Aktuelle Neurologie 2007; 34(5): 261
DOI: 10.1055/s-2007-970893
Editorial
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Bonus-Malus-Regelung am Beispiel der Verordnung von Triptanen

Bonus-Malus Regulation in Prescription of TriptansH.  C.  Diener1
  • 1Neurologische Universitätsklinik Essen
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Publication Date:
06 June 2007 (online)

Prof. Dr. med. H. C. Diener

Die kassenärztliche Bundesvereinigung hat zusammen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen für das Jahr 2007 Vorgaben für den Abschluss von regionalen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 SGB V getroffen. Der sog. Bonus-Malus-Regelung, die in mehreren KV-Bezirken eingeführt wurde, unterliegen die Statine, die Protonenpumpenhemmer, selektive Betablocker, Alpharezeptorenblocker, selektive Serotoninwiederaufnahmeinhibitoren, Biphosphonate und Triptane. Für jede dieser Medikamentengruppen wird eine sog. Leitsubstanz definiert, an der sich das Verschreibungsverhalten der Vertragsärzte orientieren muss. Für die Statine ist das Simvastatin und für die Triptane Sumatriptan. Der Basiswert, der als Berechnungsgrundlage dient, ist die defined daily dose (DDD). Diese Menge ist von der Weltgesundheitsorganisation festgelegt und ist die Erhaltungsdosis pro Tag in der Hauptindikation. Für die Migräne ist die Dosis von Sumatriptan 50 mg, von Rizatriptan 10 mg und von Eletriptan 40 mg. Im Rahmen der Bonus-Malus-Regelung müssen Vertragsärzte beim Verschreiben von Triptanen zwei Grenzwerte erreichen:

Der Anteil der Generika bei der Verschreibung von Triptanen muss sich an dem drittbesten Wert aller KV-Werte in Deutschland orientieren. Dieser beträgt im Moment 27,9 %. Darüber hinaus müssen die Kosten für eine DDD bei 7,225 € liegen. Dieser Wert kann über alle Verschreibungen hinweg um maximal 10 % überschritten werden.

Eine Modellrechnung zeigt dies für die kassenärztliche Vereinigung in Hessen. Hier ist der derzeitige Ist-Wert eine DDD mit Tageskosten von 7,319 € bei einem Generikaanteil von 24,5 % für Sumatriptan. Der Grenzwert, ab wann ein Malus bezahlt werden muss (tatsächlicher Ist-Umsatz minus Ziel-Umsatz) beträgt 8,017 €/DDD.

Ich habe selbst als Professor einer Neurologischen Universitätsklinik lange gebraucht, um diese Regelung zu verstehen. Als Experiment habe ich das Konzept Nichtmedizinern, nämlich Betriebswirten, Volkswirten, Juristen und Künstlern vorgetragen, die mich verständnislos anschauten. Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Arzneimittelkosten begrenzt und nach Möglichkeit auch reduziert werden müssen. Hier ist aber ein bürokratisches Monstrum geschaffen worden, das jeder Beschreibung spottet.

Es gibt auch noch eine Besonderheit für spezialisierte Neurologen. Die Bonus-Malus-Regelung ist relativ problemlos bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern und bei niedergelassenen Neurologen mit einem gemischten Patientenklientel. Hier wird sich ein großer Anteil von Patienten finden, die tatsächlich mit Sumatriptan gut zurecht kommen und bei denen auch völlig problemlos Sumatriptan als Generikum verschrieben werden kann. Neurologen, die sich schmerztherapeutisch spezialisiert haben, bekommen aber gerade eben diese Patienten überwiesen, die mit Sumatriptan nicht zurecht kommen. Zwangsläufig ergibt sich dann die Verordnung von in diesen Fällen wirksameren Triptanen wie beispielsweise Rizatriptan, Almotriptan oder Eletriptan. Abstruserweise kann der entsprechende Arzt dann die Bonus-Malus-Regelung umgehen, indem er Großpackungen verschreibt. Die Regelung hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt übersehen. DDDs sind ein theoretisches Konstrukt. Die großen Studien, in denen der Verbrauch von Triptanen zur Behandlung akuter Migräneattacken verglichen wurden, zeigt aber, dass potente Triptane wie Rizatriptan oder Eletriptan in einer geringeren Zahl von Tabletten pro Attacke eingenommen werden müssen, als beispielsweise Sumatriptan und damit sogar kostengünstiger sind. Alle diese Überlegungen haben natürlich keinen Platz in dem bürokratischen Monstrum Bonus-Malus-Regelung.

Prof. Dr. med. H. C. Diener

Neurologische Universitätsklinik Essen

Hufelandstr. 55

45147 Essen

Email: h.diener@uni-essen.de

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