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DOI: 10.1055/s-2006-939741
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Individuelle Therapie möglich - Neue Therapieoptionen bei HCV-Genotyp 1
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
19. April 2006 (online)
- Unterschiede des Interferon-Respons
- Fortschritte durch Pegylierung der Interferone
- Virologisches Ansprechen von zahlreichen Faktoren abhängig
- Individuelle Therapie von HCV-Genotyp 1 möglich
- Auswirkungen auf Nebenwirkungen und Kosten
- Literatur
Zwischen 1997 und 2004 hat die Zahl der in Deutschland gemeldeten Hepatitis-C-Infektionen tendenziell zugenommen ([4]). Eine akute Hepatitis-C-Infektion verläuft oftmals asymptomatisch und bleibt daher in vielen Fällen unerkannt und unbehandelt. Sofern es zu keiner spontanen Ausheilung kommt, nimmt die Hepatitis-C-Infektion nach etwa sechs Monaten einen chronischen Verlauf. In Abhängigkeit davon, wie schnell die Erkrankung fortschreitet, kann es ohne geeignete Therapie im Verlauf von Jahren zu schwer wiegenden Leberschäden in Form einer Leberzirrhose und in der Folge sogar zur Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms kommen. Die Inzidenzrate des hepatozellulären Karzinoms hat in den letzten 30 Jahren kontinuierlich zugenommen: Im Vergleich erkrankten Ende der 1970er Jahre doppelt so viele Menschen an Leberkrebs wie Ende der 1990er Jahre ([3]).
"Aufgrund des in den meisten Fällen langsamen chronischen Verlaufs der Infektion wird die HCV-assoziierte Mortalitätsrate nach aktuellen Schätzungen in den USA in den nächsten Jahren weiterhin deutlich zunehmen und dort in 2014 mit knapp 30000 Todesfällen ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen", gab PD T. Berg, Berlin, zu bedenken ([1], [8]).
#Unterschiede des Interferon-Respons
Bei der antiviralen Behandlung des Hepatitis-C-Virus hat sich mittlerweile die Kombinationstherapie aus Peginterferon alfa-2b (PegIntron®) plus Ribavirin (Rebetol®) als Standard etabliert. "Eine aktuelle Langzeitverlaufsstudie belegt, dass auch Jahre nach Ende der Therapie bei weniger als 1% aller behandelten Patienten mit andauerndem virologischen Ansprechen ("sustained virologic response", SVR) Hepatitis-C-Viren im Blut nachweisbar waren ([5]). Diese Patienten können daher als von der chronischen Hepatitis C geheilt betrachtet werden", erklärte Berg.
Er betonte außerdem, dass die antivirale Kombinationstherapie somit auch eine entscheidende Bedeutung für das zukünftige Ausmaß der hepatischen Dekompensationen habe: Würden die HCV-Patienten keiner Behandlung unterzogen, läge die Zahl der Patienten mit Leberdekompensation im Jahr 2035 in den USA bei etwa 150000. Durch den Einsatz der Kombinationstherapie ließe sich diese Zahl auf nur noch 55000 Fälle um knapp zwei Drittel reduzieren ([2]).
#Fortschritte durch Pegylierung der Interferone
Hiermit hat die Therapie der chronischen Hepatitis C in den letzten 15 Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Konnten 1990 mit der 24- beziehungsweise 48-wöchigen Interferon-Monotherapie nur 8-12% der Patienten geheilt werden, so liegen die anhaltenden Remissionsraten unter der Kombinationstherapie mit Peginterferon plus Ribavirin heute bei über 60% (bei 80% der empfohlenen Therapiedauer und Medikamentendosis). Dazu beigetragen haben sowohl die Pegylierung der Interferone, die zu einer verlängerten Wirksamkeit führt, als auch die zusätzliche Gabe des Nukleosidanalogons Ribavirin.
