Viszeralchirurgie 2006; 41(4): 292-296
DOI: 10.1055/s-2006-933549
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Störungen des Elektrolyt-, Säure/Basen- und Flüssigkeitshaushalts

Electrolytes, Acid-Base-Imbalances and Fluid ManagementE. Muhl1 , J. C. Lewejohann1
  • 1Klinik für Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
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Publication Date:
10 August 2006 (online)

Welche viszeralchirurgischen Patienten haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer metabolischen Azidose?

Eine metabolische Azidose bei viszeralchirurgischen Patienten entsteht am ehesten durch Bikarbonatverluste über den Gastrointestinaltrakt, bei Diarrhöen (auch iatrogen induzierte Diarrhöen) und bei Pankreas- oder Dünndarmdrainage. Besonders bei einem frisch angelegten Ileostoma können exzessive Bikarbonatverluste auftreten. Dünnflüssige Stuhlentleerungen von mehr als 2 Litern am Tag sind keine Seltenheit und erfordern immer neben der Flüssigkeitssubstitution auch Kontrollen (und ggf. Therapie) des Elektrolyt- und Säure/Basen-Haushalts. Seltenere Ursachen für eine metabolische Azidose im viszeralchirurgischen Krankengut sind die Laktatazidose, Ketoazidose und renale Azidose inklusive einer medikamenteninduzierten Hyperkaliämie bei Niereninsuffizienz (z. B. durch kaliumsparende Diuretika, Trimethoprim, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten, NSAR, Ciclosporin und Pentamidin). Führt eine unzureichende Flüssigkeitszufuhr (z. B. bei frisch angelegtem Ileostoma) zum prärenalen Nierenversagen, kann die verlustbedingte metabolische Azidose durch die renale Azidose aggraviert werden.

Welche Ursachen für eine Hypo- und Hypernatriämie kennen Sie und was ist bei der Behandlung zu bedenken?

Eine Hyponatriämie kann durch einen primären Natriumverlust bedingt sein (mit sekundärer Wasseraufnahme) z. B. durch Erbrechen, Verlusten durch Sonden, Fisteln, Ileostoma, Durchfälle, großflächige Wunden/Verbrennungen oder renale Natriumverluste. Sie kann aber auch bedingt sein durch primäre Wasserzunahme (sekundärer Natriumverlust) bei Glukokortikoidmangel, Hypothyreose, chronischer Niereninsuffizienz, Vasopressin-Sekretion bei Schmerzen - Übelkeit - durch Medikamente oder durch eine inadaequate AHD-Sekretion (z. B. bei ZNS-Erkrankungen einschließlich Blutung und Apoplex, Überdruckbeatmung/ hoher PEEP). Sie kann aber auch bedingt sein durch eine primäre Natriumzunahme, die durch die sekundäre Wasseraufnahme noch übertroffen wird (z. B. bei Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, nephrotischem Syndrom). Im letzteren Fall wäre die Gabe von Natrium nicht sinnvoll [17].

Bei Hypernatriämie können ein renaler Verlust freien Wassers (Diabetes insipidus, medikamenteninduzierte Diurese oder osmotische Diurese z. B. bei Hyperglykämie), aber auch extrarenale Wasserverluste (Fieber, gastrointestinale Verluste) zugrunde liegen. Eine häufige Ursache ist eine verminderte Wasseraufnahme, eine seltene Ursache die vermehrte Natriumaufnahme. Letzteres kommt nahezu nur in der Klinik vor.

Diese Zusammenhänge machen deutlich, dass die Korrektur eines pathologischen Serum-Natrium-Wertes, also eine rein symptomatische Therapie, allein viel zu kurz greift. Die Ursache jeder Elektrolytstörung sollte geklärt und ggf. behandelt werden.

Der Ausgleich von Hyper- oder Hyponatriämie sollte langsam erfolgen - vor allem, wenn sie sich über längere Zeit entwickelt haben. Die Reduktion zu hoher Serum-Natriumspiegel sollte um maximal 2 mmol/L pro Stunde erfolgen; pro Tag sollte das Serum-Natrium um nicht mehr als 10 % abgesenkt werden. Bei zu schnellem Ausgleich der Elektrolytstörung drohen Hirnödem respektive pontine Myelinolyse [3].

Was ist die „Anionenlücke” und welche Bedeutung hat sie für den Säure-Basenhaushalt?

