Die Eckdaten der perioperativen Behandlung bei elektiven kolorektalen Resektionen
in Deutschland sind aus verschiedenen Umfragen gut bekannt [14 ]
[15 ]. Unter traditioneller perioperativer Therapie erleiden 25-30 % der Patienten nach
elektiven Kolonresektionen allgemeine postoperative Komplikationen (z.B. Pneumonien,
kardiovaskuläre Zwischenfälle) auf die 52 % der postoperativen Todesfälle zurückzuführen
sind [11 ]
[16 ]. Der postoperative Krankenhausaufenthalt beträgt nach laparoskopischer Resektion
zehn bis 14 Tage [10 ]
[13 ] und nach konventionellen Kolonresektionen 15-20 Tage [11 ]
[16 ]
[18 ].
Die wesentlichen Ursachen der hohen allgemeinen Morbidität und der relativ langen
stationären Behandlungsbedürftigkeit der Patienten (traditionelle perioperative Therapie,
intraoperative Hypothermie, Flüssigkeitsüberlastung, posttraumatische Stressreaktion,
Schmerzen und Immobilisation, gastrointestinale Atonie bei gleichzeitig Nahrungskarenz;
8, 9) können durch ein multimodales Behandlungskonzept in enger Kooperation von Chirurgie,
Anästhesie und Pflegepersonal effektiv behandelt werden [Abb. 1 ]. Bei konsequenter interdisziplinärer Therapie kommt es im „Nebeneffekt” - selbst
bei alten Patienten mit relevanten Begleiterkrankungen - zu einer erheblichen Reduktion
des Krankenhausaufenthaltes auf wenige Tage [2 ]
[3 ].
Material und Methode
Material und Methode
Patienten
Alle Patienten, bei denen zwischen dem 11.10.2001 und dem 15.07.2004 in der Universitätsklinik
für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie eine elektive Kolonresektion
erfolgte, wurden prospektiv erfasst. Bis zum 15.01. 2004 wurden alle konsekutiv auf
eine Station der Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie
aufgenommenen Patienten mit dem interdisziplinären Fast-track-Konzept behandelt. Seit
diesem Zeitpunkt Mitte Januar werden alle Patienten der gesamten Klinik der Fast-track-Rehabilitation
zugeführt. Weder Alter, Geschlecht, soziologische Faktoren, Dignität oder Lokalisation
der Erkrankung noch die Art der Operation sind ein Grund zum Ausschluss aus dem Programm.
Interdisziplinärer klinischer Behandlungspfad
Die Anästhesiologie, die Chirurgie und das Pflegepersonal an der Charité (Campus Berlin
Mitte) haben die Details der Fast-track-Rehabilitation sorgfältig abgestimmt und für
die unterschiedlichen Zeitpunkte die jeweils gebotenen pflegerischen und ärztlichen
Maßnahmen festgelegt:
präoperativ: Operationsaufklärung; modifizierte Darmvorbereitung (keine oder moderate
Darmspülung); Gespräch mit Patient und Angehörigen; avisierte Entlassung ab dem dritten
postoperativen Tag; kurze präoperative Nüchternheitsphase (zwei Stunden)
intraoperativ: Nichtopioidanalgetikum; thorakale kombinierte Periduralanästhesie (PDA;
Ropivacain 0,75 % 6-8 ml bzw. Sufentanil 68 μg); total intravenöse Anästhesie (Propofol,
Fentanyl, Cis-Atracurium); quere oder gebogene Laparotomien oder Laparoskopie; keine
Drainage; Magensonde bei Extubation entfernen
Tag der Operation: Verlegung aus dem Aufwachraum auf die Normalstation; Begrenzung
der postoperativen Infusion auf 500 ml Elektrolytlösung; kontinuierliche Periduralanästhesie
(Ropivacain 0,2 % bzw. Sufentanil 0,5 μg/ml 6-8 ml/h); Nichtopioidanalgetikum; Vermeidung
systemischer Opiate; ab der zweiten postoperativen Stunde Tee ad libitum; zwei Proteindrinks
in der fünften postoperativen Stunde: Mobilisation in den Stuhl für zwei Stunden;
vorher einmal Laufen auf dem Stationsflur
erster postoperativer Tag: kontinuierliche Periduralanästhesie (Lokalanästhetikum
bzw. Opioid); Nichtopioidanalgetikum oral; Vermeidung systemischer Opiate; Metamizol
