Allgemeine Homöopathische Zeitung 2006; 251(5): 228-235
DOI: 10.1055/s-2006-952057
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & CO. KG

R.H. Gross und der Ursprung des Modalitätenbegriffs

Robert Goldmann[1]
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Publikationsdatum:
21. September 2006 (online)

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Zusammenfassung

R.H. Gross führte 1864 den Begriff der Modalitäten in die Homöopathie ein. Sein Buch „Vergleichende Arzneiwirkungslehre” wird mit seiner Entstehungsgeschichte vorgestellt.

Summary

R.H. Gross introduced the term ‘modality’ into homoeopathic nomenclature in 1864. His book “Comparative Materia Medica” and its origins are discussed.

Anmerkungen

01 Vortrag vom 10. April 2005 in der ‚Gleeser Akademie homöopathischer Ärzte’ anlässlich Hahnemanns 250. Geburtstags.

02 RA II: 154, Symptom Nr. 157-163.

03 „Boenninghausen has shown in his repertory that these aggravations and ameliorations are modalities, and therefore rank as generals”. Roberts 1982: 31.

04 „Sind die geklagten Beschwerden fortdauernd oder anfallsweise? Wie oft? Bloß in der Stube? Bloß in der Luft? Bloß in der Ruhe des Körpers oder bloß bei Bewegung?” HdE, Fußnote S. 25.

05 ORG II § 139, ORG VI § 133. Von 1819 an behielt er den diesbezüglichen Paragraphen bis zur 6. Auflage in unverändertem Wortlaut bei.

06 „Ich wünschte wohl diese wichtige Nachweisung, sehe aber selbst nicht ein, auf welche Weise sie bewerkstelligt werden könne.” „Verhalten der Arzneien in Erregung oder Minderung ihrer Symptome durch Umstände.” Stahl 1997: 50, 90.

07 Vergleiche auch Hering: „[Dem homöopathischen Arzt] sind solche Zeichen die wichtigsten, welche am stärksten characterisirt sind, d. h. bei denen er eine genaue Bestimmung des Orts oder der Art erhalten konnte, besonders aber auch der Bedingungen.” MS II: 628.

08 1871 MS III: 1580 und 1873, MS III: 1612.

09 Gross und Hering 1892: 9. „All physicians take more or less notice of a relation of medical effects … but the discovery of modalities, of conditions under which an agent discloses its specific powers, is thus far exclusively the merit of the homoeopathicians. Who so ever maintains that these modalities are of trifling moment, proclaims indirectly the whole doctrine of Hahnemann to be charlatanism.” Gross und Hering 1867: IV.

10 Allerdings hatte er schon 1850 den Begriff der Modalität, jedoch in anderem Sinne, benutzt, nämlich als Anwendungsmodalität [24: 179]. Abgeleitet vom lateinischen ‚modus’ beschreibt der Begriff ‚Modalität’ die Art und Weise des Seins oder Geschehens. Jenseits des homöopathischen Sprachgebrauchs taucht der Begriff der Modalität erstmals in einem deutschsprachigen philosophischen Wörterbuch 1833 auf. Modalität „bedeutet oft weiter nichts als Zufälligkeit oder veränderliche Bestimmung eines Dinges.” Zit. nach: Specht 1984, Spalte 9. Grauvogl benutzt den Modalitätenbegriff im Sinne der Kant’schen Urteilsbetrachtung nach Qualität, Quantität, Relation und Modalität und nicht nach Umständen der Verschlimmerung oder Besserung [8: 109].

11 Das Schema deutet die veränderte Wortwahl im Zuge der Bearbeitung der „Comparative Materia Medica” an: „Conditions, or better, Modalities.” GS I: VII.

12 AHZ 1865 [41] sowie Kirchenbuch Kaltenborn 1800-1863, Taufnachrichten, S. 9. Tischner gibt R.H. Gross fälschlicherweise als Neffen von G.W. Gross an.

13 Diese Gegenüberstellung ist übrigens in der „Vergleichenden Arzneiwirkungslehre” nicht enthalten.

14 Welche Bedeutung Dahlke aber den „verbessernden und verschlechternden Umständen” beimaß, verdeutlicht die Tatsache, dass er für diese selbst einen Begriff ersann, den er „Reactionen der Arznei” nannte, der sich jedoch nicht durchsetzen konnte [2: 90]. Zu diesen schrieb er in dem ihm eigenen poetischen Stil: „Das subjektive Symptom bekennt seine alles überragende Bedeutung durch jene Bezugnahmen, wie sie sich in den verbessernden und verschlechternden Umständen ausdrücken. Diese von Hahnemann begründete, von Bönninghausen in ein System gebrachte Art der Mittelwahl muss mit Fug und Recht der Gipfel und Stolz unserer Lehre genannt werden … Die Aehnlichkeit der Reaktionen ist die zarteste, gewaltigste Aehnlichkeit, am tiefsten eindringend in die Heimlichkeiten der Natur … Wir stehen vor dem Aehrenfeld der Symptome und fragen nicht, was ist mit dieser Aehre, was mit jener, sondern wir sehen auf den Wind, der sie alle gleich macht in ihrer Beugung … Auch bei einer Arzneiprüfung kommt es nicht darauf an, dass hier ein Stechen, dort ein Jucken zu Tage gefördert wird. Das ist nichts und wechselt mit der Zahl der Prüfer in unendlicher Weise. Sondern was die Prüfung an Reaktionen eruirt hat, das macht ihren Werth aus.” [3: 329 f.]

Literatur

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Robert Goldmann

Täubchenstr. 11

14163 Berlin