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DOI: 10.1055/s-2006-932317
Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
Gesundheitserziehung ist genau so wichtig wie lesen, schreiben und rechnen zu lernen
Prävention bei KrebsPublication History
Publication Date:
12 April 2006 (online)

Studium der Veterinärmedizin und Humanmedizin in Berlin, zahlreiche Auslandsaufenthalte und Gastprofessuren, seit 1987 Univ.-Professor für Immunologie und Experimentelle Onkologie/Chirurgie der Universität Witten/Herdecke, Forschungsschwerpunkte: Biochemie, Immunologie.
DZO:
Welche Maßnahmen eignen sich Ihrer Ansicht nach am besten zur Krebsprävention?
Prof. Zänker:
Die so genannte primäre Prävention richtet sich auf die drei großen Risikofaktoren Tabak, Ernährung und Lebensstil. Nicht zu rauchen ist die wichtigste Maßnahme, um einer Krebserkrankung vorzubeugen. Hinsichtlich der Ernährung ist nicht nur die Verwendung hochwertiger, fett- und kalorienarmer Lebensmittel von Bedeutung, sondern auch eine angepasste Bewegungsaktivität, um eine ausgeglichene Kalorienbilanz zu erzielen. Übergewicht, Hyperinsulinämie, Insulinresistenz und eventuell Diabetes Typ II erhöhen das Krebsrisiko und müssen auf einer diätetischen Ebene vermieden werden [1]. Was den Lebensstil betrifft, müssen permanente Schlafdefizite abgebaut und ein übermäßiger Alkoholkonsum eingeschränkt werden. Berufliche Exposition mit karzinogenen Stoffen, besondere Schadstoffbelastungen aus der Umwelt und natürliche oder künstliche UV-Bestrahlung müssen als Risikofaktoren betrachtet und sollten deshalb ebenfalls eingeschränkt werden. Hepatitis-B- und -C-Infektionen in Hinblick auf Leberkrebs und Papillomavirusinfektionen im Hinblick auf Tumore im Anogenitalbereich sollten immer mit dem Arzt besprochen und sorgfältig diagnostisch begleitet werden. Gleiches gilt für eine Eradikation des Helicobacter pylori mit dem Ziel, das Risiko eines Magenkarzinoms zu senken. Gastrale Refluxerkrankungen sollten unbedingt abschließend, z.B. chirurgisch, behandelt werden, um das Risiko eines Ösophaguskarzinoms zu minimieren. Eine postmenopausale Östrogenersatztherapie sollte nur unter strenger Indikation und Kontrolle begonnen und durchgeführt werden.
DZO:
Wie kann eine flächendeckende Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema Gesundheitsvorsorge erreicht werden? Ist es nicht ratsam, bereits im Kindesalter zu beginnen?
Prof. Zänker:
Wie die Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchungen zeigt, ist es äußerst schwer, die Bevölkerung für das Thema Gesundheitsvorsorge zu aktivieren. Es herrscht vor allem die psychologische Ansicht vor, „mich trifft es nicht, es trifft immer den Anderen”. Zudem ist Gesundheitsvorsorge noch kein ökonomisch lukratives Feld für die Pharmaindustrie. Außerdem tragen gesetzliches sowie behördlich missverstandenes Schutzempfinden für den mündigen Bürger das Ihrige dazu bei, dass Gesundheitsvorsorge nur einem kleinen Kreis intellektueller Personen das besondere Anliegen ist. Wie die Erfahrung lehrt, ist die Politik nicht nachhaltig aktiv, Gesundheitsvorsorge zu betreiben und in das Gesundheitswesen zu implementieren - es könnte sich ja das soziodemographische Spektrum mit all seinen Folgen noch mehr verschlechtern, wofür keine Lösungen anzubieten sind.
Es ist richtig, Gesundheitserziehung ist genau so wichtig (gleich trivial) wie lesen, schreiben und rechnen zu erlernen. Es ist das gesundheitspolitische Versäumnis, Gesundheitserziehung nicht hinreichend in den Lehrplänen der Grund- und weiterführenden Schulen verankert zu haben.
DZO:
Gibt es groß angelegte Studien, die den Nutzen von Präventionsmaßnahmen bei Krebs unterstreichen?
Prof. Zänker:
Ja, es gibt viele Studien, die derzeit noch laufen und vor allem Einzelsubstanzen (z.B. sog. NSAID, das heißt non-steroidal-anti-inflammatory substances, Vitamin E, D, Folsäure, Polyphenole, Retinoide, Isothiozyanate, Oltipraz) hinsichtlich einer chemopräventiven Wirksamkeit prüfen; die Ergebnisse werden wir aber erst in einigen Jahren erwarten dürfen.