1 g und/oder Paracetamol 1g i.v. bei Bedarf; Krankenhausbasisdiät; Trinkmenge von
mehr als 1500 ml beachten; Mobilisation aus dem Bett mindestens acht Stunden; mindestens
zweimal Laufen auf dem Stationsflur; Blasenkatheter entfernen
zweiter postoperativer Tag: Periduralkatheter morgens nach Auslassversuch entfernen;
Nichtopioidanalgetikum oral; Vermeidung systemischer Opiate; vier- bis sechsmal 40
Tropfen Metamizol und/oder Paracetamol viermal 1g oral bei Bedarf; Krankenhausbasisdiät;
Trinkmenge von über 1500 ml beachten; vollständige Mobilisation (im Bett zur Mittagsruhe
und nachts)
dritter postoperativer Tag: Nichtopioidanalgetikum oral; Krankenhausbasisdiät; Trinkmenge
von über 1500 ml beachten; vollständige Mobilisation (im Bett zur Mittagsruhe und
nachts); Entlassungsgespräch mit Patienten; Angehörigen; Informationsbogen poststationärer
Verlauf; Ernährungsberatung; Entlassung auf Wunsch des Patienten ab der Mittagszeit
möglich
achter postoperativer Tag: ambulante Wiedervorstellung; Entfernen des Hautnahtmaterials;
Besprechung des histologischen Befundes; gegebenenfalls Terminierung der adjuvanten
Therapie.
Alle Patienten wurden am Tag vor der Operation über den Eingriff und den zu erwartenden
postoperativen Verlauf aufgeklärt. In allen Fällen erfolgte die orthograde Darmlavage
und eine „Single-shot”-Antibiotikaprophylaxe. Nach der Intubation wurde grundsätzlich
eine nasogastrale Sonde und ein transurethraler Blasenkatheter gelegt. Zur laparoskopischen
Resektion wurde eine Fünf-Trokartechnik verwendet [12 ]. Bei konventionellen Resektionen erfolgten quere Oberbauchlaparotomien oder es wurde
ein bogenförmiger Schnitt durchgeführt. Die Magensonde wurde zum Ende der Operation
entfernt. Seit Mitte Januar 2004 wurden keine Drainagen mehr verwendet, zuvor war
für eine Nacht eine 24-Charriére-Robinson-Drainage gelegt worden. Angestrebt wurde
immer die postoperative Extubation. Die Nachbehandlung erfolgte im anästhesiologischen
Aufwachraum, von dort wurden die Patienten auf die Normalstation verlegt.
Datenanalyse und Statistik
Alle Daten wurden mithilfe des Statistikprogramms SPSS 10.0 erfasst. Die Datenanalyse
erfolgte mit den Programmen SPSS 10.0 oder SAS V8 für Windows. Gruppenunterschiede
zwischen kategoriellen Daten wurden mit Fishers exaktem Test überprüft. Kontinuierliche
Parameter wurden aufgrund der geringen Fallzahl immer als Median (Minimum und Maximum)
dargestellt und mit dem Mann-Withney-U-Test analysiert.
Ergebnisse
Ergebnisse
Alle 153 Patienten wurden gemäß des Fast-track-Protokolls konventionell (56 %) oder
laparoskopisch (44 %) dickdarmreseziert. Die unterschiedlichen Patientencharakteristika
wie Alter, Geschlecht, Schwere der Erkrankung (Klassifikation nach den Kriterien der
American Society of Anaesthesiologists, ASA), relevante Begleiterkrankungen und Operationsindikationen
sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Insgesamt 43 % der Patienten waren den ASA-Klassen
III und IV - also Patienten mit schwerer bzw. inaktivierender Allgemeinerkrankung
- zuzuordnen.
Unabhängig von der Operationstechnik erfolgte die postoperative Rekonvaleszenz der
Patienten rasch [Tab. 3 ]. 92 % der Patienten tranken am Tag der Operation und aßen Joghurt. 93 % der Patienten
vertrugen die Krankenhausbasisdiät am ersten postoperativen Tag. Nur bei sieben Patienten
war es nötig, aufgrund einer protrahierten Oberbauchatonie mit Übelkeit und Erbrechen
erneut eine Magensonde einzusetzen. 75 % der Patienten hatten bis zum zweiten und
96 % bis zum vierten postoperativen Tag Stuhlgang.
