Aktuelle Dermatologie 2006; 32(6): 243-248
DOI: 10.1055/s-2006-925299
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Konfrontation mit der Diagnose „Melanom”

Ergebnisse einer Fragebogenstudie zur Zufriedenheit der Betroffenen mit dem Arzt-Patient-DialogConfrontation with the Diagnosis Melanoma: Results of a Questionnaire Study on Patients Satisfaction with the Doctor-Patient DialogueJ.  Bahmer1 , F.  A.  Bahmer2
  • 1Graduiertenkolleg „Integrative Kompetenz und Wohlbefinden”, Fachbereich Psychologie, Universität Osnabrück (Leiter: Prof. Dr. J. Kuhl)
  • 2Dermatologische Klinik, Klinikum Bremen-Mitte, Bremen (Direktor: Prof. Dr. med. F. A. Bahmer)
Professor Hans-Otto Zaun (Homburg) zum 75. Geburtstag gewidmet
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Prof. Dr. med. Friedrich A. Bahmer

Klinikum Bremen-Mitte · Dermatologische Klinik

28203 Bremen ·

Email: fbahmer@t-online.de

Publication History

Publication Date:
19 May 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Das Melanom hat in den letzten Jahrzehnten stark an Häufigkeit zugenommen. Dermatologen in Klinik und Praxis sehen deshalb immer häufiger Patienten, die über die Diagnose „Melanom” aufgeklärt und über Jahre hinweg ärztlich begleitet werden müssen.

Im Rahmen einer Fragebogenuntersuchung an 47 Patientinnen und Patienten sollte deren Zufriedenheit mit der Erstaufklärung über ihre Erkrankung erhoben werden. Weitere Variablen waren der zeitliche Umfang des Aufklärungsgespräches, die Verständlichkeit der Ausführungen sowie Art und Umfang der Informationen, die dem Patienten angeboten wurden. Es zeigte sich ein heterogenes Bild bezüglich der Betroffenheit der Patienten über die Diagnose sowie über die Zufriedenheit mit dem Gespräch und der Gesprächsatmosphäre. Aus der Untersuchung ergeben sich deutliche Hinweise auf die Notwendigkeit, ärztliche Kommunikationsfähigkeiten besser zu schulen.

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Abstract

Melanoma of the skin has become an increasingly common tumour. Thus, dermatologists are confronted more often with patients whom they have to inform on the diagnosis and whom they have to accompany throughout the course of their disease. By means of a questionnaire survey comprising 47 patients with melanoma, we tried to find out details on the doctor-patient communication during the first visit. Other questions comprised duration of the informal dialogue, type, kind and comprehensibility of information given. There were large differences concerning the duration of the first conversation about the disease, the amount of dismay after being confronted with the diagnosis, with the type of communication, as well as with the devotion of the doctor communicating. In summary, our investigation points to a need to train communicating skills of doctors by means of seminars or other methods.

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Einleitung

Dermatologen in Klinik und Praxis sehen sich immer häufiger damit konfrontiert, Patienten über diese möglicherweise lebensbedrohliche Hautkrebserkrankung aufklären zu müssen. Diese Aufklärung setzt Grundkenntnisse der Kommunikation voraus, da es sich bei der Übermittlung der Diagnose um einen „Wissenstransfer” vom Arzt zum Patienten, vom Fachmann zum Laien, handelt [9] [16].

Bei vielen Laien und bei manchen Ärzten gilt das Melanom als besonders bösartige Tumorform, obwohl diese Annahme nicht zutrifft, überleben doch etwa 85 % der am Melanom Erkrankten. Trotzdem ist die Diagnose „Schwarzer Krebs” für die Betroffenen emotional sehr belastend, stellt diese doch einen bedrohlichen Einschnitt in das Leben dar, konfrontiert jeden Menschen mit der eigenen Verletzlichkeit und macht die eigene Sterblichkeit plötzlich bewusst.

Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass die seelische Gesundheit für den Verlauf der Erkrankung von besonderer Bedeutung ist [13]. Die Mechanismen („coping”) der Krankheitsverarbeitung sind dabei abhängig von Informationen über die Erkrankung, deren Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten.

Hier wird die Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung für den therapeutischen Prozess deutlich, beeinflusst doch der behandelnde Arzt mit seiner Kommunikation die Mitarbeit des Patienten und dessen Bereitschaft, gegen die Erkrankung anzugehen. Dermatologinnen und Dermatologen werden deshalb zunehmend in ihren Kommunikationsfähigkeiten gefordert, müssen sie doch die Diagnose Laien verständlich machen, neue Diagnose- und Therapieformen darstellen, Internet- und Medieninformationen kommentieren, weitere Expertenmeinungen einholen, die Angehörigen des Patienten informieren und begleiten und dabei in empathischer Weise auf die Fragen des Patienten eingehen. Diese Anforderungen an die ärztliche Kommunikationskompetenz haben sich noch durch gesellschaftliche Veränderungen hin zum „informierten Patienten”, der verständliche Informationen fordert, stark erhöht [16].

Mehrere Arbeitsgruppen in den USA und Europa haben sich in den vergangenen Jahren mit dem Nutzen von Fortbildungsmaßnahmen zur Förderung der Arzt-Patient-Kommunikation beschäftigt [6] [11]. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Training in effektiver Kommunikation zu einer Notwendigkeit geworden ist, um empathisch und effizient mit dem Patienten zu kommunizieren. Ärzte fühlen sich jedoch nicht selten unter Druck gesetzt, gerade weil der Wert eines Kommunikationstrainings wissenschaftlich nachgewiesen ist.

Eine „erfolgreiche” Kommunikation sollte sich in erster Linie an den Wünschen und den Fragen der Patienten orientieren. Zu den wohl wichtigsten Aufgaben des behandelnden Arztes gehört es, Erwartungen des Patienten wahrzunehmen [4] [16]. Der Begriff „Erwartung” hat dabei zwei Aspekte. Einerseits bezieht er sich auf die Erwartung des Patienten bezüglich des Behandlungsverlaufes, andererseits kann er einen Wunsch bezüglich des Verhaltens des Arztes ausdrücken.

Über die Erwartungen der an Hautkrebs Erkrankten existieren bisher keine Studien, obwohl die Literatur über die Aufklärung von Patienten mit Krebserkrankungen recht umfangreich ist [8]. Eine Studie von Söllner et al. aus dem Jahr 1996 gibt Hinweise darauf, dass sich Patienten mit Melanom mehrheitlich häufigere, unterstützende Gespräche mit dem behandelnden Dermatologen wünschen [14]. Auch eine unterstützende psychotherapeutische Begleitung wurde in dieser Untersuchung von etwa 20 % der Untersuchten gewünscht [14].

Das Erleben der Melanompatienten während und nach der Erstaufklärung war bisher ebenfalls selten Gegenstand der psychodermatologischen Forschung. In den 1980er Jahren wurde die Frage nach der Krankheitsbewältigung im Rahmen einer psychiatrischen Studie aufgegriffen [13]. In einem Interview wurden die Melanompatienten nach den Emotionen in Folge der Erstkonfrontation mit der Diagnose „Melanom” befragt. Die Mehrheit berichtete von Irritation, Verzweiflung, Angst und Depression, auch fühlten sich die meisten Betroffenen noch lange Zeit nach dem Aufklärungsgespräch bedrückter als zuvor. Nur eine kleine Gruppe machte bagatellisierende Äußerungen, von den Autoren als Zeichen für eine Abwehr emotionaler Betroffenheit gewertet.

In einem Punkt sind sich alle Autoren einig: Bei der Diagnose „Malignes Melanom” handelt es sich um einen immensen Stressor, ein Ereignis, welches das weitere Leben sowie das emotionale Gleichgewicht des Betroffenen stark beeinflusst. Die Nachsorge des Melanompatienten sollte deshalb nach Reimer et al. sowohl die Vermittlung von Hoffnung als auch die Bearbeitung individueller Ängste einschließen und den Patienten in allen Stadien seiner Erkrankung begleiten [13].