Die Anionenlücke berechnet sich nach der einfachen Formel: Na+ - (Cl- + HCO3 -) (Referenzbereich 7-16 mmol/L) [33]. Die Anionenlücke kann auch berechnet werden nach der Formel: (Na + K) - (Cl + HCO3), der Normwert liegt dann bei 11-19 mmol/L [16]. Der Wert berücksichtigt auch die nichtgemessenen Anionen wie anionische Proteine, Phosphate und Sulfate, Ketonkörper. Eine vergrößerte Anionenlücke entsteht, wenn nicht gemessene Anionen z. B. die anionischen Säuren Azetat oder Laktat extrazellulär akkumulieren. Sie entsteht seltener durch eine Abnahme der nicht in die Formel eingehenden Kationen (Kalium, Kalzium, Magnesium).

Die Anionenlücke dient der Differenzierung einer metabolischen Azidose. Eine erhöhte Anionenlücke findet sich bei Urämie, Laktat- und Ketoazidose, bei Vergiftungen mit Alkohol oder Salicylaten. Eine metabolische Azidose mit normaler Anionenlücke findet sich im Frühstadium des akuten Nierenversagens, bei postrenalem Nierenversagen, nach Kochsalzinfusionen, Durchfällen, Carboanhydrasehemmern. Patienten mit Verlusten über ein frisch angelegtes Ileostoma werden also eine metabolische Azidose entwickeln mit normaler Anionenlücke [1].

Nach schweren Trauma scheint eine bei Aufnahme in die Klinik erhöhte Anionenlücke sogar mit einer vermehrten Mortalität assoziiert zu sein [18].

Welche Ursachen hat eine Laktatazidose und wie kann sie behandelt werden?

Die Laktatbildung ist ein totes Gleis im Stoffwechsel, es muss in Pyruvat zurückverwandelt werden, bevor es metabolisiert werden kann. Der einzige Zweck der Reduktion des Pyruvats zum Laktat ist die Regeneration des NAD+, so dass die Glykolyse im aktiven Skelettmuskel fortdauern kann. Die Laktatbildung bringt einen Zeitgewinn und verlagert einen Teil der Stoffwechsellast von der Muskulatur zur Leber.

Bei jeglicher Verminderung der Gewebeperfusion/-oxygenierung kommt es infolge einer gesteigerten anaeroben Glykolyse zu einer vermehrten Produktion von Laktat. So können Extrembelastungen der Muskulatur mit einer Erschöpfung der Energiereserven, eine Rhabdomyolyse, Krampfanfälle oder ein gesteigerter Muskelabbau bei einer anaeroben Stoffwechsellage zu einer Laktatazidose führen. Eine Laktatazidose kann auch medikamentös/toxisch durch Biguanide, Paracetamol, Salicylate, Isoniazid, Alkohol, Zyanide (Nitroprussid) hervorrufen werden, ebenso wie durch jegliche Verminderung der Gewebeperfusion/- oxigenierung lokalisiert oder systemisch, z. B. durch Schock, Hypoxämie, schwerer Anämie oder CO-Vergiftung [16].

In der Lunge kann es infolge eines ALI/ARDS zu einem massiven Anfall von Laktat kommen, ebenso nach Endotoxinexposition in der Sepsis. Eine verminderte Elimination von Laktat, das normalerweise zu 50 % in der Leber über den Cori-Zyklus metabolisiert wird und zu 20 % über die Nierenrinde eliminiert wird, kann auch eine Laktatämie hervorrufen [7].

Die Beseitigung der Ursache der Laktatazidose ist die allein effiziente Behandlung. In der Sepsis, im absoluten oder relativen Volumenmangelschock besteht die Therapie in der schnellen und ausreichenden Volumenzufuhr. Die Pufferung mit Natriumhydrogenkarbonat sollte nur äußerst zurückhaltend angewandt werden: Empfohlen wird die Pufferung bei pH-Werten unter 7,2 und bei Standardbikarbonat unter 12 mmol/L, bzw. bei einem Basendefizit von mehr als - 5 mmol/L [33]. Potenziell negative Wirkungen der Therapie mit Natriumhydrogenkarbonat sind eine paradoxe intrazelluläre Azidose, Hyperosmolarität und Natriumbelastung, Hypokaliämie, CO2-Anstieg und Atemdepression, Verschiebung der O2-Bindungskurve nach links, Verminderung der hepatischen Laktatclearance durch Abnahme der portalvenösen Durchblutung. Die Infusionsgeschwindigkeit von 1,5 mmol/kgKG/h für Bikarbonat sollte nicht überschritten werden. Trometamol (TRIS-Puffer, THAM) enthält weniger Natrium. Die maximale Infusionsgeschwindigkeit beträgt 1 mmol/kgKG/h. Bei wiederholten Gaben kann es zur Kumulation kommen.

