Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(5): 276-277
DOI: 10.1055/s-2007-985017
Blickpunkt

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Glosse - Die Fettsteuer - oder: Wie kommt wieder Geld ins System?

von Prof. Ulrich Norbert Bernd Kannt
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Publication Date:
04 July 2007 (online)

 
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Der ganze Schlamassel begann nach der Erhöhung der Tabaksteuer auf 2000 %. Als der letzte Raucher so tot war wie der sagenhafte Dodo, kam Unsere Heilige U (UHU), die das Ministerium für Gesundheit, Einigkeit und Zufriedenheit (GEZ) leitete, in allergrößte Schwierigkeiten mit ihrem Gesundheitswesen.

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Die Wartung verschlang Gesundheitsmilliarden

Der Tod des Durchschnitts-Deutschen trat durch Austrocknen im Alter von 120 Jahren perakut ein, sodass die Erde einen Staubring wie Saturn trug. Dessen Wartung verschlang die Gesundheitsmilliarden, weil ein amerikanisches Gericht die Republik für diese Umweltverschmutzung haftbar gemacht hatte. Der letzte in Deutschland noch praktizierende Arzt war ein Neurochirurg gewesen, der vor der Antrittsrede des Kanzlers für die Lobotomie gebraucht wurde. Das ständige Verkünden der Notwendigkeit des Schuldenabbaus wäre sonst nicht durchzuhalten gewesen, ohne dass es zwischen den Ohren störend laut brizzelte und die Fernsehübertragungen störte. Seit 20 Jahren wurde die Elektrolyse beider Hemisphären infolge widersprüchlicher Botschaften durch implantierbare Point-of-view-Converter verhindert, so war die Lobotomie überflüssig und auch der letzte Arzt entlassen worden. Nun fehlte der Gesundheitspolitik der Feind, den man für die teuren Staubringe verantwortlich machen konnte.

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Fiskalpolitik in der Krise

Auch auf der Einnahmeseite waren die Kassen "krank". Längst fraß das Durchschnittsauto nur noch ein Schnapsglas hoch filtriertes Kürbiskernöl für eine dreifache Weltumrundung. "Das haben uns die grünen Weltverbesserer eingebrockt", dachte UHU sauer. Frustrierend und defizitär auch die Alkoholsteuer. Sie brachte nur noch vereinzelt im Zusammenhang mit Fruchtsaftorgien auf den Balearen etwas in die Kassen. Auch die Fettsteuer war ein Flop: die letzte Fritte war 50 Jahre nach Einführung der Steuer von einem Schotten namens Mac Donald vor Helgoland gesichtet worden. Ein einsames, resistentes Dorf, welches von gallischen, schlecht die Landessprache sprechenden Millionären in der holsteinischen Schweiz gegründet wurde, sicherte durch das besteuerte Werfen von Fischstäbchen gerade mal die Portokasse. Die Fiskalpolitik war in der Krise und der Finanzminister hatte sich beim Warten auf eine Tomaten-Mozarella-Pizza vor Aldi einen Dekubitus geholt. Vorbei die Zeiten, als Plisch und Plum das Defizitspending durch das Baden in Wannen von Kaviar zu Höchstleitungen getrieben hatten.

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Rektangulierung der Überlebenskurve war grausame Wirklichkeit geworden

Wo sollte man noch Steuern herbekommen? Selbst träges Schlendern an warmen Sommerabenden konnte längst keinen fiskalisch relevanten Return on Invest mehr abwerfen. Die Rektangulierung der Überlebenskurve war grausame Wirklichkeit geworden, weil die gesamte Bevölkerung sich gesundheitsschädlichen Spaß nicht mehr leisten konnte. Nur die Amerikaner fraßen noch fröhlich Fastfood, schließlich war dort der Anspruch auf das Streben nach Glück in der Verfassung verankert.

Die Bevölkerungspyramide sieht aus wie ein Schamhaardreieck und die Staatskasse wie die Wüste Gobi, seufze UHU. Die National Library war längst durch die deutsche Steuergesetzgebung ersetzt worden, auch daraus ließen sich also keine neuen Ideen schöpfen. Allein die erste Fußnote der Richtlinie zum Verschmelzen zweier haploider Gendatensätze auf biologisch-natürlichem Wege mit anschließender Mitose fraß schon ein Terrabyte Speicherplatz. Sauerstoff war das einzig wirklich Ungesunde, das noch nicht besteuert war. Wissenschaft, Umweltpolitik und oxidative Radikale sprachen sich eindeutig gegen einen unkontrollierten O2-Ausstoß und -Konsum aus - allein, die Kanzlerrunde bezweifelte die Durchsetzbarkeit dieser Steuer, weil der Durchschnittswähler am Altersemphysem litt. Ach, der dicke Nachkriegs-Ludwig hatte halt doch Recht gehabt: keine Experimente, Wirtschaftswunder und Zigarren satt!

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Voilà: die PPP-Steuer war erfunden

Die rettende Idee kam aus der Familienpolitik - ein Kompromiss aus landwirtschaftlichem Urknall, Arbeitsbeschaffungsprogramm und praktischer Steuerpolitik. Das Cerebellum des Wirtschaftsministers zeigte Abweichungen von der Nulllinie. Der Landwirtschaftsminister spürte ein Knistern zwischen beiden Ohren als Folge einer elektrolytisch bedingten Rekonnektion seiner gesundheits- und agrarpolischen Hemisphäre. Beim Abholen ihrer Enkel aus dem Altenheim war einer Expertin ein außergewöhnliches Wesen von neun Monaten aufgefallen: Eines der vermutlich letzten deutschen Babys. Es war lange nach Einführung der horrenden Pampers-Steuer durch Entkorken schwarz geboren worden und hatte sich durch das Abfeuern metabolisierter Gemüsebratlinge akustisch bemerkbar gemacht. Mangels Masse nahm die Kinderschwester zur Säuberung einen Ausdruck mit recycelten Literaturrecherchen, das wohl letzte greifbare reale Papier. Da kam ihr die geniale Assoziation: Paper - Pampers - Pubmed - Pupsen. Pups or perish! Voilà: die PPP-Steuer war erfunden und brachte den ersehnten Durchbruch in der Stagnation der steuernden Gesundheitspolitik! Pecunia non olet! Da freuen sich auch der Landwirtschaftsminister und das Kanzleramt! Allein das dazugehörige Disease-Management-Programm und die Einführung von PPP-Kassen würden Millionen von Entlassungen in der Sozialadministration verhindern! So griff unsere UHU also zu ihrem nostalgischen Griffel, schlug die Schwarte auf Seite 125.632 auf und schrieb: "Antrag auf Einführung einer verbesserten Gesundheitsversorgung nach dem Du-musst-pupsen ... - "Public Utilization-Prinzip für Steuern", flüsterte ihr ein ungesund magerer Experte ein, wir müssen ja auch mal wieder was Neues beschließen ...... so kam es also: DMP war out - PUPS war in!

U.N. B. Kannt

Herausgeber der tausendbändigen Allgemeinen Enzyklopädie der Reformen im Gesundheitswesen in Germany (AERGGER), Professor für Paläomedizinologie

 
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