Da bisherige Veröffentlichungen auf die Affektivität des Patienten, seine Krankheitsverarbeitungskompetenz oder die psychosoziale Unterstützung fokussieren, war das Ziel der vorliegenden Untersuchung, die Zufriedenheit der Melanompatienten mit dem Erstaufklärungsgespräch und der Art und Weise der Konfrontation mit der Diagnose zu evaluieren.

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Material und Methoden

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Patienten

In die Studie aufgenommen wurden 54 Patientinnen und Patienten, bei denen zwischen April 1999 und Dezember 2000 bereits vor der Einweisung zur stationären Behandlung in die Hautklinik des Klinikums Bremen-Mitte ein Melanom exzidiert worden war. Einschlusskriterium war, dass weder die Exzision des Primärtumors noch die erste Aufklärung in der Hautklinik Bremen erfolgt waren. Die Patienten wurden gebeten, einen Fragebogen zu Art und Inhalt des Aufklärungsgespräches auszufüllen. Von 54 angesprochenen Patientinnen und Patienten erklärten sich 47 schriftlich mit der Teilnahme an der Untersuchung einverstanden, sechs Patienten verweigerten die Teilnahme mit der Begründung, sie hätten zu wenig Zeit oder kein Interesse an psychologischen Fragestellungen.

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Methoden

Der strukturierte Fragebogen zum Erstaufklärungsgespräch (Tab. [1]) wurde von den Autoren nach den Kriterien der klassischen Fragebogenkonstruktion [12] konzipiert. Aus Gründen des Datenschutzes wurden keine personenbezogenen Daten erhoben. Die Fragebögen wurden auch nicht durch die Autoren verteilt, so dass aus den Antworten kein Rückschluss auf die Patienten möglich war und die Antworten der Patienten möglichst frei von Versuchsleitereffekten gehalten werden konnten.

Die Daten wurden mittels deskriptiv-statistischer Verfahren und, wegen der geringen Fallzahl, mittels nicht-parametrischer, verteilungsfreier Tests mit Hilfe von SPSS 12 (SPSS Inc.) auf einem Personalcomputer ausgewertet [1].

Tab. 1 Fragebogen zur Erstaufklärung bei Melanom
1. Wer hat Sie über das Ergebnis der Untersuchung informiert bzw. Ihnen die Diagnose mitgeteilt? (Hausarzt, Hautarzt, sonst. Arzt, andere Person)
2. In welcher Situation erfolgte die Information? (Praxis, bei Ihnen zu Hause, telefonisch)
3. Wie empfanden Sie das Erstgespräch? (angenehm, unangenehm, unentschieden)
4. Wie stark fühlten Sie sich durch die Diagnose betroffen? (extrem, stark, mäßig, etwas, nicht, weiß nicht)
5. Falls Sie extrem, stark, mäßig oder etwas betroffen waren, konnten Sie dem weiteren Gespräch noch folgen? (gut, nicht mehr ganz, gar nicht mehr)
6. Wieviel Zeit hat sich der Arzt oder die Ärztin nach Ihrem Empfinden für das Gespräch genommen? (viel, ausreichend, wenig, zu wenig, keine)
7. Bitte schätzen Sie die Dauer des Erstgespräches.
8. Wie empfanden Sie den medizinischen Teil des Gespräches? (gut verständlich, wenig verständlich, unverständlich)
9. Wie empfanden Sie den Arzt oder die Ärztin während des Gespräches aus menschlicher Sicht? (teilnahmsvoll, warmherzig, mitleidsvoll, distanziert, geschäftsmäßig, unwillig, unfreundlich, abweisend)
10. Wurde auch Ihre Familie, Ihr Ehemann/Ihre Ehefrau oder Partner(in) in das Gespräch mit einbezogen? (ja, nein)
11. Wurde ein gemeinsames Gespräch mit der Familie oder (Ehe-)Partner angeboten? (ja, nein)
12. Hätten Sie sich ein gemeinsames Gespräch über Ihre Erkrankung gewünscht? (ja, nein)
13. Was ist Ihnen vom Erstgespräch besonders im Gedächtnis geblieben? Bitte geben Sie das Gespräch in Stichworten wieder
14. Hat Ihnen der Arzt weitere Gespräche angeboten? (ja, nein)
15. Hat Sie der Arzt an einen Spezialisten überwiesen? (ja, nein)
16. Hat Sie der Arzt auf die Möglichkeit einer psychologischen Beratung aufmerksam gemacht? (ja, nein)
17. Wurden Sie auf Selbsthilfegruppen und Organisationen wie die Deutsche Krebshilfe oder das Deutsche Krebsforschungszentrum hingewiesen? (ja, nein)
18. Falls ein zweites Gespräch über die Erkrankung stattgefunden hat, dann mit wem? (gleicher Arzt wie beim 1. Gespräch, anderer Arzt, andere Person)
19. Das 2. Gespräch war im Vergleich zum 1. Gespräch: (intensiver und informativer, gleich intensiv und informativ, weniger intensiv und informativ)
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Ergebnisse