Die erforderliche Menge Natriumhydrogenkarbonat in mmol zum Ausgleich einer Azidose errechnet sich wie folgt: Basendefizit (BE, mmol) × kgKG × 0,3. Nach Verabreichung von der Hälfte der Dosis sollte der Effekt mittels Blutgasanalyse kontrolliert werden, um Überdosierungen zu vermeiden.

Bei einer Biguanid-induzierten Laktatazidose kann die Substanz durch Hämodialyse eliminiert werden [27]. Risikofaktoren für die Entwicklung einer Laktatazidose sind chirugische Eingriffe, Röntgenuntersuchungen mit Kontrastmittel, Lebererkrankungen, hohes Alter, Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz und pulmonale Insuffizienz. 48 Stunden vor operativen Eingriffen sollte Metformin abgesetzt werden [40].

Häufige iatrogene Störungen des Elektrolyt- und des Säure-Basenhaushalts

Schleifendiuretika können über eine Verminderung des extrazellulären Volumens bei konstantem extrazellulärem Bikarbonat und durch vermehrte H-Ionen-Verluste bei sekundärem Hyperaldosteronismus eine metabolische Alkalose induzieren [31] [37].

In Komplettlösungen zur parenteralen Ernährung sind die Kationen Na, K, Cl, Ca (manchmal auch Zink) und als Anion immer Chlorid enthalten (manchmal auch Azetat, Malat, Phosphat, Sulfat). Bei zu hohen Serumspiegeln einzelner Elektrolyte (z. B. Chlorid) muss die parenterale Ernährung in Form von Komplettlösungen auf die Gabe der Einzelkomponenten umgestellt werden, um die Störung nicht zu verstärken: Zuckerlösung, Fettlösung und Aminosäurelösung. Aminosäurelösungen werden von nahezu jedem Hersteller mit und ohne Zusatz von Elektrolyten angeboten. Bei Hyperchloridämie wäre dann eine AS-Lösung ohne Elektrolytzusatz zu wählen.

Bei der Volumensubstitution sind ebenfalls Elektrolytstörungen zu berücksichtigen. „Physiologische” Kochsalzlösung (0,9 %) enthält 154 mmol/L Natrium und 154 mmol/L Chlorid. In Ringerlösung sind sogar 164 mmol/L Chlorid enthalten. Besteht eine Hyperchloridämie und/oder Hypernatriämie kann auch z. B. eine 5 %-ige Glukoselösung eingesetzt werden oder halbosmolare Lösungen (Cave Blutzucker) [10]. Auch halbsynthetische kolloidale Lösungen enthalten erhebliche Mengen an Elektrolyten (s. u. „Unterschiede in den Kolloiden”)

Die Zufuhr großer Mengen von 0,9 % NaCl-Lösung, Ringerlösung und auch Kolloiden kann eine hyperchlorämische Azidose bewirken. Eine massive Volumensubstitution mit hoher Chloridzufuhr bei längeren operativen Eingriffen ist - neben anderen Ursachen wie einer Hypoxämie, Schockzuständen etc. - eine Erklärung für die nach großen Eingriffen häufig zu findende Azidose [41]. Chlorid sollte in solchen Situationen unbedingt gemessen werden. Es ist neben dem erhöhten Serum-Laktat die häufigste Ursache eienr metabolischen Azidose auf der Intensivstation [20]. Einige Studien weisen daraufhin, dass balanzierte Lösungen mit Pufferkomponenten wie Laktat oder Bikarbonat und niedrigerem Chloridgehalt diesen Effekt vermindern können [15] [19].

Gammahydroxybuttersäure, die für die Behandlung von deliranten Zuständen angewandt wird, geht mit einer hohen Inzidenz von Hypernatriämie und metabolischer Alkalose einher [24]. Viele Antibiotika liegen als Natriumsalze vor und können zu einer Hypernatriämie beitragen.

