Diabetes aktuell 2007; 5(4): 147
DOI: 10.1055/s-2007-985949
Magazin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Periphere diabetische Neuropathie - Sollen Diabetespatienten zur Prophylaxe Lipidsenker erhalten?

Further Information

Publication History

Publication Date:
27 August 2007 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Allen therapeutischen Bemühungen zum Trotz entwickelt auch heute noch nahezu jeder zweite Diabetespatient im Verlauf seiner Krankheit eine periphere diabetische Neuropathie. Schon weil die therapeutischen Möglichkeiten zur Bekämpfung der unangenehmen Symptome und Folgen der Neuropathie erweiterungsbedürftig sind, muss nach Möglichkeiten gesucht werden, die Entwicklung zu verhindern oder wenigstens hinaus zu zögern. Nun haben in der Vergangenheit einerseits Laborergebnisse und tierexperimentelle Untersuchungen gezeigt, dass sowohl Statine als auch Fibrate einen Schutz gegen Nervenschädigungen bieten. Dagegen standen aber andererseits - wenn auch nur anekdotische - klinische Berichte, die einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer reversiblen Neuropathie und der Gabe der beiden Substanzen herstellten.

#

Der positive Einfluss ist ein "Klasseneffekt"

In einer acht Jahre dauernden epidemiologischen Studie an Patienten mit Typ-2-Diabetes wollte nun ein Team der University of Western Australia University um Prof. Timothy Davis Licht in diese unklare Situation bringen. Die Querschnittsstudie repräsentierte 1 294 Patienten, die zwischen 1993 und 1996 in die Fremantle Diabetes Study, eine große australische Beobachtungsstudie mit über 120 000 Menschen, aufgenommen worden waren. Bei Studienbeginn waren die Teilnehmer im Durchschnitt 64 Jahre alt, 48,8 % waren Männer und 30,9 % hatten bereits eine Neuropathie. Ein Fibrat oder ein Statin nahmen zu diesem Zeitpunkt 3,5 % bzw. 6,8 % der Patienten ein. Dabei wurde zu Beginn als Fibrat meistens Gemfibrozil eingesetzt, bis zum Ende der Studie stieg aber die Zahl der Fenofibrat-Nutzer. Bei den Statinen waren zu Studienbeginn Atorvastin, Simvastatin und Pravastatin die bevorzugten Substanzen, am Ende wurde Atorvastatin am häufigsten eingesetzt. Beim positiven Einfluss auf die Entwicklung der diabetischen Neuropathie handelt es sich aber um einen Klasseneffekt, meint Davis - doch wie dieser zustande kommt, ist trotz einiger Hypothesen derzeit noch unbekannt. Bei den Statinen sei ein antiinflammatorischer und antioxidativer Effekt am Wahrscheinlichsten. Und mit Bezug auf die anekdotischen klinischen Berichte über die Entwicklung einer Neuropathie unter Einsatz der Lipidsenker meinte er, dass es sich dabei um Patienten gehandelt haben könnte, die ohnehin gerade eine Neuropathie entwickelten, oder aber möglicherweise um eine kleine Zahl von Patienten, die sensibel reagierten. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass die meisten Patienten von der Einnahme eines Lipidsenkers profitieren.

#

Lipidsenker sind nicht nur in der Kardioprävention nützlich

Nach drei Jahren wurde die Studie als Längschnitt-Studie mit 531 Patienten, die sich bis 2001 insgesamt sechs eingehende Gesundheitsuntersuchungen unterzogen hatten, über einen Zeitraum von weiteren fünf Jahren fortgesetzt. In diesen fünf Jahren stieg der Einsatz von Fibraten auf 10,4 %, der von Statinen auf 36,5 %. Die Lipidsenker reduzierten in dieser Gruppe das Risiko für die Neuentwicklung einer diabetischen Neuropathie um 48 % (Fibrate) bzw. 35 % (Statine), allerdings mit einem sehr breiten Konfidenz-Intervall. Darüber hinaus scheinen die beiden Lipidsenker ihre Wirkung auf unterschiedlichen Wegen zu entfalten, sodass es durchaus sein könnte, so Davis, dass eine gemeinsame Einnahme ein noch besseres Ergebnis zeitigen könnte. Bei Typ-2-Diabetikern reduzieren Lipidsenker also nicht nur das kardiale Risiko, sie schützen auch vor der Entwicklung einer der unangenehmsten Folgekrankheiten des Diabetes, der diabetischen Neuropathie. Obwohl die Entscheidung Fibrat oder Statin nie ganz einfach ist, so Davis, ist seiner Auffassung nach einem Statin der besseren kardiopräventiven Wirkungen wegen der Vorzug zu geben.

gb

Quelle: "Diabetic Neuropathy - Clinical and Experimental",Vortrag Prof. Timothy Wilson bei den 67th Sessions der American Diabetes Association am 22. Juni 2007 in Chicago

 
Zoom Image