Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(8/09): 396
DOI: 10.1055/s-2006-951417
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schlüsselpeptid im Glukosemetabolismus - Neues Therapieprinzip ahmt Funktion des Inkretins GLP-1 nach

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. September 2006 (online)

 
Inhaltsübersicht
Zoom

Die Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse wird maßgeblich durch Inkretine, insbesondere GLP-1 gesteuert. Nicht nur die Insulinsekretion, auch die Inkretin-Freisetzung nimmt beim Typ 2-Diabetes fortlaufend ab ([1]). Die neue Substanzklasse der Inkretin-Mimetika bietet eine pathogenetisch orientierte Therapieoption. Der erste Vertreter dieser Klasse, Exenatide, befindet sich derzeit im europäischen Zulassungsverfahren. Exenatide kann die Insulinsekretion glukoseabgängig stimulieren und hemmt die Glukagonproduktion ([2]). In einer klinischen Studie konnte Exenatide bei Patienten, die auf orale Antidiabetika nicht ausreichend ansprachen, die Glykämiekontrolle ebenso gut verbessern wie Insulin glargin. Jedoch nahmen Patienten, die mit Exenatide behandelt wurden, an Körpergewicht ab ([3]).

In den USA ist Exenatide als ByettaTM seit April 2005 zur Kombinationstherapie mit Sulfonylharnstoffen und/oder Metformin zugelassen. Daten für die europäische Zulassung wurden Ende 2005 bei der Behörde eingereicht.

Weder Diät, Sulfonylharnstoffe oder Metformin - sind in der Lage, den progredienten Verlust der Betazell-Funktion bei Typ 2-Diabetes aufzuhalten ([1]). Je länger der Diabetes andauert, desto höher steigt der Anteil der Patienten, die Insulin benötigen, um das Therapieziel eines HbA1c-Werts < 6,5% zu erreichen. Trotzdem bleibt die Glukosekontrolle häufig suboptimal.

Eine übliche Strategie beim Sekundärversagen oraler Antidiabetika ist die Kombination mit einem Basalinsulin ([4]). Dieses kann jedoch einige Nachteile mit sich bringen. Sie verhindert den postprandialen Glukoseanstieg nicht ausreichend und kann das Risiko für Hypoglykämien erhöhen. Außerdem nehmen die Patienten unter einer Insulintherapie meist an Gewicht zu ([2]).

Inkretine können manche Probleme lösen

Ein eleganterer Weg könnte sich mit dem Ersatz des Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) bieten. "Das stärkste insulinotrope Hormon aus dem Gastrointestinaltrakt, das wir heute kennen, ist GLP-1", wie Prof. Dr. med. Burkhard Göke, München, betonte. GLP-1 verstärkt nicht nur in Abhängigkeit vom Glukosespiegel die Insulinsekretion, sondern hemmt auch die Glukagon-Freisetzung, verzögert die Magenentleerung und verstärkt das Sättigungsgefühl. Außerdem verbessert GLP-1 die Betazellfunktion ([5]). Das Inkretin GLP-1 wird jedoch sehr schnell durch Dipeptidylpeptidase-4 inaktiviert. Das stabile Inkretin-Mimetikum Exenatide weist vergleichbare Eigenschaften im Glukosestoffwechsel auf. Es kann die Insulinsekretion des Typ 2-Diabetikers glukoseabhängig stimulieren, die Glukagonsekretion supprimieren und die Magenentleerung verzögern ([6]). Im Gegensatz zur Insulintherapie wird Exenatide in fixer Dosis verabreicht.