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Stichprobencharakteristika

An der Untersuchung nahmen 20 Männer und 27 Frauen (N = 47) im Alter von 25 bis 79 Jahren teil, das mittlere Alter betrug 53,2 Jahre. Die Altersverteilung ist rechtssteil, lediglich zwei Patientinnen waren zum Zeitpunkt der Befragung unter 30 Jahre alt. Gut die Hälfte der Patientinnen und Patienten hatte bereits das 50. Lebensjahr überschritten.

Die Tumordicke (Breslow) lag zwischen 0,41 mm und 7 mm mit einem Mittelwert von 2,02 und einem Median von 1,5 mm. Die Analyse der Daten ergab, wohl auch aufgrund der geringen Stichprobengröße, keine auffällige Korrelation der Tumordicke mit anderen Variablen.

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Fachrichtung und Geschlecht des behandelnden Arztes

Von den 47 befragten Patientinnen und Patienten gaben 30 (63,8 %) Patienten an, von einem Dermatologen erstmalig über ihr Melanom informiert worden zu sein. Vom Hausarzt (ohne Angabe der Fachrichtung) wurden drei Patientinnen und fünf Patienten (17 %) aufgeklärt, während 8 (17 %) Patienten von einem Chirurgen über die Diagnose informiert wurden. Lediglich in einem Fall (2,2 %) wurde die Patientin von einer Praxismitarbeiterin über die Diagnose aufgeklärt. Insgesamt 7 Patienten hatten eine Ärztin (Dermatologin) konsultiert, 26 Patienten einen Dermatologen oder Chirurgen. Bei 14 Patienten fehlte die Angabe über das Geschlecht des behandelnden Arztes. Zudem finden sich unter den Patienten der Dermatologinnen auffällig viele Frauen (6), aber nur ein Mann. Bei den männlichen Dermatologen dagegen ist das Geschlechterverhältnis der Patienten mit jeweils 50 % ausgeglichen.

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Aufklärungssituation

Die Erstaufklärung fand in 85 % der Fälle in der Praxis und in 15 % der Fälle telefonisch statt. Wir baten die Patienten um eine Einschätzung der Gesprächsdauer. Die Antworten reichten von einer Minute bis 35 Minuten. Im Mittel dauerte die Erstaufklärung etwa 14 Minuten.

Insgesamt 11 (26 %) der Patienten gaben an, dass sie den Eindruck gehabt hätten, der Arzt habe sich „viel” Zeit für sie genommen. Als „ausreichend” empfanden 21 Patientinnen und Patienten (45 %) die Gesprächsdauer, während 12 (30 %) Patienten angaben, der Arzt hätte sich „wenig” oder „zu wenig” Zeit für dieses Gespräch genommen.

