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DOI: 10.1055/s-2007-980313
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
10. Internationaler Brustkrebskongress und Konsensuskonferenz 2007
Publication History
Publication Date:
14 June 2007 (online)
Professor Beat Thürlimann
Der St. Galler Brustkrebskongress "Primary Therapy of Early Breast Cancer", 14.-17. März 2007, ist nochmals auf über 4700 Teilnehmer aus über 90 Ländern gewachsen. Dabei stand die Biologie vom Brustkrebs und deren Bedeutung für Diagnostik und Therapie ganz im Vordergrund. Die genetischen Untersuchungen zeigen uns nicht nur phänomenologische Eigenschaften, wie z.B. zur neuen genetischen Klassifikation von Brustkrebs, sondern tragen viel zum Verständnis der Physiologie und Pathophysiologie der Wachstumsregulation von gesunden und Tumorzellen bei. Diese helfen wiederum, diagnostische und therapeutische Targets zu entwickeln. Die zunehmende Bedeutung von genetischen Tumoruntersuchungen zeigt sich auch in der Erforschung der Resistenz gegenüber den zielgerichteten Therapien.
Mit Interesse ist natürlich die Beurteilung der Anwendung von verfügbaren tumorgenetischen Tests erwartet worden. Diese helfen, den "crosstalk" zwischen ER- und anderen Wachstumsfaktoren zu verstehen. Ein Highlight waren sicher die Vorträge von Charles M. Perou über die therapeutische Bedeutung der genetischen Einteilung von Brustkrebs, sowie von Kent Osborne über den crosstalk zwischen ER- und anderen Wachstumsfaktoren für das Verständnis der endokrinen Resistenz.
Eine andere wichtige Entwicklung der letzten Jahre wurde von Thomas Suter präsentiert. Durch die moderne adjuvante Therapie hat das Verständnis und das Management der Risiken und Nebenwirkungen für das Herz eine neue Bedeutung erlangt. Anthrazykline, Taxane, Radiotherapie sowie Anti-HER2-Medikamente sind kardiotoxisch. Der optimale Gebrauch dieser Medikamente im Hinblick auf die Minimierung der noch unbekannten Langzeittoxizität ist unbekannt. Die Beachtung der Kardiotoxizität wird noch zunehmen, da eine Tendenz besteht, aggressive Therapieformen auch bei moderatem Risiko und bei gesunden älteren Patientinnen einzusetzen.
Bei der Konsensuskonferenz zeigte sich - für mich überraschend klar - , dass die kommerziell erhältlichen genetischen Tumoruntersuchungen Oncotype DX® und dies gilt noch viel mehr für Mammaprint®, klar als Routineuntersuchungen abgelehnt wurden. Die Mehrheit befand, dass die Indikation zur Chemotherapie bei der nur partiell hormonsensitiven Erkrankung hauptsächlich durch die bekannten Faktoren für das Rückfallrisiko bestimmt werden soll. Die Validierung der genetischen Tests in anderen Patientenpopulationen ging mit einem Verlust der Trennschärfe einher, so dass die Mehrheit der Panelmembers wohl zuerst eine prospektiv-randomisierte Prüfung der Tests ("Taylor X2 für Oncotype DX®und "MINDACT" für Mammaprint®) abwarten wollte, bevor diese Tests in die Routine eingeführt werden. Interessant war auch die vollkommen geteilte Meinung über die Hilfe von adjuvant!-online. Obwohl dieses System häufig genutzt wird, sind viele Panelists zurecht skeptisch, da einerseits wichtige prognostische und prädiktive Faktoren in diesem System fehlen (PgR, HER2) oder nicht standardisiert und reproduzierbar sind (PgR, grade).
Wichtiger noch scheint mir der Einwand, dass die angezeigten Risikoreduktionen aus Studien stammen, in welchen die Patientinnen aufgrund ihres Risikos statt ihrer Chemo- und Hormonsensitivität ausgewählt wurden. Mit anderen Worten: es werden Durchschnittsbehandlungseffekte für Durchschnittspatientinnen entsprechend ihrem Risiko gezeigt. Dies widerspricht jedoch dem Paradigmenwechsel, der bereits 2005 vollzogenen und jetzt nochmals bekräftigten Behandlungsphilosophie von "risk-adapted" zu "tailored therapy" zu wechseln.
Die fundamentale Änderung bei der Auswahl der adjuvanten Therapiemodalitäten - "First - select the target!" - führt auch dazu, dass viele Resultate von vielen bisherigen risikoadaptierten Studien neu interpretiert werden müssen. Dies erklärt auch, warum das Panel zu keiner Rangliste oder Kategorisierung der verschiedenen Chemotherapieregimes - bis auf wenige Ausnahmen - gekommen ist. Damit wird der St. Galler Konsensus noch realitätsnäher an die Biologie der Erkrankung einer individuellen Frau geführt - eben: tailored statt risk-adapted. Die Konsequenz ist, dass sich die Konsensusrichtlinien noch weiter von einem "Kochrezept für ein anschließend leicht verdaubares Menü" entfernen. Damit wird die Beratung der Frauen zur optimalen Auswahl der adjuvanten Therapie noch anspruchsvoller und benötigt mehr Detailkenntnisse über die Biologie der Erkrankung und die Umstände, in welchen die Studienergebnisse generiert wurden, die wir für die Beratung unserer Patientinnen brauchen, um zu einer vernünftigen Behandlungsentscheidung zu kommen.
Weitere Informationen finden Sie in dieser Ausgabe der Senologie, auf Seite 64 bzw. im Newsletter der SGS auf Seite XI.
Professor Dr. Beat Thürlimann,
St. Gallen