psychoneuro 2007; 33(6): 258
DOI: 10.1055/s-2007-985125
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Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz - Therapie des neuropathischen Schmerzes verbessern

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Publication Date:
26 July 2007 (online)

 
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Die International Association for the Study of Pain (IASP) und ihre Special Interest Group zum Thema Neuropathischer Schmerz (NeuPSIG) sind begeistert von ihren deutschen Kollegen: Mit viel Engagement hat der Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) maßgeblich zu einem neuen Verständnis der Pathophysiologie bei neuropathischen Schmerzen beigetragen. Hierauf basierend will er Prävention und Therapie verbessern. In der Therapie der neuropathischen Schmerzen konnten in den letzten Jahren durch die Zulassung moderner Antidepressiva und Antiepileptika Fortschritte erzielt werden, doch diese kommen den Patienten häufig nicht zugute. Denn die sichere Diagnose und Therapie fällt selbst Neurologen noch immer schwer. Das will der DFNS ändern, so seine beiden Sprecher Prof. Ralf Baron, Kiel, und Prof. Thomas Tölle, München. Die Klassifikation der neuropathischen Schmerzen basierte bislang auf der Grunderkrankung. Doch wie Baron betonte, geben einerseits viele Patienten unabhängig von ihrer Grunderkrankung identische Schmerzformen an und können andererseits bei gleicher Erkrankung sehr unterschiedliche Symptome vorliegen. "Wir sind überzeugt davon, dass es biologische Mechanismen gibt, aus denen die individuellen klinischen Symptome resultieren", so Baron.

Daher arbeiten im DFNS seit fünf Jahren interdisziplinäre Experten mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) deutschlandweit intensiv daran, das Verständnis der Pathophysiologie sowie Prävention und Therapie des neuropathischen Schmerzes zu verbessern. Denn nach ihrem Modell sollte die Therapie mechanismenbasiert erfolgen.

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QST-Testbatterie

Um die Schmerzmechanismen besser ermitteln zu können, hat eine Arbeitsgruppe um Prof. Rolf-Detlef Treede, Mainz, die standardisierte Testbatterie QST (Quantitativ Sensorische Testung) entwickelt [1]. Bei der rund 30 Minuten dauernden Methode wird mit verschiedenen Tests (z.B. thermische und mechanische Reizung) ein somatosensorisches Profil erstellt. Eine für diese Zwecke aufgebaute Normdatenbank erlaubt den Vergleich mit gesunden Menschen. Entsprechende Auswertungen von QST-Daten sind in Kürze auf der Internetseite des DFNS möglich. Eine Auswertung der QST-Daten konnte beispielsweise belegen, dass Patienten mit Zoster im Gesichtsbereich zum Teil eine zentrale Sensitivierung, zum Teil aber auch eine verminderte Sensorik aufweisen: "Diese Patienten müssen wir vermutlich unterschiedlich behandeln", so Tölle.

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QUAST-Datenbank

Ergebnisse der QST-Batterie werden derzeit im Rahmen von etwa 500 Parametern pro Patient in der Datenbank QUAST (QUAlitätssicherung in der SchmerzTherapie) zentral von der Arbeitsgruppe um Prof. Christoph Maier, Bochum, erfasst und analysiert. Zu den weiteren, standardisiert eingespeisten Informationen gehören die spezifische Schmerzsymptomatik sowie sozioökonomische, psychosoziale und psychologische Faktoren.

Parallel erfolgt der Aufbau einer Blut- und DNA-Bank, mit der genetische Ursachen für die Entwicklung neuropathischer Schmerzen und für das unterschiedliche medikamentöse Ansprechen untersucht werden sollen.

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Rationalere Therapie

Tölle kündigte an, mit Hilfe der QUAST-Datenbank, die inzwischen rund 1500 Patienten mit unterschiedlichen neuropathischen Schmerzen umfasst, künftig anhand der individuellen Konstellation rationaler über die Therapie entscheiden zu können. "Sie erhalten zum Beispiel für Frauen im Alter über 50 Jahren mit Schmerzen nach einer Nervenläsion auf einen Knopfdruck die sensorischen Phänomene und das Ansprechen auf eine Therapie", so Tölle.

Zudem laufen derzeit Therapiestudien, in denen bei definierten Patienten-Konstellationen verschiedene Medikamente überprüft werden. Ergebnisse erwartet Tölle in zwei bis drei Jahren. Wie der DFNS-Sprecher hinzufügte, ist ein weiteres wichtiges Feld die Prävention. So können neuropathische Schmerzen zum Beispiel aus einer Tumortherapie resultieren und sollten daher von Anfang an berücksichtigt werden.

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Tools für die Praxis

Der DFNS will aus der QST-Batterie künftig eine "Light"-Version erarbeiten, die von niedergelassenen Kollegen als Routineuntersuchung anwendbar ist. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, hat der Verbund in Zusammenarbeit mit Pfizer den Fragebogen "painDETECT" entwickelt [2]. Er wird vom Patienten in etwa fünf Minuten ausgefüllt und liefert Hinweise auf das Vorliegen einer neuropathischen Schmerzkomponente. Die Untersuchung soll den Arzt sensibilisieren, die Therapie anzupassen oder den Patienten ggf. an einen Spezialisten zu überweisen. Der Fragebogen, der über den Pfizer-Außendienst erhältlich ist, sollte nach Ansicht von Tölle jedem Arzt vorliegen, der regelmäßig Schmerzpatienten sieht. Die Methode konnte beispielsweise aufdecken, dass etwa 38 % der Patienten mit Rückenschmerzen eine neuropathische Schmerzkomponente aufweisen. "Wenn man weiß, wie selten die Betroffenen eine medikamentöse Therapie gegen den neuropathischen Schmerz erhalten, ist es erschreckend", hob Baron hervor.

Weitere Informationen zum DFNS im Internet: www.neuropathischer-schmerz.de

Petra Eiden (pe)

Quelle: Pressekonferenz "Nervenschmerz - ein weltweit unterschätztes Problem" anlässlich des "Second International Congress on Neuropathic Pain", 7.6.2007, Berlin (Veranstalter: Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz)

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Literatur

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Literatur

 
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