Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39(1): 1
DOI: 10.1055/s-2007-964938
Editorial

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Distale Radiusfraktur

Distal Radius FractureM. Gabl1
  • 1Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie (Vorstand: Univ.-Prof. Dr. M. Blauth), Medizinische Universität Innsbruck, Österreich
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Publication History

eingereicht 26.11.2006

akzeptiert 26.11.2006

Publication Date:
02 April 2007 (online)

Nach der Beschreibung der distalen Radiusfraktur durch Colles (1814) und den Veröffentlichungen von Dupuytren (1834) hat diese Verletzung immer wieder und unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zahlreiche Autoren beschäftigt. In der Diskussion um die Ätiologie stehen das Hyperextensionstrauma und die Stauchung, besonders in Verbindung mit verminderter Knochendichte im Vordergrund, Kriterien, die auf eine Sturzverletzung im fortgeschrittenen Alter hinweisen. In diesem Sinne beschrieb Bardenheuer diese Fraktur als „eine Spezialität der Greise“. Dem gegenüber zeigen neuere Untersuchungen, dass durch Sport und Verkehr vermehrt Personen im mittleren und jüngeren Lebensalter eine solche Verletzung erleiden.

Die distale Radiusfraktur ist nach manchen Statistiken die häufigste Skelettverletzung der oberen Extremität. Seit vielen Jahrzehnten kann man eine mitunter kontroverse Diskussion zur Problematik bei Behandlung und Heilungsergebnissen verfolgen. Der von Schäfer 1921 geprägte Ausdruck „Crux medicorum“ für den handgelenknahen Speichenbruch weist auf die damalige Einschätzung hin, dieser hat aber wohl auch heute noch eine gewisse Bedeutung. Bacon und Kuze (1953) hielten im „Workmen's Compensation Board of New York State Department of Labour“ fest, dass nur 2,9 % von 2132 Colles-Frakturen keine dauernden Beeinträchtigungen aufwiesen.

Mit zunehmendem Wissen über Pathogenese, Frakturformen und Begleitverletzungen hat sich die Therapie der distalen Radiusfraktur mehrfach verändert. Den rein funktionellen Therapieansätzen der ersten Zeit folgten standardisierte konservative Behandlungsmethoden, später die gedeckten operativen Therapieformen und schließlich die offenen Verfahren zur Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese. Im Rahmen der Stabilisierung durch unterschiedliche Radiusplatten haben sich begleitend interessante Diskussionen im Hinblick auf Lage und Anzahl der Implantate, Defektauffüllung und interne Stabilisierung mittels winkelstabiler Platten ohne Defektauffüllung ergeben. Die über 500 Peer-reviewed-Publikationen zum Thema „Distale Radiusfraktur“ alleine im Jahr 2005 zeigen, dass das Interesse an dieser Verletzung heute so groß ist wie selten zuvor und nach weiteren Problemlösungen gerungen wird.

Trotz aller Fortschritte ist es unbestritten, dass die distale Radiusfraktur nach wie vor ein ernstes Problem darstellt. Es ist nicht nur die allgemein zunehmende Erwartungshaltung der Patienten im Hinblick auf ein optimales Behandlungsergebnis, sondern auch die sozialwirtschaftlichen Gesellschaftsstrukturen, die eine rasche Wiederherstellung fordern. Daraus ergibt sich für Patient und Arzt ein Spannungsfeld, welches von der Suche nach Operationstechniken für eine möglichst rasche Vollbelastung einerseits und dem von Natur aus zeitlich vorgegebenen biologischen Heilungsverlauf andererseits getragen wird. Mit der Entwicklung neuer Implantate und mehr Wissen über die Biologie der Knochenbruchheilung eröffnen sich Chancen, die derzeitigen Grenzen zu verschieben.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dem hier zusammengestellten Heft neue und interessante Informationen zu aktuellen Fragen in der Behandlung der distalen Radiusfraktur geben können.

Univ.-Doz. Dr. med. Markus Gabl

Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie
Medizinische Universität Innsbruck

Anichstraße 35

6020 Innsbruck

Österreich

Email: markus.gabl@uki.at

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