ZFA (Stuttgart) 2006; 82(6): 237
DOI: 10.1055/s-2006-933523
Editorial

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Editorial

Die Bedrohung der allgemeinmedizinischen WeiterbildungEditorialH.-H. Abholz1
  • 1Facharzt für Allgemeinmedizin, Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf
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Publication Date:
20 June 2006 (online)

So etwa muss jemand das Fach sehen, wenn er jetzt Informationen über das Fach sammelt, z. B. zur Entscheidung ansteht, in welche Richtung er sich weiterbilden will. Denn trotz allen Geredes aus Politik und Ärzteschaft, Verbesserung im Außenbild der Allgemeinmedizin, mehr Akzeptanz des Faches, höhere Präsenz an der Universität etc. fehlt es am einfachsten, nämlich Weiterbildungsplätzen. Und dies ist inzwischen wesentlich auch Ergebnis von ja schon bekanntem Missmanagement, an dem die Allgemeinärzteschaft auch beteiligt ist.

Die Missorganisation des Deutschen Gesundheitswesen und ihrer Selbstverwaltung hat es geschafft, eine verabschiedete Weiterbildungsordnung über fast zwei Jahre nicht zu realisieren - und damit sicherlich einen der entscheidenden Schläge gegen das Fach ausgeholt: Wer an ernsthaften Medizinern zum Schluss des Studiums kann hier noch hin wollen - bei einem so umstrittenem und so ohnmächtigen Fach?

Nun erreichte mich die Nachricht über eine weitere und wahrscheinlich für die nächsten Jahre das Fach an der Wurzel bedrohenden Entwicklung: In einem - dann noch durch einen Allgemeinmediziner geführten - KV-Bezirk wurde den Weiterzubildenden als auch den Weiterbildern mitgeteilt, dass es in 2006 keine Fördergelder mehr für das Fach gebe - diese seien schon durch Mehrausgaben in 2004 und 2005 verbraucht.

Man hat also Weiterbilder und Weiterzubildende in die Falle laufen lassen, Arbeitsverträge schließen lassen, Kündigungen in festen Arbeitsstellen vornehmen lassen, um dann kurzfristig diese Mitteilung zu machen. Ein Teil von ihnen hat schon seit Januar des Jahres gearbeitet. Man hat damit eine Gruppe von Weiterzubildenden und Weiterbildern entstehen lassen, die den Umgang mit ihnen als „mal wieder typisch KV” erleben werden. Der Hass auf dieses System, aber auch die Allgemeinmedizin kann besser nicht gefördert werden.

Aber nicht genug damit: Es geht gar nicht um eine KV. Im Zusammenhang mit der geschilderten Situation wurde in mehreren KVen erkundet, warum dort dieses Problem nicht auftauche. Die Antwort: Es sei ja „nie richtig”, „nie so voll” gefördert worden, sondern z. B. nur per Los jeder Zweite und dann auch nur für die Hälfte der Zeit. Andere Auskünfte: Im Mai war das Geld immer zu Ende, dann wurden keine Stellen mehr gefördert.

Es stellte sich also heraus, dass von niemandem als Problem benannt, die Zahl der Weiterbildungsstellen faktisch niedrig gehalten wurde. Denn bei der angespannten Finanzlage (insbesondere in der hausärztlichen Versorgung mit zudem teilweise auch Patientenzahlen-Budget) ist kein Hausarzt mehr bereit, ohne eine Fördersumme Weiterbildung zu betreiben.

Wer kann ernsthaft in ein solches Fach wollen, in dem alles, zu jeder Zeit und unvorhergesehen für ihn schief laufen kann? Selbst wenn jetzt kurzfristige Reparaturen am Problem möglich wären, so gibt es nur eine akzeptable Lösung: Der Staat muss entweder für die Zukunft die Finanzierung der Weiterbildung übernehmen oder durch die Kassen finanzieren lassen; wobei Bedarfszahlen zu fixieren wären. Dies wäre so wie es ja faktisch bei Weiterbildungsstellen in den Kliniken für die anderen Fächer immer geschieht.

Man muss nur den Mut haben, dazu zu stehen, was man eigentlich will, und dann das tun, was dazu gehört. Aber vielleicht will man ja die Allgemeinmedizin nicht wirklich.

Ihr Harald Abholz

Prof. Dr. med. H.-H. Abholz

Abteilung für Allgemeinmedizin · Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

Email: abholz@med.uni-duesseldorf.de

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