Lokale Komplikationen traten bei 19 Patienten (12 %) auf, bei acht dieser Patienten
(6 %) war aufgrund dessen eine erneute Operation nötig. Allgemeine postoperative Komplikationen
wurden nur bei 13 (8 %) Patienten beobachtet. Nur vier von 134 Patienten (3 %) erlitten
nach lokal unauffälligem Verlauf eine eigenständige allgemeine Komplikation [Tab. 2 ]. Die postoperative Letalität betrug bei einem Todesfall 0,7 %.
Die postoperative Verweildauer betrug vier (3-77) Tage und 90 % der Patienten wurden
bis zum achten postoperativen Tag aus der stationären Behandlung entlassen [Abb. 2 ].
Diskussion
Diskussion
Die vorliegende Untersuchung fasst die ersten Erfahrungen mit einem interdisziplinären
multimodalen perioperativen Behandlungskonzept zur Beschleunigung der postoperativen
Rekonvaleszenz nach elektiven Kolonresektionen im deutschsprachigen Raum zusammen.
Diese so genannte Fast-track-Rehabilitation basiert auf einer engen interdisziplinären
Zusammenarbeit zwischen Anästhesie, Chirurgie und Pflegepersonal. Eckpfeiler des interdisziplinären
klinischen Behandlungspfades sind
die sorgfältige Aufklärung der Patienten
eine thorakale Periduralanalgesie (PDA) mit Opioiden und Lokalanästhetika - zur Minimierung
intraoperativer Stressafferenzen, Optimierung der Schmerztherapie und Vermeidung der
postoperativen gastrointestinalen Atonie
eine atraumatische (laparoskopische oder konventionelle Operationstechnik)
die forcierte Mobilisation der Patienten bereits am Operationstag
der sofortige orale Kostaufbau bereits zwei Stunden nach der Extubation [Abb. 3 ] [3 ]
[17 ].
Das Ziel der interdisziplinären Fast-track-Rehabilitation ist die geringere Beeinträchtigung
und raschere Erholung der Patienten und dadurch die drastische Reduktion allgemeiner
Komplikationen. Im eigenen Patientengut wurden nach lokal unauffälligem Verlauf eigenständige
allgemeine Komplikationen nur bei vier von 134 Patienten (3 %) beobachtet. Kehlet
et al. beobachteten nach 58 konventionellen Kolonresektionen und 50 laparoskopischen
Eingriffen bei Hochrisikopatienten keine kardiopulmonalen Komplikationen [2 ]
[3 ], während Delaney et al. bei 40 Patienten mit komplexen Darmresektionen und relevanter
Komorbidität nur eine Pneumonie und eine Atelektasenbildung diagnostizierten [5 ].
Obwohl die bislang vorliegenden Fallzahlen von Fast-track-Patienten gering sind, steht
die niedrige Inzidenz allgemeiner Komplikationen im deutlichen Gegensatz zu den Erfahrungen
großer Fallserien mit traditioneller perioperativer Therapie, die allgemeine Komplikationsraten
von bis zu 27 % nach konventionellen und 11 % nach laparoskopischen Kolonresektionen
angeben [10 ]
[11 ]. Daher besteht der berechtigte Anlass zur Hoffnung, dass die konsequente Anwendung
des interdisziplinären multimodalen Rehabilitationsprogramms allgemeine Komplikationen
deutlich verringern kann.
Obwohl die radikale Reduktion der postoperativen Verweildauer der eindrucksvollste
Effekt der Fast-track-Behandlung ist, ist sie nur ein Nebeneffekt und keinesfalls
das Hauptziel der multimodalen Behandlung. Kehlet et al. haben in ihren Fast-track-Serien
die mediane postoperative Verweildauer nach konventionellen und laparoskopischen Kolonresektionen
oder Rektopexien auf zwei Tage reduziert [1 ]
[2 ]
[4 ]
[7 ]. In der eigenen Klinik konnte die postoperative Verweildauer bei 153 Patienten auf
vier Tage verringert werden. Dabei erfolgte die Entlassung bei unveränderten Entlassungskriterien
- immer im Einverständnis mit Patienten und Angehörigen.