Eine 56-jährige Patientin wird wegen eines Pankreaskopfkarzinoms operiert. Es wird eine pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie durchgeführt. Acht Tage später wird die Patientin auf die Chirurgische Intensivstation aufgenommen. Die Verluste aus der Magensonde in den ersten 8 Tagen postoperativ betrugen zwischen 2,0 und 4,2 Liter/Tag. Die Verluste über die intraabdominellen Drainagen betrugen ca. 300 ml seröses Sekret pro Tag. Drei Tage vor Verlegung auf die Intensivstation wurde die Magensonde entfernt. Die Patientin hat danach mehrfach erbrochen. Die Patientin wurde bis zur Aufnahme auf die Intensivstation normokalorisch parenteral ernährt und hatte eine tägliche Volumenzufuhr von drei Litern/Tag. Die Patientin hat mehrfach abgeführt. Urinausscheidungsmengen sind nicht dokumentiert. Bei Aufnahme auf die Intensivstation sind folgende Befunde zu erheben: ausgeprägte metabolische Alkalose mit massiv erhöhtem Standardbikarbonat, Hypokaliämie, Exsikkose, Hypoventilation. Chlorid und Natrium im Plasma sind im unteren Normbereich. Es war ein Anstieg des Hämoglobins von 96 g/L auf 129 g/L und ein Anstieg des Hämatokrits von 29 auf 38 % in den Tagen vor Aufnahme auf die Intensivstation zu beobachten.
Wie nähern Sie sich der Ursache dieser Störung und wie behandeln Sie?

Die Exsikkose der Patientin erklärt sich eindeutig aus der Anamnese. Der Patientin wurden lediglich die Magensondenverluste in Form von Infusionslösungen substituiert. Zusätzlich hatte die Patientin aber Flüssigkeitsverluste entsprechend ihrer Urinproduktion, Verluste über die Drainagen, nicht zu vergessen die Perspiratio insensibilis, die 0,75 Liter beim normalgewichtigen Erwachsenen beträgt. Pro Grad Temperaturerhöhung muss von einer Erhöhung der Perspiratio um 1 Liter ausgegangen werden. Die Patientin hatte über 8 Tage eine geschätzte Negativ-Bilanz von mehr als 2 Litern jeden Tag. Bei der Flüssigkeitszufuhr von Patienten ist zum Basalbedarf von 25 ml/kg KG die Substitution der Verluste hinzuzurechnen. Der Anstieg von Hb und Hämatokrit sind Ausdruck der Hämokonzentration bei mangelnder Volumenzufuhr.

Bei Volumenmangel, einer niedrigen glomerulären Filtrationsrate und Kalium- oder Chloridmangel, können die Nieren Bikarbonat nicht adäquat ausscheiden, es resultiert eine metabolische Alkalose. Durch Magensondenverluste bzw. das Erbrechen können Säureäquivalente verloren gehen, wodurch die metabolische Alkalose verstärkt würde. Hypokaliämie entsteht in der metabolischen Alkalose durch Rückverteilung von Kalium nach intrazellulär. Die Hypokaliämie könnte auch partiell medikamenteninduziert sein (Diuretika, Insulin, Laxantien, Mineralokortikoide, Carbenoxolon, Alkalizufuhr, Amphotericin B Gentamycin, Sympathomimetika, Theophyllin) [42]. Kaliumverluste können gastrointestinal (Magensonde, Durchfälle, Stomata) bedingt sein, aber auch renale Verluste sind möglich [34]. Die Hypoventilation stellt bei einer metabolischen Azidose einen Kompensationsmechanismus dar; die schwache Säure CO2 wird weniger abgeatmet.

Therapeutisch muss der Volumenverlust ausgeglichen werden, Kalium substituiert werden. Die Ursache der massiven Magensondenverluste, bzw. des Erbrechens bedarf der Abklärung (Passagehindernis? Magen-Darmatonie?)

Volumenstubstitution mit kristallinen und/oder kolloidalen Lösungen?

Im Vergleich der Volumensubstitution mit kristallinen und kolloidalen Lösungen haben Meta-Analysen bislang nicht zu eindeutigen Empfehlungen geführt [6] [30] [32] [38]. Daher hat sich in den meisten Kliniken die Kombination von kolloidaler und kristalliner Lösung für den Volumenersatz durchgesetzt.

Für die Anwendung von Albumin zur Flüssigkeitssubstitution bei Intensivpatienten (im Vergleich zu physiologischer Kochsalzlösung konnten keine Vorteile für die 28-Tage-Mortalität, Anzahl der Organversagen, Intensiv- und Krankenhausaufenthalt und Beatmungstage gefunden werden [12]. Der Volumeneffekt von Albumin ist - im Gegensatz zum Effekt anderer Kolloide - nicht vorhersagbar und hängt ab vom Blutvolumen, vom Serum-Proteingehalt und von der Kapillarpermeabilität [4]. Albumin- und Gelatine-Präparate (nicht jedoch HES) enthalten nichtvolatile schwache Säuren, was ein Argument gegen die umfangreiche Verwendung dieser Lösungen im hypovolämischen Schock sein könnte. Die klinische Bedeutung dieser Tatsache ist jedoch unklar [26].

