Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2006; 50(1): 28-39
DOI: 10.1055/s-2006-932294
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Erfahrungen mit der homöopathischen Arznei Staphisagria - Teil 2[9]

Christoph Thomas
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Publication Date:
16 February 2006 (online)

Zusammenfassung

Die Arznei Staphisagria hat einen weit größeren Wirkungsumfang als bislang landläufig angenommen. Ein Studium der Fachliteratur ergibt, dass eine Reihe von Erfahrungen, die ich mit dieser Arznei in meiner Praxis gemacht habe, bereits beschrieben, aber bislang kaum rezipiert worden sind. Diese und meine Erfahrungen bestätigen sich gegenseitig. Es werden Rubriken des Kent'schen Repertoriums benannt, bei denen ich nach meiner derzeitigen Erfahrung davon ausgehe, dass Staphisagria nachgetragen bzw. in der Wertigkeit höher eingestuft werden kann.

Summary

Staphisagria has a far wider range of action than hitherto assumed. A study of our literature revealed that several experiences of my own practice have already been described but hardly yet acknowledged. Those other and my own experiences confirm each other.

Rubrics in KentŽs Repertory are cited to which I assume, following my current experience, that Staphisagria can be added or upgraded.

09 Dem Andenken meines geliebten Biologielehrers am Karls-Gymnasium in Stuttgart, Dr. Dietmar Aichele (1928-1996) gewidmet, der mich gelehrt hat, die Liebe zur Natur mit der Freude an wissenschaftlichem Denken und Arbeiten zu verbinden. Aichele ist Autor zahlreicher Werke zur Pflanzenbestimmung, erschienen im Kosmos-Verlag, Stuttgart, u.a. von dem in hoher Auflage erschienenem Werk „Was blüht denn da?” und einer wunderschönen fünfbändigen Flora der Blütenpflanzen Mitteleuropas.

Anmerkungen

Die Anmerkungen 1-8 finden sich im 1. Teil dieses Erfahrungsberichtes. [[39]]

09 Dem Andenken meines geliebten Biologielehrers am Karls-Gymnasium in Stuttgart, Dr. Dietmar Aichele (1928-1996) gewidmet, der mich gelehrt hat, die Liebe zur Natur mit der Freude an wissenschaftlichem Denken und Arbeiten zu verbinden. Aichele ist Autor zahlreicher Werke zur Pflanzenbestimmung, erschienen im Kosmos-Verlag, Stuttgart, u.a. von dem in hoher Auflage erschienenem Werk „Was blüht denn da?” und einer wunderschönen fünfbändigen Flora der Blütenpflanzen Mitteleuropas.

10 Diese treffende Beschreibung des dekompensierten Stadiums von Staphisagria ist in [2] nicht genau aus dem Französischen übersetzt, weshalb ich die vorliegende Rückübersetzung dieses Zitats von Mezger anbiete. Laut Böttger spricht Mezger allerdings von der „großen Hilflosigkeit gegenüber emotionellen Forderungen” bei Staphisagria. Keines dieser beiden Zitate habe ich jedoch in Mezgers Arzneimittellehre gefunden. Kennt vielleicht jemand unter den Lesern die genaue Herkunft dieser Zitate?

11 Das Hierarchisationsschema Künzlis lautet:

  • Auffallende, sonderliche, eigenheitliche Zeichen und Symptome im Sinne von Paragraph 153 „Organon”,

  • gut beobachtete Geistes- und Gemütssymptome,

  • Allgemeinsymptome,

  • eine eventuelle Ursache, falls eine solche vorhanden ist,

  • Lokalsymptome.

  • Dabei ist wichtig, dass, wenn einzelne Symptome aus den Kategorien II-V entsprechend auffallend sind, sie ebenfalls zur Kategorie I gehören.

12 Diejenigen Zeichen und Symptome, die sich Künzli bei der Arzneimittelwahl als besonders wertvoll bewährt haben, hat er teils mit seinen „roten” bzw. „schwarzen Punkten” in „Kent's Repertorium Generale” [12] schriftlich mitgeteilt, teils aber auch nur mündlich in seinen Seminaren, Vorlesungen und Supervisionen.

13 Die systematische Erforschung meiner Patienten unter der Fragestellung, ob Staphisagria ihr Heilmittel sein könnte, habe ich Mitte des Jahres 2000 begonnen, und seit Anfang 2004 verschreibe ich diese Arznei in zahlenmäßig großem Umfang und mit durchschlagendem Erfolg - auch bei schweren Akuterkrankungen. Darüber hinaus beruht meine Erfahrung auf dem Fundus mehrerer hundert seit 1986 behandelter Fälle, bei denen ich nach meinem heutigen Wissen davon ausgehe, dass ich bei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit Staphisagria verpasst habe. Die konkrete Symptomatik dieser gescheiterten Fälle gibt mir wichtige Anhaltspunkte für die Diagnostik von Staphisagria.

14 Die folgende Auflistung ist eine auszugsweise Wiedergabe von diagnostischen Hilfen, die ich seit Anfang 2004 zur eigenen Verwendung erstellt habe. Diese Angaben speisen sich aus folgenden vier Quellen:

  • Symptome und Erkrankungen, die durch unpassende Mittelgaben hervorgerufen und anschließend durch Staphisagria geheilt wurden. Diese Beobachtungen wurden am höchsten bewertet.

  • Symptome und Erkrankungen von Patienten, bei denen ich nach dem Behandlungsresultat davon ausgehe, dass Staphisagria ihr Simillimum ist. Nachdem die meisten meiner Fälle noch keine vierjährige Behandlungsdauer unter dieser Arznei erreicht haben, wurden hilfsweise auch zahlreiche Fälle mitberücksichtigt, die ein klar positives Resultat unter zweimaliger Gabe der Potenzstufe CM aufweisen.

