Sprache · Stimme · Gehör 2007; 31(3): 132
DOI: 10.1055/s-2007-985820
Kunst und Kommunikation

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe - die innigste Verständigung

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Publication Date:
10 September 2007 (online)

Den Begriff der Kommunikation finden wir in der heute äußerst populären Internet-Enzyklopädie „Wikipedia” sehr schön erklärt. Es heißt dort: „Kommunikation (lat. communicare„teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen”) bezeichnet auf der menschlichen Alltagsebene ein gemeinschaftliches Handeln, in dem Gedanken, Ideen, Wissen, Erkenntnisse, Erlebnisse (mit)geteilt werden und auch neu entstehen. Kommunikation in diesem Sinne basiert auf der Verwendung von Zeichen in Sprache, Gestik, Mimik, Schrift, Bild oder der Musik.” Auf die Liebe, das Verliebtsein, das Zueinanderfinden treffen so viele Kriterien dieser Definition zu wie auf kaum eine andere zwischenmenschliche Kommunikationsform. Man erlebt und handelt zusammen, teilt sich mit; es entstehen neue Lebensentwürfe - man wird eins. Und dabei spielen wir auf der ganzen Klaviatur der genannten Zeichen: Wir reden verliebt („Süßholz raspeln”), Gestik und Mimik werden eingesetzt (Augenaufschlag, Körpersprache) wir schreiben Liebesbriefe, stellen ein Bild des geliebten Partners auf und unsere Altvorderen brachten ihrer Geliebten ein nächtliches Ständchen zur Laute.

Anselm Feuerbach: Paolo und Francesca, Ölgemälde 1864.

Der Maler Anselm Feuerbach (1829-1880), der zu den bedeutendsten deutschen Malern des 19. Jahrhunderts zählt, wird dem Neoklassizismus bzw. der Neuromantik zugerechnet. Das heutige Bild unserer Serie heißt „Paolo und Francesca”. Es zeigt in romantischer Verklärung ein lesendes Paar und dem Betrachter wird unschwer klar, dass das Interesse der beiden Dargestellten nicht nur dem Buch auf dem Schoß der Dame gilt: Hier bahnt sich eine innige Beziehung an. Paolos Arm ist nur noch eine Handbreit von der Schulter Francescas entfernt, sein Blick gilt nicht dem Buch, sondern der Angebeteten - es bedarf nur noch einer kleinen Wendung, und die beiden liegen sich in den Armen. Es ist ein sehr kontemplatives Bild, man spürt, dass das Paar ohne Worte innig miteinander kommuniziert.

Das Motiv zu dem Bild hat Feuerbach der „Göttlichen Komödie” von Dante Alighieri (1265-1321) entlehnt, dem bedeutendsten Dichter der italienischen Sprache. Francesca ist die reale Figur der Francesca da Rimini, einer Zeitgenossin Dantes. Sie wurde gegen ihren Willen verheiratet und verliebte sich in den Bruder des Zwangs-Ehegatten. Dante hat die Geschichte von Paolo und Francesca in seine „Göttliche Komödie” aufgenommen. Feuerbach zeigt die beiden bei der Lektüre der mittelalterlichen Erzählung von Lancelot und Ginevra und diese Erzählung lässt die Liebe zwischen ihnen beiden entflammen. Die Geschichte gehört in den Kreis der Artus-Sage, die uns - wenn auch meist nur bruchstückhaft - durch Namen wie eben König Artus, Lancelot, die Ritter der Tafelrunde, das Schwert Excalibur und den Zauberer Merlin geläufig sind. Es ist - wie könnte es anders sein - eine Liebesgeschichte.

Anselm Feuerbach gen oss in der Kunstszene seiner Zeit hohes Ansehen, war aber vor allem wegen des Malstils seiner Spätzeit nicht unumstritten; er bevorzugte eher graue, düstere Töne, die seiner melancholischen Gemütslage entsprachen. In den Galerien von Karlsruhe, Stuttgart und München sind seine Hauptwerke zu sehen.

Peter Eich

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