Trotz der großen Fortschritte bleibt der Leberzustand des HCV-Patienten der wichtigste prognostische Parameter für den Behandlungserfolg. Der Entzündungs-, Fibrose- und Zirrhosegrad haben deutliche Auswirkungen auf die Ansprechraten. Aus diesem Grund ist eine frühzeitige Therapie der HCV-Infektion weiterhin von hoher Bedeutung. Fortgeschrittenes Alter und Alkoholmissbrauch sind weitere ungünstige prognostische Parameter für ein anhaltendes Ansprechen auf die Therapie. "Die genannten Faktoren sollten zur Bestimmung der individuellen HCV-Therapie herangezogen werden, die bei gutem Nebenwirkungsmanagement zu hohen anhaltenden Ansprechraten und damit zur Heilung der Hepatitis-C-Infektion führen kann", fasste Berg zusammen.
#Virologisches Ansprechen von zahlreichen Faktoren abhängig
Bei der Individualisierung der Hepatitis-C-Therapie spielt vor allem der Genotyp der HCV-Infektion eine wichtige Rolle. Die HCV-Genotypen 2 und 3 gelten im Vergleich mit den HCV-Genotypen 1 und 4 als einfacher zu therapieren. Der HCV-Genotyp 1 hat mit einem Anteil von 50-70% in Deutschland die höchste Prävalenz.
Zahlreiche Untersuchungen konnten zeigen, dass die Therapiedauer und die Ribavirindosis einen Effekt auf die anhaltende virologische Ansprechrate haben. Die Höhe der Viruslast ist dabei von besonderer Bedeutung: So sprachen HCV-Genotyp-1-Patienten mit hoher Virämie signifikant schlechter auf die antivirale Therapie an als Patienten mit niedriger Virämie (65% versus 47% bei 1000-1200 mg Ribavirin über 48 Wochen) ([6]).
Im Jahre 2004 wurde von der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) die Empfehlung ausgesprochen, HCV-Genotyp-1-Patienten (sowie Genotyp 4, 5 und 6) bei frühem virologischen Ansprechen ("early virological response", EVR) mit einem Abfall der Viruslast bis Woche 12 um mindestens zwei Log-Stufen über 48 Wochen mit Peginterferon plus Ribavirin zu therapieren ([10]). "Mittlerweile hat man aber gesehen, dass nicht in erster Linie der HCV-Genotyp für die Dauer der Therapie entscheidend ist, sondern vielmehr das initiale Ansprechen unter der antiviralen Behandlung: Umso früher ein Patient HCV-RNA-negativ ist, desto besser sind seine Chancen auf eine dauerhafte Heilung", betonte Prof. S. Zeuzem, Homburg (Abb. [1]).

Individuelle Therapie von HCV-Genotyp 1 möglich
Die Zulassungserweiterung für Peginterferon alfa-2b bietet daher unter bestimmten Voraussetzungen als Option eine nur 24-wöchige Therapie bei HCV-Genotyp-1-Patienten mit niedriger Ausgangsviruslast (< 600000 IE/ml) und HCV-RNA-Negativität in Woche 4 und Woche 24. Die Zulassungsstudie konnte zeigen, dass unter diesen günstigen Umständen eine Verlängerung der Therapie auf 48 Wochen nicht mit höheren anhaltenden Ansprechraten verbunden ist: Von den Patienten, die in den Wochen 4 und 24 HCV-RNA-negativ waren, erreichten 92% eine SVR (Abb. [2]) ([9]).

"Da etwa ein Drittel der HCV-Genotyp-1-Patienten eine niedrige Ausgangsviruslast von unter 600000 IE/ml hat, kann eine Vielzahl von Betroffenen von der Zulassungserweiterung profitieren, die einen Fortschritt für die Individualisierung der Hepatitis-C-Therapie bedeutet", erklärte Zeuzem. Die Halbierung der Therapiedauer ist nur für die Kombinationstherapie mit Peginterferon alfa-2b plus Ribavirin zugelassen.