Auf die Frage, wie die Gesprächsatmosphäre empfunden wurde, antworteten 41 % der Patienten mit „angenehm”, 26 % mit „unangenehm”, 33 % der Patienten war sich über die genaue Zuordnung unsicher und antwortete daher mit „unentschieden”.

Die Unterschiede zwischen Patientinnen und Patienten bezüglich der Einschätzung der Gesprächssituation verdeutlicht Abb. [1]. Die Frauen empfanden die Atmosphäre häufiger als angenehm, während die männlichen Patienten die Gesprächssituation eher als unangenehm empfanden oder bezüglich der Einschätzung unsicher waren.

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Abb. 1 Geschlechtsunterschiede bei der Einschätzung der Gesprächsatmosphäre.

Bei der Frage nach dem Interaktionsstil des aufklärenden Arztes oder der Ärztin gaben 68 % der Patientinnen und Patienten an, Arzt oder Ärztin hätten sich „teilnahmsvoll”, „warmherzig” und „verständnisvoll” gezeigt. Als „distanziert und geschäftsmäßig” bezeichneten 30 % der Patienten den Interaktionsstil, nur 2 % beschrieben ihren Arzt oder ihre Ärztin als „unwillig”, „unfreundlich” oder „abweisend”. Auch hier empfanden die weiblichen Patienten das Arztverhalten tendenziell eher positiv als die männlichen Patienten (Abb. [2]).

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Abb. 2 Geschlechtsunterschiede bei der Bewertung des Interaktionsstils des Arztes.

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Emotionale Betroffenheit und Gesprächsverlauf

Von den 47 Befragten waren 28 Patienten und Patientinnen über die Diagnose „Melanom” „extrem” oder „stark” emotional betroffen, einem prozentualen Anteil von 60 % entsprechend. „Mäßig” betroffen beschrieben sich vier (9 %) der Patienten, als „etwas” oder „gar nicht” betroffen schätzten sich 15 der Patientinnen und Patienten ein (30 % und 2 %). Die Patientinnen waren dabei signifikant stärker emotional betroffen als die Patienten (Mann-Whitney Test; Z = - 2,281; p < .05).

Auf die Frage, ob die Patienten dem weiteren Gesprächsverlauf nach der Diagnose noch folgen konnten, antworteten 53 % mit „gut”, 47 % mit „nicht mehr ganz” bis „überhaupt nicht”. Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten bewertete die medizinischen Ausführungen ihres Arztes jedoch als „gut verständlich” (74 %), nur sehr wenige Patienten empfanden die Erklärungen als „unverständlich” (2 %).

Der Partner oder die Familie des Patienten wurde nur bei 15 % in das Gespräch mit einbezogen, obwohl sich knapp 59 % der Patientinnen und Patienten ein solches gemeinsames Gespräch mit Partner oder Familie gewünscht hätten. Nachträglich angeboten wurde ein solches Gespräch jedoch auch nur von 12 % der behandelnden Ärzte. Weitere Gespräche wurden nur 23 % der Patienten angeboten.

Sehr hoch war die Rate der Überweisungen an die Hautklinik, die 84 % aller befragten Patienten erhalten hatten. Dagegen war die Rate der Ärzte, die auf supportive psychologische Beratung, Selbsthilfe oder Aktivitäten der Krebsgesellschaften aufmerksam machten, mit 9 % gering.

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Zweitgespräch über die Diagnose „Melanom”

Insgesamt 31 Patientinnen und Patienten nahmen ein zweites Gespräch über ihre Diagnose in Anspruch. In 29 % der Fälle wurde dieses Gespräch mit dem gleichen Arzt oder der gleichen Ärztin geführt wie das Erstgespräch. In 68 % der Fälle handelte es sich um einen anderen Arzt der gleichen Fachrichtung, in 3 % aller Fälle um eine andere Person (Heilpraktiker, Psychologe, Sprechstundenhilfe).

