Aktuelle Therapiekonzepte bei komplizierten chirurgischen Infektionen waren das Thema
eines Symposiums auf dem 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH).
Unter dem Vorsitz von Prof. P. Kujath, Lübeck, und Prof. W. Knoefel, Düsseldorf, repräsentierte
das Symposium die chirurgischen Fachgesellschaften, die seit der letzten Jahrestagung
für eine Stärkung der DGCH gesorgt haben. Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie
und orthopädische Chirurgie (DGOOC) als auch die Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
(DGTHG) gehören jetzt bzw. wieder 'zum Team'. Nicht zuletzt daraus ergab sich für
diese Veranstaltung eine "thematisch hochinteressante Kombination", wie Kujath betonte.
Gefürchtete Komplikation in der Chirurgie
Gefürchtete Komplikation in der Chirurgie
Bei allen Infektionen ist die Beteiligung methicillinresistenter Staphylococcus aureus
(MRSA) eine gefürchtete Komplikation. Im Zeitraum von 1990 bis 2004 ist die MRSA-Prävalenz
in Deutschland von 1,4 auf 22,6% angestiegen ([2], [3]). Bei postoperativen Wundinfektionen mit MRSA-Beteiligung beträgt die Mortalität
rund 20% ([1]).
Im Rahmen der Thoraxchirurgie ist es vor allem die Zunahme nosokomialer Pneumonien
mit MRSA-Beteiligung, die besondere Brisanz besitzt, betonte PD M. Peiper. Auch in
dieser Situation stellt der Nachweis methicillinresistenter Staphylococcus aureus
besondere Anforderungen an hygienische und therapeutische Maßnahmen. Bei der Antibiose,
so Peiper, sei Linezolid (Zyvoxid®) dem Vancomycin in diesen Fällen überlegen, wie
unterschiedlichste Studien demonstrieren.
Besondere Maßnahmen erfordern auch nekrotisierende Weichgewebeinfektionen wie das
nekrotisierende Erysipel, die nekrotisierende Fasziitis, die Fournier-Gangrän, die
clostridiale Myonekrose (Gasbrand), die Streptokokkenmyositis sowie nekrotisierende
Mischinfektionen, erläuterte Dr. C. Eckmann, Lübeck. An erster Stelle stehe hierbei
ein standardisiertes und radikales chirurgisches Vorgehen. Dabei entscheiden der Zeitpunkt
und das Ausmaß der operativen Erstversorgung maßgeblich über die Prognose des Patienten,
betonte Eckmann.
Immer wieder und in zunehmendem Maße ergeben sich Komplikationen durch multiresistente
Erreger wie methicillinresistente Staphylokokken, vancomycinresistente Enterokokken
oder Erregern, die Betalaktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum ("extended spectrum
betalactamase", ESBL) bilden. Hier sieht Eckmann angesichts der hohen Letalitätsrate,
die derartige Infektionsverläufe mit sich bringen, den Einsatz neuer, hochwirksamer
Antibiotika als unerlässlich an.
Individuelle Lösungen erfordern periprothetische Infektionen in der Gefäßchirurgie,
verdeutlichte Prof. W. Schareck, Rostock. Als wesentliche Risikofaktoren nannte der
Referent Diabetes mellitus, Zustand nach Radiato, Reoperationen, Darmverletzung, gleichzeitiger
Koloneingriff, ischämische Kolitis, Sigmadivertikulitis,Niereninsuffizienz, Harnwegsinfekt,
Ileum conduit. Auch nach Jahren kann es im Rahmen einer Spätinfektion bei Implantatempfängern
zu schweren Komplikationen kommen. Frühinfektionen zeigen sich bereits innerhalb von
30 Tagen mit klinische Symptomen und erfordern angemessene chirurgische und medikamentöse
Maßnahmen.
Hoher Stellenwert der operativen Infektiologie
Hoher Stellenwert der operativen Infektiologie
Mit ihren Präsentationen haben die Referenten den hohen Stellenwert der operativen
Infektiologie eindrucksvoll belegt, resümierte Kujath: So ermöglicht die Operation
eines Pleuraempyems die Sanierung des Infektionsherdes, und die Lungenfunktion wird
wieder hergestellt. Bei den nekrotisierenden Haut- und Weichgewebsinfektionen ist
der operative Eingriff oft die lebensrettende Maßnahme. Der Standard der rekonstruktiven
Chirurgie ermöglicht auch nach größeren Eingriffen an Stamm und Extremitäten eine
passable funktionelle und kosmetische Wiederherstellung.
Auf dem Gebiet der periprothetischen Infektionen nach Gefäßeingriffen muss der Operateur
aus einer Vielzahl von operativen Möglichkeiten die richtige, angemessene Strategie
wählen. Hier sind zum Beispiel die Explantation der Prothese, die Konstruktion von
temporären Umgehungen zum Erhalt der Prothese oder der Ersatz durch autologes Venenmaterial
nur einige der möglichen Handlungsoptionen. Neben den anatomischen Rekonstruktionen
finden auch extraanatomische Verfahren Anwendung.
Die richtige Wahl des Operationsverfahrens und deren Durchführung sind grundsätzlich
von höchstem Schwierigkeitsgrad. Dennoch ist die frühe und definitive Herdsanierung
maßgeblich für das Therapieergebnis. Sie wird unterstützt durch die antibiotische
Behandlung mit hochwirksamen Substanzen, insbesondere bei Infektionen durch multiresistente
Erreger. Diese Kombination ermöglicht zufrieden stellende klinische Ergebnisse bei
einer möglichst kurzen Dauer des stationären Aufenthalts.