#Auswirkungen auf Nebenwirkungen und Kosten
"Im Zusammenhang mit der Verkürzung der Therapiedauer ist die Reduktion von Nebenwirkungen ein entscheidender Vorteil", betonte PD C. Sarrazin, Homburg. Sarrazin erklärte weiter, dass Nebenwirkungen wie Depressionen, Reizbarkeit und Schlafstörungen, aber auch Übelkeit, Juckreiz, Hautveränderungen und Haarausfall, die verstärkt in der zweiten Therapiehälfte - also nach den ersten 24 Wochen - auftreten, zur Dosisreduktion der Medikamente und/oder zu Therapieabbrüchen führen können. "Durch die mögliche Halbierung der Therapiedauer werden den Patienten Nebenwirkungen erspart, wodurch sie besser motiviert werden können, die Therapie zu Ende zu führen. Daraus resultieren wiederum eine seltenere Reduktion der Medikamentendosis und weniger Therapieabbrüche aufgrund von Unverträglichkeit", fasste Sarrazin zusammen. Durch die Verkürzung der Behandlung können außerdem auch die Therapiekosten reduziert werden. Das bedeutet eine erhebliche Einsparung für das Gesundheitssystem, da auch die Kosten für die Verschreibung von Begleitmedikationen deutlich verringert werden können. Hinzu kommt, dass viele Patienten unter der antiviralen Therapie arbeitsunfähig sind und somit ebenfalls mit Einbußen der Produktivität gerechnet werden muss.
Sarrazin erklärte abschließend, dass die Verkürzung der Therapiedauer zur Verminderung der Nebenwirkungen, Abbruchraten und Therapiekosten beitrage. Durch eine zukünftige weitere Individualisierung der Therapiedauer könnten diese günstigen Effekte optimiert werden. Die Frage, ob eine Individualisierung der Therapie der HCV-Genotyp-1-Patienten neuer Standard wird, konnte von allen Experten positiv beantwortet werden.
Quelle: Pressekonferenz "Neue Therapieoptionen bei HCV Genotyp 1", veranstaltet von der essex pharma GmbH, München
#Literatur
- 01 Buti M . San Miguel R . Brosa M . et al . Estimating the impact of hepatitis C virus therapy on future liver-related morbidity, mortality and costs related to chronic hepatitis. C. J Hepatol. 2005; 42 639-645
- 02 Davis GL . Albright JE . Cook SF . Rosenberg DM . Projecting future complications of chronic hepatitis C in the United States. Liver Transpl. 2003; 9 331-338
- 03 El-Serag HB . Davila JA . Petersen NJ . McGlynn KA . The continuing increase in the incidence of hepatocellular carcinoma in the United States: an update. Ann Intern Med. 2003; 139 817-823
-
04 Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts. Zur Situation wichtiger Infektionskrankheiten in Deutschland Virushepatitis B, C und D im Jahr 2004. 46/2005.
- 05 Formann E . Steindl-Munda P . Hofer H . et al . Long-term follow-up of chronic hepatitis C patients with sustained virological response to various forms of interferon-based anti-viral therapy. Aliment Pharmacol Ther. 2006; 23 507-511
- 06 Hadziyannis SJ . Sette H Jr . Morgan TR . et al . Peginterferon alfa-2a and ribavirin combination therapy in chronic hepatitis C: a randomized study of treatment duration and ribavirin dose. Ann Intern Med. 2004; 140 346-355
- 07 Pawlotsky JM . Hepatitis C virus resistance to antiviral therapy. Hepatology. 2000; 32 889-896
- 08 Wong JB . McQuillan GM . McHutchison JG . Poynard T . Estimating future hepatitis C morbidity, mortality, and costs in the United States. Am J Public Health. 2000; 90 1562-1569
- 09 Zeuzem S . Buti M . Ferenci P . et al . Efficacy of 24 weeks treatment with peginterferon alfa-2b plus ribavirin in patients with chronic hepatitis c infected with genotype 1 and low pretreatment viremia. Journal of Hepatology. 2006; 44 97-103
- 10 Zeuzem S . Standardtherapie der akuten und chronischen Hepatitis C. Z Gastroenterol. 2004; 42 714-719
Literatur
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- 09 Zeuzem S . Buti M . Ferenci P . et al . Efficacy of 24 weeks treatment with peginterferon alfa-2b plus ribavirin in patients with chronic hepatitis c infected with genotype 1 and low pretreatment viremia. Journal of Hepatology. 2006; 44 97-103
- 10 Zeuzem S . Standardtherapie der akuten und chronischen Hepatitis C. Z Gastroenterol. 2004; 42 714-719