Fast zwei Drittel (63 %) der Patientinnen und Patienten empfand dieses zweite Gespräch „intensiver und informativer” als das Erstgespräch, 28 % als „gleich intensiv und informativ” und 9 % als „weniger intensiv und informativ”.

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Zusätzliche Informationsquellen

Von den 46 Patienten, die diese Frage beantwortet haben, gaben 19 (41 %) an, sich aus anderen Quellen über ihr Krebsleiden informiert zu haben, immerhin 27 Patienten (59 %) verneinten diese Frage. Die Informationsquellen der Patienten sind Abb. [4] zu entnehmen.

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Abb. 4 Nutzung zusätzlicher Informationsquellen.

Es zeigte sich ein hochsignifikanter Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Nutzung der zusätzlichen Informationsquellen (Mann-Whitney U- Test; Z = - 2,916; p < .01) derart, dass Patientinnen signifikant häufiger zusätzliche Informationsquellen nutzten.

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Wissen über die Erkrankung „Melanom”

Die Patientinnen und Patienten wurden gebeten, ihre Kenntnisse über die Erkrankung einzuschätzen. Von den 47 Befragten gaben lediglich drei Patienten (6 %) an, „sehr gut” über die Erkrankung informiert zu sein. Elf Patienten (23 %) schätzten ihre Kenntnisse als „gut” ein, zwanzig (43 %) als „ausreichend” und dreizehn Patienten (28 %) als „gering”.

Die Kenntnisse der Patienten stammten mehrheitlich vom behandelnden Arzt (43 %) oder aus der stationären Behandlung (33 %). Bücher oder Informationsschriften wurden nur von 14,3 % genutzt, vier Patienten (10 %) nutzten das Wissen anderer, ebenfalls am Melanom erkrankten Personen aus dem Familien- oder Freundeskreis.

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Einschätzung der Gefährlichkeit des Melanoms

Auf die Frage, für wie gefährlich die Patientinnen und Patienten das Melanom halten, antworteten insgesamt nur 23 Patientinnen und Patienten. Davon gaben vier Patienten (17 %) an, das Melanom sei „extrem gefährlich”, vierzehn Patientinnen und Patienten (61 %) hielten das Melanom für „gefährlich”, fünf Patienten (22 %) für „ungefährlich”.

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Wünsche für Aufklärungszeitpunkt und Aufklärungsart

Die letzten Fragen des Fragebogens bezogen sich auf die Wünsche der Patientinnen und Patienten im Hinblick auf das Erstgespräch und die Konfrontation mit der Diagnose „Schwarzer Hautkrebs”. Uns interessierte, zu welchem Zeitpunkt die Patientinnen und Patienten grundsätzlich hätten aufgeklärt werden wollen und in welcher Form dies hätte geschehen sollen. Eine deutliche Mehrheit von 63 % der 46 Patienten, die diese Frage beantwortet hatten, wäre schon gern „in der Phase des Verdachtes” informiert worden, 37 % der Befragten waren mit der Konfrontation nach gesicherter Diagnose zufrieden.

Bei der Frage nach dem „Wie” der Aufklärung, antworteten 57 % aller Patientinnen und Patienten mit „gleich und direkt”, 33 % wollten „gleich aber schonend” aufgeklärt werden, nur 11 % „nach und nach” sowie „behutsam”. Hier zeigte sich ein marginal signifikanter Unterschied zwischen Patienten und Patientinnen (Abb. [3]), wobei männliche Patienten eine Aufklärung bereits in der Phase des Verdachts bevorzugten.

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Abb. 3 Geschlechtsunterschiede bei der Präferenz für den Aufklärungszeitpunkt.