Unterschiede in den Kolloiden - HAES - Gelatine - Dextrane - Albumin

Albumin ist ein natürliches Kolloid, während Dextrane, HES und Gelatine halbsynthetische Kolloide sind. Während die Molekülgröße bei Albuminlösungen einheitlich ist (monodispers), haben die anderen Kolloide eine z. T. große Streubreite im Molekulargewicht (polidispers) [15]. Alle halbsynthetischen Kolloide enthalten auch nennenswerte Konzentrationen an Na (143-154 mmol/L), Chlorid (125-154 mmol/L), Polygeline (Heamacel®) auch Kalzium (6,25 mmol/L).. Für HES und Dextrane werden Maximaldosierungen empfohlen, die sich von Präparat zu Präparat unterscheiden und unbedingt zu beachten sind. Die Häufigkeit schwerer allergischer Reaktionen wird für Gelatine-Präparate mit < 0,35 % angeben, für Dextrane mit < 0,28 %, für Albumin mit < 0,1 % und für HES sogar nur mit < 0,06 % [2]. Dextrane sind in Deutschland nicht im Handel.

Welche Bedeutung haben Konzentration, Molekülgröße und Substitution bei der Hydroxyäthylstärke?

Hydroxyaethylstärken (HES) sind definiert durch ihr mittleres Molekulargewicht (MW). Es gibt HES mit hohem MW (450-480 kDa), mittlerem MW (ca. 200 kDa) und niedrigem MW (70-130 kDa). Im Handel sind 6 %- und 10 %-ige Lösungen. Ein höheres MW und höherprozentige Lösungen bedingen eine längere intravenöse Verweildauer, eine stärkere Volumenwirkung, und geringere renale Verluste durch die Nierenglomeruli.

HES mit höherem Molekulargewichten hat stärkere Wirkungen auf die Hämostase mit der Gefahr von stärkeren Blutverlusten. Die Hydroxyäthylsubstitution durch Ethylenoxid wird angegeben als das Verhältnis der substituierten Glukosemoleküle in der Stärke zu den nichtsubstituierten, mit einer Zahl zwischen 0 und 1. Ein höherer Substitutionsgrad geht einher mit einem langsameren Abbau der Stärkemoleküle durch Hydrolyse. Hochmolekulare HES (aber auch hochmolekulare Dextrane) bewirken einen Anstieg der Plasmaviskosität [15].

Für welche Indikationen werden hypoosmolare Lösungen, für welche Indikation hyperosmolare Lösungen gebraucht?

Hypoosmolare Lösungen wie z. B. 5 % Glukoselösung oder 0,45 % NaCl-Lösung dienen der Zufuhr von freiem Wasser, z. B. bei hypertoner Dehydratation. Hypertone Lösungen (600-1 800 mOsm/L) sind für die präklinische Versorung von Patienten mit Verbrennungen und Patienten mit schweren Trauma für die sog. „small volume resuscitation” [22] im Handel. Sie bewirken mit geringen Infusionsvolumina eine relativ große Plasmavolumenexpansion [15].

Welchen Einfluss haben Art und Menge der Volumensubstitution auf die Blutgerinnung und die Inzidenz postoperativer Blutungen?

Zu unterscheiden ist die Verdünnungskoagulopathie mit einer Reduktion der Blutviskosität und Verdünnung von Gerinnungsfaktoren von spezifischen Wirkungen verschiedener Kolloide auf die Hämostase. Der Hämodilutionseffekt ist proportional zur Plasmavolumenexpansion.

