierte Therapiestrategien, kombiniert mit einem Zytostatikum der dritten Generation, in dieser Situation die Therapieoption mit den besten Ergebnissen, berichtete Prof. Frank Griesinger, Oldenburg. Immerhin lassen sich damit mediane Überlebenszeiten von acht bis zehn Monaten erreichen. Allerdings ist derzeit "insgesamt ein Plateau der Effektivität erreicht, das auch durch die Kombination mit weiteren zytotoxischen Substanzen nicht überschritten werden kann", so Griesinger. "Bevacizumab aber bringt uns jetzt sicherlich noch einmal zwei Monate weiter!"

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Stillstand beim metastasierten Lungenkarzinom ist überwunden

Dass der Angiogenesehemmer dies tatsächlich leisten kann, dokumentieren zum Beispiel die E4599-Studie der "Eastern Cooperative Oncology Group" (ECOG). Mit einem Anstieg von 15 auf 35% hat sich hier zum einen die Ansprechrate mehr als verdoppelt, wenn die Patienten zusätzlich zu der US-amerikanischen Standardtherapie, einer kombinierten Applikation von Paclitaxel plus Carboplatin, bis zum Progress alle drei Wochen Bevacizumab (15 mg/ kg i.v.) erhalten hatten. "Diese Steigerung der Tumoransprechrate übersetzte sich direkt in eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit um zwei Monate", berichtete Dr. Martin Reck, Großhansdorf.

So verlängerte sich sowohl das mediane Überleben (12,3 versus 10,3 Monate; p = 0,003) als auch das progressionsfreie Überleben (6,2 versus 4,5 Monate; p < 0,001) der Patienten. Dabei war es unerheblich, ob die Patienten zuvor eine Bestrahlung erhalten hatten oder nicht, oder ob ein Karzinom im Stadium IIIB mit Pleuraerguss, ein Tumor im Stadium IV oder ein Rezidiv vorlag. "Letztendlich war der Effekt in allen Subgruppen konsistent", so Reck.

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AVAiL bestätigt die ECOG-Studiendaten

Auch in der europäischen AVAiL[1]-Studie, an der vergleichsweise junge Patienten teilgenommen hatten, verbesserte sich die objektive Ansprechrate unter der zusätzlichen Gabe von Bevacizumab (7,5 bzw. 15 mg/kg alle drei Wochen bis zum Progress) von 20 auf 34 bzw. 30 %. Hier bestand die Basistherapie - wie es dem europäischen Standard entspricht - aus Cisplatin und Gemcitabin. Wie schon in der ECOG-Studie zeichnet sich auch in einer primären Analyse von AVAiL eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens ab, sowohl in der niedrigen (6,7 versus 6,1 Monate; p = 0,0026) als auch in der hohen Bevacizumabdosierung (6,5 versus 6,1 Monate; p = 0,0301). Daten zum Gesamtüberleben werden im Laufe des nächsten Jahres erwartet.

"Das sieht auf den ersten Blick nicht ganz so berauschend aus", meinte Reck. "Aber die Rate der Patienten mit stabiler Tumorerkrankung war stets deutlich höher, wenn die Patienten Bevacizumab erhalten hatten. Noch können wir nicht einmal 10 % der Patienten mit metastastiertem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom heilen. Insofern ist jeder Monat, den wir den Patienten stabil halten können, schon viel wert und ein wichtiges Therapieziel."

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Chemotherapiebedingte Toxizität nicht erhöht

Weder in den beiden genannten Untersuchungen noch in einer aktuellen Beobachtungsstudie (SAiL[2]) waren dabei unerwartete unerwünschte Effekte aufgetreten. Am häufigsten sei mit hämatologischen Nebenwirkungen wie einer Granulozytopenie (10,3 %), einer Leukozytopenie (3,5 %) oder einer Thrombozytopenie (2,9 %) zu rechnen, berichtete Griesinger von den ersten Zwischenergebnissen der SAiL-Studie (n = 600). "Dies aber sind Nebenwirkungen, wie wir sie von der Chemotherapie her kennen."

Bevacizumab selbst verursachte ebenfalls keine unerwarteten Nebenwirkungen. So waren etwas mehr Hypertonien und Proteinurien zu verzeichnen, und auch ein gewisser Nebeneffekt auf die Knochenmarkstoxizität war zu sehen. Zudem waren mehr Blutungsereignisse unter der bevacizumabhaltigen Kombinationstherapie zu beobachten, die Rate schwerer Blutungen war jedoch gering. "All das kennen wir schon", meinte Reck, "und wir wissen, dass wir solche Komplikationen durch eine geeignete Auswahl der Patienten minimieren können." Vorsicht geboten sei zum Beispiel bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko, unkontrolliertem Bluthochdruck oder bekannter behandlungsbedürftiger Herzerkrankung.

sts

Quelle: Einführungs-Pressekonferenz "Avastin® First-line bei Lungenkrebs - Überwindung des Therapiestillstandes", veranstaltet von der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen

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Pan-Tumor-Konzept

Schon im ersten Quartal dieses Jahres war Bevacizumab in Kombination mit Paclitaxel zur First-line-Therapie von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom zugelassen worden. Grundlage waren damals Studienergebnisse, die eine Verdopplung des progressonsfreien Überleben der Brustkrebspatientinnen dokumentierten. Auch für das metastasierte Nierenzellkarzinom gibt es bereits positive Studiendaten, die Zulassung in dieser Indikation wird Anfang des nächsten Jahres erwartet.

Darüber hinaus wird der Angiogenesehemmer derzeit bei weiteren Krebsentitäten - dazu zählen zum Beispiel das Pankreas-, das Magen-, das Ovarial- und das Prostatakarzinom - klinisch geprüft. "Wir haben ein riesiges Studien- und Entwicklungsprogramm für Bevacizumab aufgelegt", berichtete Dr. Wolfgang Dietrich, Grenzach-Wyhlen. "Allein im letzten Jahr wurden 9 000 Patienten für Studien rekrutiert."

01 AVAstin in Lung

02 Safety of Avastin in Lung

01 AVAstin in Lung

02 Safety of Avastin in Lung

 
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