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Diskussion

Schon seit vielen Jahrzehnten ist die Bedeutung eines achtungsvollen und empathischen Umgangs des Arztes mit schwer- und schwerstkranken Patienten bekannt. Doch wie überbringt man als behandelnder Arzt „schlechte Nachrichten”, beispielsweise die Diagnose „Melanom”, ohne den Patienten in eine tiefe Seins- und Identitätskrise zu stürzen? Die meisten Autoren, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, empfehlen ein individualisiertes und auf den Patienten abgestimmtes Vorgehen [7] [9] [16] (Tab. [2]). Dem Patienten sollen bei diesem Ansatz nur die Informationen vermittelt werden, die dieser einfordert und in der jeweiligen Situation emotional verkraften kann.

Tab. 2 Aspekte für die Arzt-Patient-Kommunikation bei der Besprechung der Diagnose „Melanom”
ausreichend Zeit für das Patientengespräch nehmen
keine Erstaufklärung im Rahmen der gewöhnlichen Sprechstunde
ruhige und für den Patienten angenehme Umgebung wählen, nicht „zwischen Tür und Angel” oder gar telefonisch aufklären
den Patienten empathisch mit der Diagnose vertraut machen
an den Wissensstand des Patienten anknüpfen
fundierte Informationsquellen zur Prognose wählen
verständliche Ausdrucksweise wählen
prognostische Information darlegen, falls der Patient dies wünscht
„hellseherische Prognosen” über den Verlauf vermeiden
positive Formulierungen wählen
den Patienten früh motivieren, selbst Fragen zu stellen

Unsere Untersuchung bestätigt, dass dieses Vorgehen aufgrund der eingeschränkten Fähigkeit, die mit der Diagnose zusammenhängenden komplexen Informationen zu verarbeiten, berechtigt ist, war doch die Hälfte der Befragten nach der Diagnose „Melanom” extrem bis stark emotional irritiert und konnte dem weiteren Gesprächsverlauf nicht mehr vollständig folgen.

Während die Ärztinnen und Ärzte unserer Untersuchten die medizinischen Inhalte über die Melanomkrankheit größtenteils gut verständlich kommunizieren konnten, blieben ergänzende Informationen über psychologische Beratung, Aktivitäten der Deutschen Krebshilfe oder der von Selbsthilfegruppen mehrheitlich aus. Die Bedeutung dieser psychosozialen Hilfe und Information konnte aber schon 1996 von der Arbeitsgruppe um Söllner und Fritsch gezeigt werden [14]. Die Patienten in dieser Untersuchung wünschten sich in 59 % der Fälle mehr psychosoziale Unterstützung und Gesprächsangebote von ihrem behandelnden Arzt und in 20 % der Fälle eine zusätzliche psychotherapeutische Begleitung.

Hier wird deutlich, welche große Bedeutung die soziale Unterstützung des Patienten durch sein primäres soziales Netzwerk - Ehepartner, Familie, Freunde, Kollegen - hat. Auch in unserer Untersuchung wünschen sich mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten ein gemeinsames Gespräch mit Partner oder Familie, das jedoch nur von einem kleinen Teil der behandelnden Ärzte angeboten wurde. Auch das Angebot für weitere Gespräche wurde nur von einem Fünftel der behandelnden Ärzte gemacht.

Die Ergebnisse bezüglich der Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten mit der Erstaufklärung spiegeln die Heterogenität der Beratung in der haus- und hautärztlichen Praxis wider. Die Praxis der Aufklärung der Patienten über maligne Tumoren reicht vom Vorenthalten der Wahrheit bis hin zur schonungslosen Eröffnung ohne Rücksicht auf dessen psychische Verfassung. Schwer verständlich ist dieses Vorgehen vor dem Hintergrund, dass eine direkte Kommunikation von Diagnose, Prognose sowie therapeutischen Maßnahmen von einer Mehrheit der Krebspatienten gefordert wird. Butow et al. konnten für Patientinnen mit Brustkrebs zeigen, dass die Mehrheit direkte und ehrliche Antworten auf die Frage nach Krankheitsschwere und Prognose wünschte [2]. Dies deckt sich mit den Wünschen unserer Patienten nach einer direkten und möglichst zeitnahen Information über die Diagnose „Melanom”. Die Mehrzahl unserer Patienten sprach sich sogar für ein Gespräch über die Diagnose in der Phase des Verdachtes aus. Im Hinblick auf den engen zeitlichen Rahmen, der für Patientengespräche in der Praxis zur Verfügung steht, erscheint dieser Wunsch aber unrealistisch.