MRSA-Spezialist bei Haut- und Weichgewebeinfektionen
MRSA-Spezialist bei Haut- und Weichgewebeinfektionen
Wenn sich eine Haut- und Weichgewebeinfektion in tieferes Gewebe ausgebreitet hat,
wenn eine chirurgische Intervention notwendig ist oder wenn Grunderkrankungen wie
Diabetes mellitus oder eine HIV-Infektion vorliegen, gilt die Infektion als "kompliziert".
Während oberflächliche Infektionen im Allgemeinen ambulant mit oralen Antibiotika
behandelt werden, erfordern komplizierte Verläufe eine intravenöse Antibiose im Krankenhaus.
In der Reihe der zahlreichen Pathogene, die für eine Haut-Weichgewebeinfektion verantwortlich
sein können, nimmt Staphylococcus aureus mit etwa 40% Platz eins ein.
Eine MRSA-Beteiligung macht die Sache schwieriger
Eine Tatsache kommt noch komplizierend hinzu: Auch hier zu Lande sind - mit steigender
Tendenz - methicillinresistente Stämme von Staphylococcus aureus (MRSA) an den Infektionen
beteiligt. Bekannte Risikofaktoren für eine solche MRSA-Infektion sind längere Aufenthalte
in Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeheimen, vorausgegangene Antibiotikatherapie,
Diabetes mellitus, eine Kolonisation durch methicillinresistente Staphylokokken sowie
chronische Wunden. Zur Prävention solcher Infektionen ist die strikte und konsequente
Umsetzung von Hygienemaßnahmen unerlässlich. Darüber hinaus erlangt ein frühzeitiges
Screening von Patienten zunehmend an Bedeutung.
Therapeutische Alternativen im Vergleich
Therapeutisch bieten sich für MRSA-Infektionen nur wenige Alternativen - so zum Beispiel
das Oxazolidinon Linezolid oder das Vancomycin, ein Glykopetid-Antibiotikum. Wie sich
diese beiden Substanzen bei der Behandlung komplizierter Haut- und Weichgewebeinfektionen
unterscheiden, untersuchten Weigelt et al. in ihrer im Juni 2005 publizierten randomisierten
Studie ([8]).
Bezüglich des Therapieerfolgs waren beide Antibiotika gleichwertig. Ein deutlicher
Unterschied zeigte sich jedoch, wenn es um Infektionen mit MRSA-Beteiligung ging:
Hier war das Linezolid dem Vancomycin mit Heilungsraten von 88,6 versus 66,9% deutlich
überlegen (p < 0,001). Zudem erholten sich die Patienten in der Linezolidgruppe rascher,
und sie konnten die Intensivstation bzw. das Krankenhaus früher verlassen. Dies ist
insbesondere vor dem Hintergrund knapper Kassen kein unwesentliches Argument.
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Infektionsmanagement bei MRSA
Infektionsmanagement bei MRSA
Wie bei allen bakteriellen Infektionen erfolgt das Infektionsmanagement auch bei resistenten
Erregern wie MRSA mit einer adäquaten Antibiose, nur die Auswahl an Wirkstoffen ist
hier naturgemäß eingeschränkt. Dazu kommt, dass häufig neben der umfassenden Resistenz
gegen Betalaktame auch eine Resistenz gegen andere Wirkstoffe wie Chinolone, Makrolide
und Lincosamide (Clindamycin) vorliegt. Lange standen in dieser Situation nur noch
die Glykopeptide (Vancomycin und Teicoplanin) oder Substanzen wie Fusidinsäure, Fosfomycin
und Rifampicin in Kombinationstherapieschemata als therapeutische Option zur Verfügung.
Derzeit kann in der Regel noch von der Wirksamkeit von Vancomycin auf MRSA ausgegangen
werden. Wirksamer bei Infektionen mit MRSA ist jedoch das Linezolid aus der Substanzgruppe
der Oxazolidinone (Abb. [1]; [5]-[7]), worauf auch die Paul Ehrlich Gesellschaft in ihren aktuellen Empfehlungen hinweist
([4]). Diese Substanz hemmt die Proteinbiosynthese an einer anderen Stelle als Antibiotika,
sodass keine Kreuzresistenzen mit anderen bisher gebräuchlichen antimikrobiellen Substanzen
zu erwarten sind.
Besser als die Therapie von MRSA-Infektionen ist natürlich ihre Vermeidung. Hierfür
reichen im Prinzip schon einfache Verhaltensregeln im Umgang mit MRSA-Patienten aus.
So sollten kolonisierte (Risiko-)Patienten idealerweise bereits vor ihrer stationären
Aufnahme und/oder vor risikobehafteten medizinischen Maßnahmen identifiziert und saniert
werden. Ein routinemäßiges Screening aller stationären Patienten und des Klinikpersonals
allerdings wird nicht empfohlen.
Informationsfluss gewährleisten
Informationsfluss gewährleisten
Um eine weitere Verbreitung und/oder die Einschleppung von MRSA in Kliniken zu verhindern,
ist neben dem Patientenscreening ein ausreichender Informationsfluss zu gewährleisten.
Es genügt nicht, MRSA erst und nur in den Gemäuern einer Klinik zu entdecken und zu
bekämpfen. Um eine unkontrollierte Ausbreitung auch im ambulanten Bereich so gering
wie möglich zu halten, ist eine enge Zusammenarbeit aller die betroffenen Personen
direkt oder indirekt betreuenden Akteure nötig.
Nur mit diesen gemeinsamen und übergreifenden Anstrengungen wird es möglich sein,
methicillinresistente Staphylokokken und auch andere multiresistente Nosokomialkeime
unter Kontrolle zu halten.
Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte
Quelle: Satellitensymposium "Aktuelle Therapiekonzepte bei komplizierten chirurgischen
Infektionen" im Rahmen des 123. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
2006, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe