Der Klinikarzt 2006; 35(2): 56
DOI: 10.1055/s-2006-933682
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

MännerGesundheit

Dietrich Strödter
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Publication Date:
23 February 2006 (online)

Das starke Geschlecht ist dem schwachen Geschlecht hinsichtlich der Lebenszeit klar unterlegen. Verglichen mit Frauen leben Männer nicht nur sechs Jahre kürzer, sondern entwickeln auch zehn Jahre früher eine koronare Herzkrankheit (KHK), haben weniger Risikofaktoren vor deren Manifestation, sind häufiger vom plötzlichen Herztod betroffen, haben häufiger Vorhofflimmern und eine schlechtere Prognose bei Auftreten einer Herzinsuffizienz. Warum wird nun aber beim Mann die gleiche koronare Erkrankung vorzeitig zum besonderen prognostischen Problem? Männer gehen mit ihrem Körper und ihrer Gesundheit häufig sorgloser um, ernähren sich ungesünder, gehen wesentlich seltener zum Arzt als Frauen, weniger häufig auch zu Vorsorgeuntersuchungen. Zudem greifen sie häufiger zu Genussgiften wie Nikotin und Alkohol. Zu alldem kommt, dass das Mannsein neben dem Lebensalter ein eigenständiger Risikofaktor für die Gesundheit ist. Bei gleichem Blutdruck oder Cholesterinwert entspricht das kardiovaskuläre Risiko etwa dem einer um zehn Jahre älteren Frau!

Das männliche Geschlechtshormon Testosteron jedoch ist für diese Lebensaltersdifferenz bei gleichen Risikofaktoren wahrscheinlich nicht verantwortlich, da es atheroskleroseprotektive Effekte aufweist. Die Ursachen für die schlechtere Prognose des Mannes sind noch nicht sämtlich geklärt, ebenso wie die Frage, welches Risikopotenzial die so genannte männliche Stärke hat. Aktiv, ausdauernd, leistungswillig, durchsetzungsfähig, beschützend und siegesgewohnt, so lautet das Rollenbild des Mannes. Krankheiten, die Schwäche anzeigen und schwach bis hilfsbedürftig machen, sind nicht vorgesehen. Spätestens beim Älterwerden wird das starke zum schwachen Geschlecht.

Frauenherzen schlagen anders. Mit diesem Motto wird mehr Forschung mit größerer pekuniärer Unterstützung gefordert, aber oft auch eine schlechtere Prognose suggeriert. Dies ist jedoch falsch. Häufig wird auch beklagt, dass Männer in großen Therapiestudien von Herzkreislauferkrankungen überproportional vertreten seien. Dies stimmt zwar, hat aber eine einfache Erklärung. Die Ursache liegt unter anderem in der Lebensaltersbegrenzung vieler Studienkollektive auf jüngere Lebensjahre, in denen der Mann nun einmal das Hauptkollektiv stellt. Untersucht man dagegen Kollektive von 70 Lebensjahren aufwärts, ist die Frau gleich häufig (PROSPER-Studie mit Statinen 52 % Frauen), bei Kollektiven von über 75 Jahren (Vorhofflimmern-Studien) sogar doppelt so häufig vertreten wie Männer - obwohl Männer häufiger an Vorhofflimmern leiden. Grund hierfür ist, daß diese Altersgruppe infolge der kürzeren Lebenserwartung der männlichen Jahrgänge vorrangig weiblich ist.

Die Männermedizin muss sich somit diesem Problem der kürzeren Lebenserwartung forschungsintensiver stellen, ist doch verfassungsrechtlich ein Gleichheitsgebot festgeschrieben! Und der Ruf nach Gleichberechtigung wird in der Medizin lauter. Aber er schallt von femininer Seite mit mehr Nachdruck als von maskuliner Seite. Tatsache ist: Nicht nur die medizinischen Besonderheiten der Frau in Diagnostik und Therapie sind stärker zu erforschen und gegebenenfalls den männlichen Standards anzupassen (der Autor unterstreicht dies mit Nachdruck), sondern auch die medizinischen Besonderheiten des Mannes! Die simultane Erforschung der Besonderheiten beider Geschlechter in der Hoffnung auf eine Verbesserung von Lebensqualität und Lebensquantität beider ist dringlich und das entscheidende Ziel. Dies dürfte auch das Interesse beider Geschlechter sein.

Zurzeit jedoch werden geschlechtsbezogene Forschungsaktivitäten nicht für den Mann, sondern nur für die Frau gefördert. Doch soll die Schere in der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern noch weiter auseinandergehen? Und all diese einseitigen Aktivitäten wegen einer eventuell anderen Symptomatik beim Myokardinfarkt, wegen eines Surrogatparameters? Ob dies und die dadurch diskutierte leicht verzögerte Diagnostik die Prognose der Frau verschlechtert, ist bis heute nicht geklärt. Realitäten wie das prognostische Ungleichgewicht sollten Forschungspräferenz vor symptomatischen Möglichkeiten haben! Das vorzeitige Ableben des Mannes ist das durchschlagende Argument für dringliche Ursachenabklärung, die längst überfällig ist. Oder hat der Mann keine Lobby in der Medizin?

Daher haben wir uns in der vorliegenden Ausgabe des klinikarzt zur Aufgabe gemacht, Geschlechtsunterschiede aus Sicht der Männergesundheit und Männermedizin zu beleuchten und greifen neben spezifischen urologischen Problemen des Mannes naturgemäß das kardiovaskuläre Problem differenziert auf.

Prof. Dr. Dietrich Strödter(Gasteditor)

Gießen

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