Insgesamt sind die ersten Erfahrungen mit dem Fast-track-Konzept zur Beschleunigung
der postoperativen Rekonvaleszenz nach elektiven Kolonresektionen also positiv. Sollten
sich diese eigenen guten Ergebnisse bei Kolonresektionen flächendeckend auf Deutschland
übertragen lassen, so ließen sich allein in diesen Fällen pro Jahr bei etwa 5000-10000
Patienten allgemeine Komplikationen vermieden und gleichzeitig etwa 500000 postoperative
stationäre Pflegetage einsparen. Analoge Erfahrungen bestehen in der eigenen Klinik
für Oberbaucheingriffe (Magen-, Pankreas- und Ösophagusresektionen) und werden für
urologische, gynäkologische und traumatologisch/orthopädische Eingriffe aus der Literatur
berichtet [Tab. 3 ] [6 ].
Die konsequente Einführung interdisziplinärer klinischer Behandlungspfade könnte durch
die Verkürzung der postoperativen Verweildauer in nächster Zukunft zu einer tiefgreifenden
Veränderung der Ergebnisqualität und der Strukturen operativ tätiger Abteilungen führen.
Eine weitere kritische Evaluation derartiger interdisziplinärer Behandlungspfade ist
daher dringend erforderlich.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Tab. 1 Patientencharakteristika
soziografische Daten
Alter in Jahren
66 (22-88)
Männer
77 (50 %)
Frauen
76 (50 %)
ASA-Klassifikation
I
11 (7 %)
II
76 (50 %)
III
62 (40 %)
IV
4 (3 %)
relevante Begleiterkrankungen
Hypertonie
67 (44 %)
pulmonal
20 (31 %)
kardial
32 (33 %)
Diabetes mellitus
22 (14 %)
renal
15 (10 %)
hepatisch
10 (7 %)
Operationsindikation
maligne
89 (58 %)
benigne
64 (42 %)
Operationstechnik
konventionell
85 (56 %)
laparoskopisch
68 (44 %)
Tab. 2 Komplikationen und Letalität
Patienten
gesamt
operationspflichtig
lokale Komplikationen gesamt
19 (12 %)
8 (5 %)
subkutane Wundinfektion
12 (8 %)
Ileus (konservativ)
7 (5 %)
Anastomoseninsuffizienz
5 (3 %)
5 (3 %)
Peritonitis
5 (3 %)
Dünndarmläsion
2 (1 %)
2 (1 %)
Blutung (Transfusion)
2 (1 %)
intraabdomineller Abszess
1 (1 %)
1 (1 %)
Patienten
gesamt
eigenständig
[* ]
allgemeine Komplikationen gesamt
11 (7 %)
4 (3 %)
Ereignisse
renal
5 (3 %)
1 (1 %)
kardial
4 (3 %)
Pneumonie
4 (3 %)
1 (1 %)
SIRS
3 (2 %)
Harnwegsinfekt
3 (2 %)
1 (1 %)
Katheterinfekt
2 (1 %)
Durchgangssyndrom
2 (1 %)
Forrest-IIb-Blutung im Duodenum
1 (1 %)
1 (1 %)
hepatisch
1 (1 %)
Hämaturie
1 (2 %)
Exsikkose
1 (2 %)
Letalität
1 (0,6 %)
1 bei lokal unauffälligem Verlauf
Tab. 3 Postoperative Krankenhausverweildauern im Vergleich
postoperative Krankenhausverweildauer (Tage)
Operation
Fast-track-Rehabilitation
traditionelle perioperative Therapie
Cholezystektomie, Antirefluxchirurgie
0
3-5
Splenektomie, Adrenalektomie, Hysterektomie, Prostatektomie, Lebendnierenspende
1
5-7
pulmonale Lobektomie, Karotisendarterektomie
1-2
5-10
Kolonresektion
2-4
10-17
konventionelle Ausschaltung eines Bauchaortenaneurysmas
3-4
10-17
Magen-, Speiseröhren-, Pankreasresektionen
7
14-21
nach [6 ]