Klinische Studien

In einer klinischen Studie ([7]) erhielten 109 Typ 2-Diabetiker, die mit Diät und einem Sulfonylharnstoff und/oder Metformin nicht ausreichend eingestellt waren, randomisiert für 28 Tage 0,08 µg/kg Exenatide oder Plazebo. Der HbA1c-Wert verbesserte sich signifikant um 0,7 bis 1,1 Prozentpunkte. Am Ende der Studie hatten 15% der Patienten in der Exenatide-Gruppe versus 4% in der Plazebo-Gruppe einen HbA1c-Wert < 7% erreicht. Die Veränderung des Nüchternblutzuckers und des postprandialen Glukoseprofils waren bereits am ersten Tag signifikant, in der Plazebo-Gruppe trat keine Änderung ein.

In einer weiteren randomisierten Studie ([3]) erhielten 551 Patienten mit suboptimal kontrolliertem Typ 2-Diabetes trotz Therapie mit Metformin und Sulfonylharnstoff für 26 Wochen Exenatide in der fixen Dosis von 10 µg zweimal täglich oder Insulin glargin zusätzlich. Der HbA1c-Wert nahm in beiden Gruppen um 1,11 Prozentpunkte ab. Doch Exenatide verhinderte den postprandialen Glukoseanstieg wirksamer als das Insulinanalogon, welches seinerseits den Nüchternblutzucker besser beeinflusste. Zudem nahmen die Patienten der Exenatide-Gruppe um 2,3 kg an Gewicht ab, während die Patienten der Insulin glargin-Gruppe um 1,8 kg zunahmen. Der Unterschied betrug somit durchschnittlich 4,1 kg. Symptomatische Hypoglykämien traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf, unter Exenatide traten tagsüber mehr, dafür aber nachts weniger Hypoglykämien auf. Die Verträglichkeit von Exenatide war insgesamt gut. Als häufigste Nebenwirkung traten bei 57% gastrointestinale Nebenwirkungen bei Beginn der Therapie auf. Allerdings waren die Nebenwirkungen in der Mehrzahl eher leicht und klangen meist mit Dauer der Therapie ab. Wie Göke abschließend betonte, erwartet man sich von den Inkretinen noch mehr als eine optimierte Glykämiekontrolle. In einer Studie konnte sogar gezeigt werden, dass die intravenöse Gabe von Exenatide die erste Phase der Insulinsekretion bei Menschen mit Typ 2-Diabetes wieder herstellen kann ([6]).

Dr. med. Angelika Bischoff, Planegg

Quelle: Symposium "Die Zukunft der Therapie des Diabetes mellitus und seiner Folgeerkrankungen", 41. Jahrestagung der DDG, Leipzig, 2006, Lilly Deutschland GmbH.

Eine Kooperation mit Lilly Deutschland GmbH

Literatur

  • 01 Turner RC . et al. . UKPDS Diabetes.  JAMA. 1999;  281 2005
  • 02 Toft-Nielsen MB . et al. . J Clin Endocrinol Metab. 2001;  86 3717
  • 03 Heine RJ . et al. . Ann Intern Med. 2005;  143 559
  • 04 Häring HU  . et al. . Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinie DDG.  Diab u Stoffw. 2003;  12 (Suppl. 2)
  • 05 Zander M . et al. . Lancet. 2002;  359 824
  • 06 Fehse F . et al. . J Clin Endocrinol Metab. 2005;  90 5991
  • 07 Finemann MS . et al. . Diabetes Care. 2003;  26 2370

Literatur

  • 01 Turner RC . et al. . UKPDS Diabetes.  JAMA. 1999;  281 2005
  • 02 Toft-Nielsen MB . et al. . J Clin Endocrinol Metab. 2001;  86 3717
  • 03 Heine RJ . et al. . Ann Intern Med. 2005;  143 559
  • 04 Häring HU  . et al. . Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinie DDG.  Diab u Stoffw. 2003;  12 (Suppl. 2)
  • 05 Zander M . et al. . Lancet. 2002;  359 824
  • 06 Fehse F . et al. . J Clin Endocrinol Metab. 2005;  90 5991
  • 07 Finemann MS . et al. . Diabetes Care. 2003;  26 2370
 
Zoom