Sprache · Stimme · Gehör 2006; 30(3): 93-94
DOI: 10.1055/s-2006-947244
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Computereinsatz und Unterstützte Kommunikation bei Aphasie und Sprechapraxie

The Use of Computers and Augmentative/Alternative Communication in Aphasia and Apraxia of SpeechB. Giel1
  • 1Institut für Sprachtherapieforschung, Moers
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Publication Date:
18 September 2006 (online)

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

das vorliegende Themenheft von Sprache - Stimme - Gehör widmet sich dem Schwerpunkt Computereinsatz und Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie. Da die Themen zwar mittelbar, aber nicht unmittelbar aufeinander bezogen sind, konzentriert sich der erste Teil des Heftes auf aktuelle Aufsätze zum Computereinsatz und der zweite Teil auf Beiträge zur Unterstützten Kommunikation. Um eine inhaltliche Strukturierung vorzunehmen wurden die Beiträge aus einem „Störungsbereich“, den zentral bedingten Sprach- und Sprechstörungen, hier den Aphasien und Sprechapraxien ausgewählt. Der Einsatz moderner Computertechnologie ist einerseits für Sprachtherapeuten ein alltägliches Hilfsmittel in der Diagnostik, Therapie und Dokumentation. Andererseits nutzen auch immer öfter Patienten die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Computertechnologien zum autonomen Üben, als elektronische Kommunikationshilfe oder auch zum Austausch via Internet.

Im ersten Teil des Heftes wird in den ersten zwei Beiträgen umfassend ein neues computergestütztes Verfahren zur Spontansprachanalyse bei Aphasie vorgestellt. Die von Hußmann et al. dargestellte Aachener Sprachanalyse (ASPA) bietet anhand von Basisparametern eine ökonomische Möglichkeit, die Spontansprache quantitativ zu analysieren. Eine Programmbeschreibung und erste Evaluationsergebnisse geben einen praxisnahen Einblick in das Verfahren. Der folgende Beitrag von Barthel et al. stellt eine Normierungsstudie zur ASPA vor. Anhand von 16 Patienten mit chronischer Aphasie wird in der vorgestellten Studie die Objektivität, die Reliabilität und die Validität des Verfahrens dargestellt. In der nächsten Ausgabe von Sprache - Stimme - Gehör wird ein weiterer Beitrag zur ASPA erscheinen, der von Grande et al. verfasst wurde. In diesem Artikel werden sehr anschaulich die Richtlinien zur Transkription veröffentlicht, so dass potenziellen Anwendern ein direkter Einblick in das Verfahren gegeben wird. Mit diesen Artikeln zur ASPA wird ein wissenschaftlich fundiertes Diagnoseverfahren zur Spontansprachanalyse bei Aphasie vorgestellt, welches den Anspruch hat, auch in der alltäglichen Praxis zu bestehen. Der daran anschließende Beitrag von L. Springer zeigt eine ganz andere Seite des Computereinsatzes, nämlich die Möglichkeiten und Grenzen der unterstützten Chat-Kommunikation für Menschen mit zentral-organischen Sprach- und Sprechstörungen. In einem innovativen Projekt wurde Menschen mit neurologisch bedingten Sprachstörungen der Internetzugang ermöglicht, in dem in einem Forschungsprojekt die „unterstützenden medialen“ Werkzeuge an die Bedürfnisse der Benutzer angepasst wurden.

Der zweite Themenblock des Schwerpunktheftes - die Unterstützte Kommunikation (UK) - wird durch den Artikel von Giel, Liehs und Müller eingeleitet. Unterstützte Kommunikation ist ein bedeutsamer Bestandteil der Therapie von Menschen mit zentral bedingten Sprach-, Sprech- und Kommunikationsstörungen, besonders dann, wenn die lautsprachlichen Fähigkeiten stark eingeschränkt sind. Ziel der Unterstützten Kommunikation ist dabei, nach dem Prinzip der „totalen Kommunikation“ d. h. durch den Einsatz individuell indizierter Methoden, die gesellschaftliche Teilhabe der betroffenen Menschen zu erweitern. Wurde in den letzten Jahren die UK zunehmend in der sprachtherapeutischen Versorgung von Menschen mit Aphasie erforscht und diskutiert, so ist der Einsatz von UK bei Menschen mit Sprechapraxie (in Verbindung mit Aphasie) ein eher vernachlässigter Bereich. Aufbauend auf der methodischen Systematik der UK werden die Ergebnisse vorliegender Einzelfallstudien zum Thema analysiert und Konsequenzen für die sprachtherapeutische Praxis aufgezeigt.

Beispiele für die Anwendung körpereigener und externer nicht-elektronischer Kommunikationshilfen stellt Ostermann in seinem Beitrag dar. Für Menschen mit globaler Aphasie und deren Kommunikationspartnern werden so genannte Interaktionshilfen zur Verständigung und zur Verständnissicherung vorgestellt und diskutiert. Das Themenheft schließt mit einem Beitrag von Päßler zu externen elektronischen Kommunikationshilfen bei Aphasie. Es werden verschiedene Studien zur Evaluation der aphasiespezifischen Kommunikationshilfe TouchSpeak vorgestellt, mit der Menschen mit Aphasie über Bildsymbole, Schrift-, Spracheingabe/-ausgabe sowie mittels Zeichnen kommunizieren können.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre sowohl bei den Beiträgen zum Computereinsatz als auch zur Unterstützen Kommunikation. Es sei der Gastschriftleitung verziehen, dass nur ausgewählte Aspekte beider Themenbereich Berücksichtigung finden konnten. Mögen einige der hier dargebotenen Informationen und Anregungen Ihren Berufsalltag bereichern.

Dr. Barbara Giel

Institut für Sprachtherapieforschung

Goethestr. 16

47441 Moers

Email: giel@sprachtherapieforschung.de

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