Dialyse aktuell 2007; 11(1): 3
DOI: 10.1055/s-2007-983903
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Elektronische Krankenschwestern - Zukunftsvision oder Fiktion?

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Publication Date:
06 June 2007 (online)

Klein und so vielseitig wie möglich, also maximal 50 x 50 x 50 cm groß, ausgestattet mit Motor und Rädern, einem Bordrechner, Funkmodul, optischen Sensoren, Lautsprecher, Bildschirm und Putzeinrichtung zum Aufwischen und Desinfizieren - so sollen sie aussehen, die elektronischen Krankenschwestern, die derzeit im Rahmen des neuen EU-Projekts IWARD entwickelt werden. Dabei ist der Name Programm, denn IWARD steht für „intelligent robot swarm for attendance, recognition, cleaning and delivery”. Zehn Forscherteams aus acht Ländern wollen in den nächsten drei Jahren eine Roboterkolonne entwickeln, die das Personal in Krankenhäusern unterstützen kann. „Die Aufgaben, die diese Roboter übernehmen könnten, sind vielfältig: den Arzt suchen, Schwestern rufen, Krankenzimmer sauber halten und Besucher führen. Die mobilen Helfer erkennen aber auch, wenn in einem Krankenzimmer Hilfe benötigt wird, beispielsweise wenn ein Patient gestürzt ist. Dann können sie die Pfleger oder die Schwester alarmieren”, so die Zukunftsvision von Thomas Schlegel, der am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO tätig ist und das Projekt koordinieren wird.

Sie halten dies alles für reine Utopie oder eine Spielerei? Die Pläne der Arbeitsgruppe zumindest sind ganz konkret und wirklich ernst gemeint. Die einzelnen Komponenten für die Roboter gibt es schon. Jetzt geht es darum die „Schwarmintelligenz” weiterzuentwickeln. Zwar kann jeder Roboter autonom agieren, über den ständigen Kontakt mit seinen „Kollegen” soll jedoch ein Schwarm entstehen, dessen Fähigkeiten über die eines einzelnen Roboters weit hinausgehen. Schon in etwa drei Jahren, so plant die Forschergruppe, sollen drei oder vier Roboter zu Praxistests in vier verschiedene Kliniken reisen. In England, Spanien, Frankreich und der Türkei werden dann die elektronischen Krankenschwestern ein paar Wochen lang das Klinikpersonal beim Putzen oder bei der Kommunikation unterstützen.

Aussehen könnte das zum Beispiel so: Will die - zum Glück noch menschliche - Schwester Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten, kann sie über einen Roboter im Krankenzimmer per Funk eine Suchmeldung an alle anderen Roboter des Schwarms losschicken. Sobald ein Mitglied des Schwarms fündig wird, baut er eine Video-Konferenz zu dem Roboter im Krankenzimmer auf. Der Arzt ist im Nu mit der Schwester verbunden, die seinen Rat benötigt. Wobei die Frage offen bleibt: Was ist mit dem guten alten Piepser, einem direkten Gespräch zwischen Schwester und Arzt oder auch dem direkten Blick auf den Patienten? Ein anderes Beispiel: Angenommen, Roboter Nummer 1 fährt gerade einen Gang entlang und erkennt einen Pfleger, der schnell auf ein Zimmer zusteuert, in dem Roboter Nummer 2 gerade putzt. Dann kann Roboter 1 die Information an Roboter 2 weitergeben, und dieser kann sich rechtzeitig in eine Ecke des Zimmers zurückziehen, um dem Pfleger so Platz zu machen.

Trotz all dieser plastischen Beispiele für den Nutzen einer „elektronischen Krankenschwester” klingt die Vorstellung für mich doch noch wie Science Fiction. Sicherlich wäre eine Entlastung von Schwestern, Pflegern und Ärzten im klinischen Alltag wünschenswert. Aber ob sich hierzu Roboter eignen, wage ich zu bezweifeln. Oder können Sie sich wirklich vorstellen, mit solchen Mitteln ihre Patienten zu betreuen? Ganz abgesehen davon müssten die Roboter auch eine gewisse Intelligenz aufweisen, um empfindliche Geräte zu erkennen, deren Messungen oder Funktionen sie durch einen möglichen Funkkontakt via WLAN oder Bluetooth stören könnten. Ganz so selten sind solche Geräte im Klinikalltag ja nicht! In vielen Bereichen eines Krankenhauses könnten die Roboter also gar nicht richtig arbeiten und man muss dennoch gute alte Methoden wie das „Anpiepsen” und ein Telefonat oder vielleicht doch besser ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht suchen. Und noch ist es ja nicht so weit, dass Roboter im Klinikalltag einziehen. Warten wir also erst einmal ab, wie sich die elektronischen Helfer im Testbetrieb schlagen werden, wenn es denn dazu wirklich kommt.

Stephanie Schikora

Stuttgart

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