DZO:
In den letzten Monaten las man immer wieder in der Presse, dass sich die Erwartungen, durch Verzehr von Obst und Gemüse das Erkrankungsrisiko von Tumoren senken zu können, nicht erfüllt haben. Diese Schlussfolgerung wurde aufgrund der Ergebnisse neuerer prospektiver Studien getroffen. Was soll man als Hausarzt seinen Patienten diesbezüglich nun empfehlen?
Prof. Zänker:
Ja, das ist richtig; die Studienergebnisse, auch im übrigen für den Verzehr von Ballaststoffen und der Risikominderung an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, sind, was die kollektiven Bewertungen angehen, enttäuschend ausgegangen. Die methodischen Diskussionen dazu sind noch nicht abgeschlossen und können hier nicht in aller Vielfalt erörtert werden. Dennoch, für die Praxis bleibt bestehen, dass auf einer individuellen Basis immer noch der Verzehr von genügend Obst und Gemüse - möglichst frisch - täglich sehr nachhaltig zu empfehlen ist. Die Empfehlungen der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe sind deshalb nicht obsolet.
DZO:
Welche Bedeutung messen Sie der so genannten sekundären Prävention bei, d.h. Maßnahmen zur Vorbeugung, die angewandt werden, wenn bereits eine Krebserkrankung vorliegt? Welche Möglichkeiten zur sekundären Prävention können dem Patienten empfohlen werden?
Prof. Zänker:
In der Sekundärprävention haben wir es mit einer anderen Ausgangslage zu tun; hier müssen wir verhindern, dass „high-risk” Personen an einem Tumor erkranken oder schon Erkrankte ein Rezidiv, einen Zweittumor oder Metastasen (so genannte tertiäre Prävention) bekommen werden. Die Patienten sind meist sehr aufgeklärt und zeigen eine hohe Compliance für jede Art von Therapie, wobei sich gerade deshalb viele sozio-psychologische, sozio-ökonomische und ethische Fragen daraus ergeben. Ich möchte hier wegen der großen Problematik auf die ausführlichen Abhandlungen von Zänker/Becker/v. Karsa im Kompendium Internistische Onkologie hinweisen [2]. Die internationale Datenlage zu Inhaltsstoffen des grünen Tees ist aber mittlerweile, auch klinisch, so überzeugend, dass gerade dieser zur Sekundärprävention unstrittig, was die scientific community angeht, und behördlich uneingeschränkt für bestimmte Tumorentitäten (Brust, Prostata) eingesetzt werden kann.
DZO:
Wie schätzen Sie die immer wieder aufflammende Diskussion um Vitamine und Spurenelemente ein? Kann mit der Einnahme von bestimmten Substanzen dem Entstehen von Krebserkrankungen vorgebeugt werden?
Prof. Zänker:
In der Tat haben die kriminellen Machenschaften einer Hochdosis Vitamintherapie der wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Diskussion um Vitamine und Spurenelemente im Krebsgeschehen nachhaltig geschadet. EU-Richtlinien, Umsetzung in nationales Recht und die daraus abzuleitenden Unstimmigkeiten werden noch mehr zur Verunsicherung beitragen. Die Datenlage weist aber darauf hin, dass vor allem die Vitamine D und E sowie Selen eine bestimmte protektive Wirkung haben, vor allem dann, wenn bei dem Patienten vermutet werden muss, dass er einen insuffizienten Status hinsichtlich dieser Stoffklassen hat. In der Tat hängt die Versorgung der Bevölkerung mit diesen Stoffen von geographischen Gegebenheiten ab.
DZO:
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?
Prof. Zänker:
Sich in den Mühen und Mühlen des Alltags die Lebensfreude nicht dauernd einschränken oder nehmen zu lassen, seinen Ärger auch adäquat zu äußern, auf Ernährung und Gewicht zu achten und sonst Gottvertrauen zu haben.
DZO:
Herr Prof. Zänker, vielen Dank für das Gespräch.
Literatur
- 01 Zänker K S, Erxleben-Neis J, Gottschalk G, Schweig N. Diabetes Typ 2 mellitus und Krebs. Deutsche Zeitschrift für Onkologie. 2005; 37 114-119
- 02 Zänker K S, Becker N, Becker N, Karsa Lv. Primäre Prävention; Sekundäre Prävention (Krebsfrüherkennung). In: Schmoll HJ, Höffken K, Possinger K, (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie. 4. Aufl. Heidelberg; Springer 2006: 279ff; 307ff
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Dr. Kurt S. Zänker
Facharzt für Biochemie
Institut für Immunologie
Universität Witten/Herdecke
Stockumerstraße 10
58448 Witten