Die Wirkung von HES auf die Blutgerinnung besteht in einer verminderten Plättchenfunktion, einem von Willebrand-ähnlichen Syndrom mit Reduktion des vWF und Faktor VIII c. Diese Veränderungen sind auch nach Gelatinelösungen beschrieben, wenn auch in geringerem Ausmaß. Es lässt sich für Gelatinelösungen allerdings nicht belegen, dass diese Veränderungen tatsächlich eine klinische Relevanz haben und mit einem größeren Blutverlust oder postoperativen Nachblutungen einhergehen [8] [15]. Bei hochmolekurer HES sind die negativen Effekte auf die Gerinnung stärker ausgeprägt als bei HES mit mittlerem und niedrigem Molekulargewicht [11]. Bei Beachtung der Dosisbegrenzungen für diese Präparate sind klinische Effekte auf die Gerinnung mit diesen HES-Lösungen nicht zu erwarten [23] [36]. Hochmolekulare Dextrane und Hydroxyäthylstärken erhöhen die Plasmaviskosität. Die Erythrozytenaggregation wird erhöht durch hochmolekulare Dextrane und Gelatinelösungen, während niedrigmolekulare Dextrane und Stärken, sowie auch Albumin die Erythrozytenaggregation und die Plasmaviskosität vermindern [13] [35].

Nennen Sie einige Fakten über den Zusammenhang zwischen Menge der Volumensubstitution und Outcome?

Das Ziel jeder Volumentherapie ist die Aufrechterhaltung (oder Wiederherstellung) ausreichenden intravasalen Volumens für eine suffiziente Gewebsperfusion und -Oxygenierung. Die Messparameter der Endpunkte der Volumensubstitution sind strittig. Der mittlere arterielle Blutdruck, der für eine suffiziente Versorgung wichtiger Organe wie Niere und Gehirn ausreicht, ist individuell unterschiedlich, stellt aber ein basales Ziel der Volumensubstitution dar. Ein gutes und zuverlässiges Zeichen für einen Volumenbedarf - insbesondere bei Patienten im septischen Schock - ist der so genannte „Swing” in der arteriellen Druckkurve, die Puls-Druck-Variation unter Beatmung mit positiven Drücken [25]. Zentraler Venendruck/Pulmonalarterienverschlussdruck, aber auch die Messung des Schlagvolumens geben Hinweise auf das Ausmaß der Volumensubstitution: Fällt unter Flüssigkeitszufuhr das Schlagvolumen ab und steigen ZVD oder Pulmonalarterienverschlussdruck nach Infusion von 200 ml kolloidaler Lösung mehr als 3 mm Hg an, sind dies Hinweise darauf, dass eine weitere Flüssigkeitszufuhr nicht hilfreich ist [15] [39].

Das Ausmaß der perioperativen Volumensubstitution wird auch heute noch kontrovers diskutiert: Während sich das von Shoemaker [21] propagierte Konzept der „supra normal goals” wegen kontroverser Studienergebnisse bei kritisch kranken und septischen Patienten nicht durchsetzen konnte, scheint eine zielorientierte Volumensubstituion vorteilhaft zu sein: In einer Studie zum perioperativen Volumenersatz bei großen abdominalchirurgischen Eingriffen wurde gezeigt, dass eine am Schlagvolumen orientierte Expansion des Plasmavolumens zu einer früheren Normalisierung der Intestinalfunktion, weniger Nausea und Vomiting (PONV) und einer kürzeren Liegedauer im Krankenhaus führt [14] [28].

Die Menge der intraoperativen Volumensubstitution hat bei großen Eingriffen in der kolorektalen Chirurgie einen Einfluss auf die Komplikationsrate: In einer randomisierten klinischen Studie hatten die Patienten mit einer restriktiven intraoperativen Flüssigkeitssubstitution (nur Aufrechterhaltung des präoperativen Gewichts) signifikant weniger postoperative Komplikationen als Patienten mit der Standard-Flüssiggkeitssubstitution (einhergehend mit einer Gewichtszunahme der Patienten während der OP von 3-5 kg) [5].

Die Surviving Sepsis Campaign Guidelines [9] empfehlen dagegen bei der schweren Sepsis und im septischen Schock eine frühzeitige und aggressive Volumensubstitution, die in den ersten 6 Stunden folgende Zielpunkte erreichen sollte: ZVD 8-12 mm Hg, mittlerer arterieller Druck von ≥ 65 mm Hg, Urinproduktion von ≥ 0,5 ml/kg/Stunde und eine zentralvenöse oder gemischt venöse Sättigung von ≥ 70 %. Rivers u. Mitarb. [29] konnten mit ihrer „early goal directed therapy” zeigen, dass diese Therapie mit einer signifikanten Verminderung der Krankenhausmortalität um 16 % einhergeht.

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Internetadressen

Society of Critical Care Medicine: www.SCCM.orgEuropean Society of Intensive Care Medicine: www.ESICM.orgAmerican College of Chest Physicians: www.Chestnet.org

Prof. Dr. Elke Muhl

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