Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2006; 38(2): 66-67
DOI: 10.1055/s-2006-932351
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Kontroversen in der Behandlung des Prostatakarzinoms

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Juli 2006 (online)

Die Tatsache, dass bei Autopsien 40-jähriger Männer in 10 %, bei 50-jährigen in 16 %, bei 60-jährigen in 20 %, bei 70-jährigen in 37 % und bei 80-jährigen in 60 % „Prostatakrebs” nachgewiesen wird, deutet darauf hin, dass der pathologische Begriff „Prostatakrebs” zunächst lediglich ein phänomelogischer ist und somit relativ. Anhand von anderweitig gewonnenen Prostatapräparaten, z.B. bei der chirurgischen Entfernung der Harnblase, fand man bei Männern mittleren Alters in bis zu 86 % das Karzinom begrenzt auf die Prostata ohne irgendwelche Metastasen. Im Durchschnitt ist bei fast 40 % aller verstorbenen Männer mit medizinisch und symptomatologisch unverdächtiger Prostata mit einem Prostatakarzinom zu rechnen, lokalisiert, ohne Befall der Lymphknoten (Brown 1995).

Diese hohe Häufigkeit klinisch nicht auffallender Prostatakarzinome weist auf die Schwierigkeit hin, Prostatakrebs mit Screening-Programmen zu erkennen oder durch die zusätzliche Applikation von potenzfördernden männlichen Hormonen (Testosteron) den Patienten zu substituieren und dabei ggf. das bereits vorhandene maligne Potenzial zu aktivieren. Dieses „schlafende” latente Prostatakarzinom findet sich in über 65 % innerhalb der Prostata multifokal, ohne dass sich aus dieser auf die Prostata begrenzenden örtlichen Streuung eine Aggressivität und damit Prognoseverschlechterung ableiten ließe. Während das klinische Prostatakarzinom durch Aufklärung, Screeningmethoden und insbesondere Einführung des PSA-Wertes zugenommen hat, hat das latente „schlafende” Prostatakarzinom nicht zugenommen (Scott 1969). Somit ergibt sich, dass das Prostatakarzinom der Tumor mit der so genannten höchsten Prävalenz darstellt, d.h. er ist bereits inaktiv latent vorhanden, aber nur 20 bis 30 % aller so genannten „Prostatakarzinome” werden im Laufe des weiteren Lebens behandlungsbedürftig werden.

Prof. Dr. med. Karl Friedrich Klippel

Klinik für Urologie, Kinderurologie und
Andrologie, Allgemeines Krankenhaus Celle

Siemensplatz 4

29223 Celle

URL: http://www.akh-celle.de

(Literatur kann beim Autor angefordert werden)

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