psychoneuro 2007; 33(11): 478
DOI: 10.1055/s-2007-1010979
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Besonderheiten bei Schizophrenie- oder Alterspatienten - Generika können Originalpräparate nicht einfach ersetzen

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Publication Date:
20 December 2007 (online)

 
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In der Praxis wird häufig versucht, Kosten durch den Ersatz von Originalpräparaten durch Generika zu senken. Dabei muss jedoch sorgfältig darauf geachtet werden, wie der Patient auf diese Umstellung anspricht. Besonders schizophrene Patienten sowie Alterspatienten können sehr sensibel auf Veränderungen ihrer Behandlung reagieren. Krankheitsimmanente Symptome wie Paranoia, Misstrauen und Halluzinationen beeinträchtigen die kognitive Leistungsfähigkeit und erschweren den Umgang mit Veränderungen. Reduzierte bis mangelnde Krankheitseinsicht und daraus folgende Compliance-Probleme müssen daher, laut Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, München, vorsichtig abgewogen werden, wenn eine Umstellung geplant wird. Dabei ist auch zu bedenken, dass Generika zwar denselben Wirkstoff in derselben Menge wie das Original enthalten, sich das generische Arzneimittel im physiologischen Milieu jedoch anders verhalten kann als das Original, d.h. biologisch nicht äquivalent ist. Packung und Tablette sehen oft anders aus als beim Originalpräparat. "Die Umstellung erfordert daher immer ein genaues Monitoring des Patienten durch den Arzt", betonte Möller auf einer Pressekonferenz.

Wenn sich bei diesen Patienten Veränderungen der Medikation auf die Compliance auswirken, kann dies nicht nur den Therapieerfolg beeinträchtigen, sondern zudem auch die gewünschten Einsparungen durch die Kosten vermehrter Hospitalisierungen zunichte machen. Mangelnde Compliance führt zu einem erhöhten Risiko für Rezidive, Rehospitalisierungen und Suizid, wie Möller vorstellte [5]. Bereits nach einem Monat steigt das Rückfallrisiko auf das Vierfache. Jedes Rezidiv verschlechtert das Behandlungsergebnis und die Prognose des Patienten. So verlängert sich nach einer Studie von Lieberman et al. die Zeit bis zur Remission nach einem zweiten Rezidiv um etwa 30 Tage im Vergleich zum ersten Rezidiv. Nach einem dritten Rezidiv verlängert sich die Remissionsdauer sogar um 83 Tage [2].

"Erfolgreiche Langzeittherapie und Rezidivprophylaxe sind nur durch eine hohe Therapietreue zu erreichen", so Möller. Die regelmäßige Einnahme des verordneten Neuroleptikums ist die Grundlage der Therapie, ohne die eine rezidivprophylaktische Wirkung nicht aufrecht erhalten werden kann.

Dass nicht unkrititisch auf Generika umgestellt werden sollte, belegen auch aktuelle Untersuchungen aus den Niederlanden, die Möller vorstellte. Eine Studie untersuchte 106 ambulant behandelte Patienten mit schizophrenen Grunderkrankungen [3]. Alle Patienten galten zu Untersuchungsbeginn als stabil eingestellt auf moderne Antipsychotika (Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon). Randomisiert erhielten diese Patienten bei der Rezepteinlösung ihr bisheriges Originalpräparat, ein wirkstoffidentisches Generikum ohne weitere Erklärungen des Apothekers oder ein entsprechendes Generikum zusammen mit einer kurzen Erläuterung.

Anschließend wurde anhand eines semi-strukturierten Interviews und Antworten auf einer visuellen Analogskala (VAS) die zu erwartende Einnahmetreue geprüft. Nach Erhalt des Originalpräparates lag die weitere Einnahmetreue bei 96 %. Erhielten die Patienten ein Generikum, waren die Patienten im Durchschnitt nur noch zu 27 % compliant. Ohne begleitende Erläuterungen von Seiten des Apothekers konnte nur bei 12 % von einer Therapietreue ausgegangen werden, mit begleitenden Erläuterungen bei 40 %.

