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DOI: 10.1055/s-2006-957003
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Fortgeschrittener idiopathischer Parkinson - Neue Methode ermöglicht kontinuierliche dopaminerge Stimulation
Publication History
Publication Date:
12 December 2006 (online)
Der Einsatz von L-DOPA in der Parkinsontherapie stellt laut MD PhD Dag Nyholm, Uppsala University Hospital, Schweden, einen der größten neuropharmakologischen Erfolge des 20. Jahrhunderts dar. Mit Fortschreiten der Erkrankung lässt dessen Wirksamkeit jedoch nach (Wearing-OFF-Perioden), zudem kommt es zu Phasen ohne Wirkung (OFF-Perioden) und starken Wirkungsschwankungen (ON-OFF-Perioden). Auch Dyskinesien, aufgrund überschießender L-DOPA-Wirkung, treten auf - das therapeutische Fenster wird immer schmaler. Das betrifft nach fünf Jahren Therapie 50-90% der Patienten.
Der Grund: Bei oraler Gabe wird L-DOPA nach der Magenentleerung im Duodenum absorbiert und zunächst noch als Dopamin von präsynaptischen neuronalen Vesikeln gespeichert, die eine kontinuierliche Stimulation der Dopaminrezeptoren gewährleisten. Mit zunehmender Neurodegeneration lässt deren Speicherkapazität jedoch nach. Daher korreliert die Stimulation immer enger mit den Plasmaspiegeln, die aufgrund der stoßartigen, verzögerten Magenentleerung sowie der kurzen Halbwertszeit von L-DOPA stark schwanken.
Neue L-DOPA-Darreichung
Einen Ausweg bietet die kontinuierliche dopaminerge Stimulation (CDS) mittels L-DOPA-Infusion: Sie umgeht die Magenentleerung, indem z.B. mit Hilfe einer PEG eine Sonde in das Jejunum platziert und über diese kontinuierlich L-DOPA abgegeben wird. "So erhalten wir stabile Plasmaspiegel, reduzierte motorische Fluktuationen und kontinuierlichere, vorhersagbarere Benefits", betonte Nyholm.
Die Therapie erfolgt mit einem Gel, das neben L-DOPA einen Decarboxylasehemmer enthält, um Bioverfügbarkeit und Verträglichkeit zu verbessern: L-DOPA/Carbidopa 20/5 mg/ml (Duodopa®). Prof. Dr. Reinhard Dengler, Medizinische Hochschule Hannover, erwägt die 2004 in der EU zugelassene Methode, wenn bei idiopathischem Parkinson unzureichend behandelbare motorische Fluktuationen, täglich mehrere OFF-Phasen oder Hyper-/ Dyskinesien auftreten. Als Kontraindikationen nannte er geringe L-DOPA-Sensitivität, Demenz, Halluzinationen und fehlender sozialer Rückhalt. Depression, Parkinson-plus-Symptome und höheres Alter sprechen laut Prof. Dr. Per Odin vom Klinikum-Bremerhaven Reinkenheide, nicht gegen die Therapie.
Stationäre Einstellung
Dengler stellt die Patienten mindestens fünf Tage auf eine orale L-DOPA-Monotherapie um. Anschließend erhalten sie stationär eine nasojenunale Sonde, um das Ansprechen zu überprüfen. An einer externen Pumpe werden drei Dosierungen programmiert: Der Morgenbolus, weil nachts in der Regel eine achtstündige Therapiepause besteht, die kontinuierliche Flussrate und eine Extradosis, die sich der Patient bei Bedarf zusätzlich verabreichen kann. In den ersten drei Tagen erfolgt ein Anpassen der Flussrate und am vierten Tag wird die PEG gelegt. "Die Therapie ist in einem präklinischen und klinischen Setting sehr komplikationslos einzustellen", hob Dengler hervor.
Bessere Wirksamkeit
Nyholm belegte in einer Crossover-Studie, dass die Variabilität der Levodopa-Plasmaspiegel unter Infusion gegenüber oraler Therapie mit retardiertem L-DOPA signifikant geringer ist (14% vs. 34%, p < 0,01) [1]. Die DIREQT-Studie [2] bestätigte bei 24 Patienten, die im Crossover-Design L-DOPA/Carbidopa drei Wochen als individualisierte orale Therapie mit anderen Substanzkombinationen und drei Wochen als Infusion erhalten hatten, die klinische Überlegenheit von Duodopa®. Wie Odin betonte, schnitten die Patienten unter CDS deutlich besser ab hinsichtlich Motorik und UPDRS-Gesamtscore (Unified Parkinson Disease Rating Scale). Auch in zwei Skalen zur Lebensqualität erzielten sie signifikant bessere Ergebnisse (p < 0,01).
Erfahrungen in Deutschland
Odin berichtete zudem von ersten Erfahrungen in Deutschland mit 13 Patienten: Durch die CDS ließ sich bereits bei Klinikentlassung im Median die Zeit im "OFF" um 82% und die Dyskinesie-Zeit um 67% mindern. "Das ist konkurrenzfähig mit allen anderen Therapien für fortgeschrittenen Parkinson, inklusive der tiefen Hirnstimulation", betonte Odin. Darüber hinaus waren die Patienten 90% des Tages im "ON". Nach sechs Monaten lagen die Werte bei 82% (Verminderung "OFF"), 100% (Verminderung Dyskinesien) und 90% (Teil des Tages im "ON"). Bei fast allen Patienten wurde vom Arzt eine erhebliche oder starke Verbesserung beurteilt.
Die Langzeiterfahrung basiert inzwischen auf 215 Patientenjahren (65 Patienten): Hier traten keine unerwarteten Nebenwirkungen auf, der Effekt blieb stabil und der L-DOPA-Bedarf nahm eher ab. Wie Odin abschließend hervorhob, profitieren die Patienten am meisten, die die ausgeprägtesten Symptome haben [3].
Petra Eiden
Quelle: Satellitensymposium "Neue Konzepte zur kontinuierlichen dopaminergen Stimulation" anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 21. September 2006, Mannheim (Veranstalter: Solvay Arzneimittel GmbH).