Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(6): 298
DOI: 10.1055/s-2007-985265
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Aktuelle Websites - Stimmenhören, Farben schmecken - was ist eigentlich normal?

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Rainer H Bubenzer

Berlin

Publication History

Publication Date:
13 July 2007 (online)

Table of Contents

Es scheint ganz einfach: Wer Stimmen hört, die andere nicht wahrnehmen, leidet unter einem psychopathologischen Symptom („akustische Halluzination”). Therapeutisches Ziel: Die Stimmen im Kopf zum Verschwinden bringen. Der Spur der „Normalität” folgend, endet hier bereits das Verständnis Nicht-Betroffener - die Konfrontation mit der Wahrhaftigkeit des Erlebten reicht nicht über eine banale Psycho-Diagnose hinaus. Doch wer sich - wenigstens vorübergehend - auf das Phänomen einlässt, begegnet auch sich selbst: Sei es in Form der Stimme des eigenen Gewissens, sei es in den Einflüsterungen politischer Verschwörungen, sei es in dem spirituellen Kontakt mit Gott oder hinsichtlich von künstlerischen Inspirationen (die ja bei Ärzten überdurchschnittlich häufig sind).

In überzeugender Weise hat das „Netzwerk Stimmenhören” mit der Website www.stimmenhoeren.de die Komplexität des Phänomens aus Betroffenensicht eingefangen und dargestellt. Interaktive Elemente (Forum, Gästebuch), aber auch vielfältige Schilderungen von Betroffenen oder ausgesuchte Weblinks zu Selbsthilfegruppen, Netzwerken oder Fachinformationen runden die Website ab. Resümee: Einfach und beispielhaft. Übrigens: Je nach Methodik zeigen epidemiologische Studien eine Häufigkeit von Stimmenhören über längere Zeit von mehr als 10 %.

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Synästhesie

Nur wenig von der Psychiatrie vereinnahmt ist das nicht weniger erstaunliche Symptom der „Synästhesie” - also der Kopplung verschiedener Wahrnehmungsbereiche bei nur einem Reiz („verschmolzene Wahrnehmung”). Synästhetiker können beispielsweise Geräusche nicht nur hören, sondern auch Formen und vor allem Farben dazu sehen (audition colorée). Wie viele Menschen solche Fähigkeiten (sic - nicht Symptom!) haben, ist unbekannt, da die individuelle Normalität der Synästhesie kaum auffällt. Klar ist nur, dass viele Künstler Synästhetiker waren oder sind. Die Zahl der Informations-Websites zum Thema ist erstaunlich hoch. Hier nur eine kleine Auswahl von Internetauftritten, die unterschiedliche Aspekte des Phänomens vorstellen:

  • www.synaesthesie.info - eine virtuelle Ausstellung zum „lauten Staunen” oder „zarten Hinhören”, wie es gerade ge-fällt.

  • www.synaesthesieforum.de - eine Mailingliste mit gehaltvollen Add-Ons.Lassen Sie sich weder die Galerie mitden vielen Beispielen noch die Link-liste entgehen.

  • www.sensequence.de - hier finden SieAntworten aufFragen wie „wieschmeckt der Montag?”, „welche Formhat das Jahr?” oder „welche Tage sindam größten?”

.Hinweis: Eine häufige Frage von Nicht-Synästhetikern ist - ganz anders alsbeim Stimmenhören: „Kann ich dasauch erlernen?”

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Quellen:

  • 1 Thomas P, Bracken P, Leudar I.. Hearingvoices: A phenomenological-hermeneutic ap-proach.  Cognit Neuropsychiatry. 2004;  9 13-23
  • 2 Tien AY.. Distributions of hallucinations inthe population.  Soc Psychiatry Psychiatr Epi-demiol. 1991;  26 287-292
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Rainer H Bubenzer

Berlin

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Quellen:

  • 1 Thomas P, Bracken P, Leudar I.. Hearingvoices: A phenomenological-hermeneutic ap-proach.  Cognit Neuropsychiatry. 2004;  9 13-23
  • 2 Tien AY.. Distributions of hallucinations inthe population.  Soc Psychiatry Psychiatr Epi-demiol. 1991;  26 287-292
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Rainer H Bubenzer

Berlin