Der Wunsch nach direkter und zeitnaher Information spricht dafür, dass die Patienten neben bestimmten Erwartungen an das Arzt-Patient-Gespräch auch ein hohes Autonomiepotenzial aufweisen, das für den weiteren therapeutischen Prozess nutzbar gemacht werden könnte [3] [4]. So weiß man heute, dass die Bewältigungsmechanismen chronisch kranker Menschen nicht nur von deren Persönlichkeit, sondern auch vom Ausmaß der ihnen zugänglichen Informationen abhängt [13]. Hier sind die Qualität der Arzt-Patient-Beziehung sowie eine vertrauensvolle Atmosphäre von entscheidender Bedeutung. Bei der von unseren Patienten berichteten durchschnittlichen Gesprächsdauer von knapp 14 Minuten mit einer Spannweite zwischen einer Minute bis zu einer halben Stunde muss die Antwort auf die Frage, wie viel Information und wie viele Fragen in einem solchen Gespräch Platz finden, offen bleiben.

Etwa die Hälfte der Befragten empfand die Gesprächsatmosphäre als „unangenehm” oder „unentschieden”. Dies deutet darauf hin, dass sich die Patienten in der Gesprächssituation nicht frei und ungezwungen fühlen und möglicherweise wichtige Fragen nicht stellen. Wie wichtig jedoch eine realistische Aufklärung ist, zeigt sich an der Einschätzung der Gefährlichkeit des Melanoms. Auf diese Frage antwortete nur etwa die Hälfte der Befragten, was für eine Unsicherheit in der Beurteilungskompetenz der Patienten spricht. Etwa jeder Fünfte hielt das Melanom auch nach der Aufklärung für eine ungefährliche Erkrankung. Dies könnte nachteilig sein, wenn weitere, einschneidende Behandlungen wie eine Chemotherapie notwendig werden.

Warum nicht wenige Ärzte sehr zögerlich in der Übermittlung „schlechter Nachrichten” sind, wird kontrovers diskutiert [16]. Eine mögliche Erklärung liegt in der Angst des Arztes, der Patient könnte sich nach offener Kommunikation über seine Krebserkrankung das Leben nehmen. Schon seit vielen Jahren ist aber bekannt, dass eine offene und intensive Arzt-Patient-Kommunikation das Suizidrisiko nicht erhöht, sondern ein empathisches Eingehen auf die Fragen und Nöte des Patienten erst ermöglicht [9] [10].

Unsere Untersuchung macht deutlich, dass zur Optimierung der Kommunikationsfähigkeit der Dermatologen die Teilnahme an Schulungsmaßnahmen sinnvoll sein kann, etwa im Rahmen spezieller Seminare oder der in vielen Kammerbereichen angebotenen Fortbildung „Psychosomatische Grundversorgung”.

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Danksagung

Wir danken Herrn Dr. Jens Meier (Bremen-Nord) für die Hilfe bei der Durchführung der Studie.

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Literatur

  • 1 Bortz J. Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin, Heidelberg; Springer-Verlag 2004
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Prof. Dr. med. Friedrich A. Bahmer

Klinikum Bremen-Mitte · Dermatologische Klinik

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Literatur

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Abb. 1 Geschlechtsunterschiede bei der Einschätzung der Gesprächsatmosphäre.

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Abb. 2 Geschlechtsunterschiede bei der Bewertung des Interaktionsstils des Arztes.

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Abb. 4 Nutzung zusätzlicher Informationsquellen.

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Abb. 3 Geschlechtsunterschiede bei der Präferenz für den Aufklärungszeitpunkt.