  • Schwere Akuterkrankungen aus der Anamnese von Patienten. Bei vielen Akutfällen handelt es sich um keine echten Akuterkrankungen, sondern um akute Exazerbationen der chronischen Krankheit. Bei einem sehr guten Ansprechen eines Patienten auf Staphisagria gehe ich bei bestimmten früheren Akuterkrankungen davon aus, dass wahrscheinlich auch sie dieser chronischen Arznei bedurft hätten.

  • Symptome und Erkrankungen von Patienten mit dem dringenden Verdacht, dass ich bei ihnen Staphisagria verpasst habe. Auch wenn mir diese Verdachtsfälle bei der Diagnostik dieser Arznei sehr hilfreich sind, wurden sie hier fast nur zum Zwecke der Bestätigung herangezogen.

15 Viele Nachträge in der „Millenium-Auflage” des „Complete Repertory” überzeugen mich nicht, so dass ich die Erstauflage bevorzuge.

16 „Herpes circinatus” bezeichnet ring- und kreisförmige Hautausschläge und hat mit einer Infektion durch Herpesviren nichts zu tun.

17 Persönliche Mitteilung

18 Bislang habe ich drei Patienten mit schweren Folgezuständen von Tuberkulose behandelt, darunter einen jungen Mann mit einer aktiven Knochentuberkulose und eine ältere Patientin mit einer ausgeprägten Mesenterialtuberkulose in der Vorgeschichte. Keinem von ihnen habe ich helfen können, weil ich, wie ich heute annehme, wahrscheinlich in allen drei Fällen Staphisagria verpasst habe.

19 Erwähnt sei, dass Staphisagria bei mir in zwei Fällen von multipler Sklerose versagt hat, in denen ich große Hoffnung auf diese Arznei gesetzt hatte, weil das Gemütsbild demjenigen von Staphisagria entsprochen hat. Dieselbe Erfahrung beschreibt Morrison in seiner Arzneimittellehre [14] unter Lathyrus sativus.

20 „Topalgie” bezeichnet eine punktförmige Schmerzempfindung ohne organisches Korrelat.

Literatur

Die Literaturangaben [1]-[19] finden sich im 1. Teil dieses Erfahrungsberichtes [[39]].

  • 20 Barbancey J N. Staphysagria in Psychiatry. Proceedings. 42nd Congress of the International Homoeopathic Medical League. Arlington/ Virginia, USA; 1987: 128-132
  • 21 Barthel H. Synthetisches Repertorium. Band I: Gemütssymptome. 2. Auflage. Heidelberg; Haug 1973
  • 22 Barthel H. Repertorium der Charakteristika. 2. Auflage. Berg; Barthel & Barthel; 1993: 119
  • 23 Bauer J. Warum ich fühle, was Du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. 6. Auflage Hamburg; Hoffmann & Kampe 2005: 135
  • 24 Beard G M. Neurasthenia or Nervous Exhaustion.  Boston: Medical & Surgical Journal. 1869;  Zit. nach Brockhaus [30] 
  • 25 Beard G M. American Nervousness, its Causes and Consequences. New York; 1881 Zit. nach Freud [33]
  • 26 Beard G M. Sexual Neurasthenia (Nervous Exhaustion), its Hygiene, Causes, Symptoms and Treatment. New York; 1884 Zit. nach Freud [33]
  • 27 Binswanger O. Die Pathologie und Therapie der Neurasthenie. Jena; G. Fischer 1896 Zit. nach Kraepelin [37]
  • 28 Bleuler E. Lehrbuch der Psychiatrie. 6. Auflage Berlin; Springer 1937: 380
  • 29 Bleuler E. Lehrbuch der Psychiatrie. 14. Auflage. Neubearbeitet von Manfred Bleuler. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1979: 520
  • 30 Brockhaus Enzyklopädie. 17. Auflage, 13. Band Wiesbaden; F.A. Brockhaus 1971: 353
  • 31 Clarke J H. A Dictionary of Practical Materia Medica. Bd. III. Reprint. New Delhi; Jain 1984: 1252
  • 32 Delius L. Psychovegetative Syndrome. Jena; Thieme 1966
  • 33 Freud S. Über die Berechtigung, von der Neurasthenie einen bestimmten Symptomenkomplex als „Angstneurose” abzutrennen (1895/1896). In: Studienausgabe, Band 6 Frankfurt/Main; S. Fischer 1971: 25-49
  • 34 Hadulla M M, Richter O. Die homöopathischen Arzneien. Bd. II Uelzen; ML-Verlag 2002: 165-194
  • 35 Haring C, Leikert K H. Wörterbuch der Psychiatrie und ihrer Grenzgebiete. Stuttgart, New York; Schattauer 1968: 400
  • 36 Kishore J. Comparison of Staphysagria and Colocynthis with special reference to Psychosomatic Conditions. Proceedings. 42nd Congress of the International Homoeopathic Medical League. Arlington/Virginia, USA; 1987: 112-127
  • 37 Kraepelin E. Psychiatrie. Ein Lehrbuch. 8. Auflage, IV. Band, III. Teil, („Die nervöse Erschöpfung”) und 1782-1823 („Die Nervosität”) Leipzig; Ambrosius Barth 1915: 1400-1416
  • 38 Stauffer K. Klinische homöopathische Arzneimittellehre. Bearbeitet von Martin Schlegel. Regensburg; Sonntag 1988: 615
  • 39 Thomas C. Erfahrungen mit der homöopathischen Arznei Staphisagria.  ZKH. 2005;  49 125-137
  • 40 Zandvoort Rv. The Complete Repertory. Leidschendam; 1994-1996

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Christoph Thomas

Raiffeisenstr. 1

78465 Konstanz

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