Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(11): 513-514
DOI: 10.1055/s-2005-923690
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview - Resynchronisationstherapie weiter im Kommen

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Publication Date:
02 January 2006 (online)

 
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    Bernhard Meier

    Für viele waren die neuen Daten zur Resynchronisationstherapie das herausragende Highlight auf dem diesjährigen Kardiologenkongress in Stockholm. Ob man seinen Herzinsuffizienzpatienten nun ab sofort die Resynchronisationstherapie empfehlen soll, beantwortet im Interview Prof. Dr. med. Bernhard Meier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsspital Bern.

    Herr Prof. Meier, was war die wichtigste Studie auf dem aktuellen Europäischen Kardiologenkongress?

    Prof. Meier: Auf dem diesjährigen ESC-Kongress gab es wieder mehrere bahnbrechende Studien. Am bedeutendsten sind aus meiner Sicht die neuen Daten der CARE-HF-Extension-Study zur Resynchronisationstherapie der Herzinsuffizienz. Die ursprüngliche CARE-HF-Studie hatte ja bereits gezeigt, dass die Implantation eines solchen Gerätes nicht nur die Beschwerden deutlich reduziert, sondern auch signifikant die Mortalität senkt. In der Care-HF-Extension-Studie, bei der das Follow up um weitere sechs Monate auf insgesamt drei Jahre verlängert wurde, bestätigen sich diese Daten jetzt nicht nur, sondern der Nutzen der Resynchronisationstherapie hat sogar noch weiter zugenommen.

    Ist die Verlängerung um gerade mal sechs Monate auf drei Jahre wirklich so bedeutend?

    Bei der Resynchronisationstherapie geht es um sehr viel Geld. In Zukunft wird es in spezialisierten Zentren sehr viele Eingriffe dieser Art geben, was eine ungeheuerliche Kostenlawine erwarten lässt, insbesondere wenn man bedenkt, wie viele Menschen unter einer Herzinsuffizienz leiden. Verständlicherweise wurden daher die ersten Daten der CARE-HF-Studie noch sehr skeptisch aufgenommen und teilweise auch etwas heruntergespielt. Insofern ist die Bestätigung durch die erweiterte CARE-HF-Studie sehr hoch einzuschätzen. Die Investigatoren kommen mit neuen Daten zurück, die den Erfolg nicht nur untermauern, sondern sogar ein noch besseres Abschneiden zeigen. Das ist, glaube ich, wirklich sensationell.

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    Das Gerät, das so groß wie eine flache Streichholzschachtel ist, wird unterhalb des Schlüsselbeins implantiert und über drei Elektroden mit dem Herz verbunden. Die erste Elektrode liegt im rechten Vorhof, eine weitere in der rechten Herzkammer. Die dritte Elektrode wird in eine Herzkranzvene geschoben, um den linken Ventrikel zu erreichen. Mit geringen elektrischen Stimuli ist es nun möglich, beide Kammern wieder synchron schlagen zu lassen: Die Auswurfleistung nimmt zu.

    Empfehlen Sie Ihren Patienten also die Resynchronisationstherapie?

    Angesichts dieser Daten muss man Betroffenen zur Resynchronisationstherapie raten. Allerdings würde ich niemanden dazu überreden, was ja bei manch anderen medizinischen Therapien durchaus notwendig und sinnvoll sein kann.

    Würden Sie sich auch selbst ein solches Gerät implantieren lassen?

    Ich selbst gehöre wahrscheinlich zu den wenigen, die trotz der guten Beweislage immer noch etwas zweifeln. Ich würde mir nach wie vor keines implantieren lassen, obwohl die neuen Daten beeindruckend sind. Was mich erstaunt ist, wie wenig Komplikationen bei diesem Verfahren auftreten. Die Implantation ist nicht ganz einfach. Man muss die Elektroden an der richtigen Stelle positionieren. Es kann zu Perforationen kommen. Die Sonde kann sich wieder lösen. Die Implantation ist technisch insgesamt sehr anspruchsvoll. Da ist es durchaus vorstellbar, dass irgendwann Probleme auftreten, die sich heute noch nicht abschätzen lassen und die dann vielleicht wieder ein paar Wolken vor die Sonne schieben. Es wird interessant sein, wie sich das Verfahren in den nächsten fünf bis zehn Jahren bewährt und ob nicht noch irgendein Pferdefuß auftaucht.

    Welche weiteren wichtigen Erkenntnisse liefert der diesjährige ESC-Kongress für die tägliche Praxis?

    Für viel Aufsehen hat auch die NORVIT-Studie gesorgt, die rund 4000 Herzinfarktpatienten mit erhöhten Homozysteinwerten einschloss. Untersucht wurde dabei, inwieweit Vitamin B6 beziehungsweise Folsäure ein Herzinfarktrezidiv oder einen Schlaganfall verhindern kann. Die Gabe solcher Präparate ist weit verbreitet. Allerdings war das Ergebnis aus Sicht der Vitaminbefürworter enttäuschend. Zwar reduzierten sich die erhöhten Homozysteinspiegel, die bislang als Risikofaktor für eine koronare Herzerkrankung galten, um 30%, doch zu einer gleichzeitigen Verringerung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos kam es nicht. Im Gegenteil: Die Einnahme von Folsäure oder Vitamin B6 erhöhte die Gefahr sogar etwas. Bei Patienten, die sowohl Folsäure als auch Vitamin B6 einnahmen, stieg das Risiko um insgesamt 20%. Außerdem ließ sich bei Patienten, die Folsäure einnahmen, eine Zunahme der Tumorhäufigkeit beobachten. Präparate mit Vitamin B6 und Folsäure sollten daher heute nicht mehr zur Senkung des kardiovaskulären Risikos zum Einsatz kommen. Außerdem muss die Hypothese überdacht werden, dass Homozystein ein Risikofaktor für eine koronare Herzerkrankung darstellt.

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    Das Interview führte Dr. med. Karl Eberius, Heidelberg.

     
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    Bernhard Meier

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    Das Gerät, das so groß wie eine flache Streichholzschachtel ist, wird unterhalb des Schlüsselbeins implantiert und über drei Elektroden mit dem Herz verbunden. Die erste Elektrode liegt im rechten Vorhof, eine weitere in der rechten Herzkammer. Die dritte Elektrode wird in eine Herzkranzvene geschoben, um den linken Ventrikel zu erreichen. Mit geringen elektrischen Stimuli ist es nun möglich, beide Kammern wieder synchron schlagen zu lassen: Die Auswurfleistung nimmt zu.

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