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Abb. 1 Ergebnis in den Niederlanden: Erhöhte Hospitalisierungskosten können die erzielten Einsparungen durch Generika bei weitem übertreffen mod. nach [4]

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Umstellung gefährdet Compliance und Arzt-Therapeuten-Beziehung

50 % der non-complianten Patienten gaben als Ursache für ihren geplanten Therapieabbruch die ungewohnte Verpackung an, 28 % äußerten grundsätzliche Zweifel an der Wirksamkeit des Generikums. Die Non-Compliance korrelierte nicht an patientenspezifischen Prädiktoren wie Alter, Geschlecht, Art oder Dauer der antipsychotischen Vorbehandlung. Die Autoren folgerten, dass eine nicht vom Arzt vorbereitete Umstellung der Medikation die Compliance von Patienten mit psychotischen Grunderkrankungen und die Arzt-Patienten-Beziehung in hohem Maße gefährdet.

Aber auch aus ökonomischen Gesichtspunkten kann sich eine Umstellung auf ein Generikum ungünstig auswirken, wie eine Modellrechnung aus den Niederlanden andeutet [4]. Erhöht sich aufgrund von Non-Compliance die Rezidivrate, wie bereits eine Umstellungsstudie zeigte [1], können sich die Kosten sogar erhöhen.

KW

Quelle: Pressekonferenz "Cave bei Schizophrenie- und Alterspatienten" am 11. Oktober 2007 in München, unterstützt von Janssen-Cilag

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Literatur

  • 01 Kluznik JC . Walbek NH . Famsworth MG . Melstrom K . Clinical effects of a randomized switch of patients from Clozaril to generic clozapine.  J Clin Psychiatry. 2001;  62 14-17
  • 02 Lieberman JA . Atypical antipsychotic drugs as a firstline treatment of schizophrenia: a rationale and hypothesis.  J Clin Psychiatry. 1996;  57 (Suppl 11) 68-71
  • 03 Van Gent EM . Roman B . Poster präsentiert auf der 1st European Conference on Schizophrenia Research: Perspectives from European Networks, September 25.-28., 2007, Düsseldorf. 
  • 04 van Nooten FE . Rijnders CA . Brown RE . van Agthoven M . Poster präsentiert auf der 1st European Conference on Schizophrenia Research: Perspectives from European Networks, September 25.-28., 2007, Düsseldorf. 
  • 05 Weiden PJ . Kozma C . Grogg A . Locklear J . Partial compliance and risk of hospitalization among California Medicaid patients with schizophrenia.  Psychiatric Services. 2004;  55 886-891
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Literatur

  • 01 Kluznik JC . Walbek NH . Famsworth MG . Melstrom K . Clinical effects of a randomized switch of patients from Clozaril to generic clozapine.  J Clin Psychiatry. 2001;  62 14-17
  • 02 Lieberman JA . Atypical antipsychotic drugs as a firstline treatment of schizophrenia: a rationale and hypothesis.  J Clin Psychiatry. 1996;  57 (Suppl 11) 68-71
  • 03 Van Gent EM . Roman B . Poster präsentiert auf der 1st European Conference on Schizophrenia Research: Perspectives from European Networks, September 25.-28., 2007, Düsseldorf. 
  • 04 van Nooten FE . Rijnders CA . Brown RE . van Agthoven M . Poster präsentiert auf der 1st European Conference on Schizophrenia Research: Perspectives from European Networks, September 25.-28., 2007, Düsseldorf. 
  • 05 Weiden PJ . Kozma C . Grogg A . Locklear J . Partial compliance and risk of hospitalization among California Medicaid patients with schizophrenia.  Psychiatric Services. 2004;  55 886-891
 
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Abb. 1 Ergebnis in den Niederlanden: Erhöhte Hospitalisierungskosten können die erzielten Einsparungen durch Generika bei weitem übertreffen mod. nach [4]