Psychische Störungen gehören zu den häufigsten Krankheiten. Allein in Deutschland
leiden rund acht Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung.
Nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Depressionen bis
zum Jahr 2020 der führende Grund für Invalidität und vorzeitigen Tod sein. Dicht auf
liegen Angsterkrankungen, die bereits heute eine Lebenszeitprävalenz von bis zu 25
% aufweisen. Aufgrund der Bevölkerungsstruktur ist außerdem in den nächsten Jahrzehnten
mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Anzahl von Demenzerkrankungen zu rechnen.
Diese Ausgabe der psychoneuro will einen prägnanten Überblick über diese neuen Volkskrankheiten
und ihre Behandlung geben.
Insbesondere die Behandlung mit Psychopharmaka steht zurzeit in den Medien unter Dauerbeschuss.
Antidepressiva sollen Suizide auslösen, Antidementiva seien unwirksam und teure Antipsychotika
nicht besser als die alten. Kann man wirklich noch guten Gewissens verordnen oder
ist alles nur Geldmacherei und Medienrummel?
Prof. Jürgen Fritze nimmt Stellung zu Antidepressiva und räumt mit den Vorurteilen
auf. Derzeit gibt es keine Evidenz, dass Antidepressiva das Suizidrisiko erhöhen.
Nicht auszuschließen sei, dass Antidepressiva zu Therapiebeginn das Risiko von suizidalen
Gedanken und Suizidversuchen erhöhen, möglicherweise eher SSRI als andere. Deshalb
muß den Patienten zu Therapiebeginn besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Das
gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, für die bisher ein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis
nicht erbracht wurde, wahrscheinlich wegen des hier besonders hohen Plazebo-Effektes.
Insbesondere weil es sich um seltene Ereignisse zu Therapiebeginn handelt, können
doppelblinde Langzeitstudien nichts zur weiteren Klärung beitragen, zumal sie ethisch
unvertretbar wären. Vielmehr muss der Pharmakovigilanz erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet
werden.
Dietmar Winkler, Edda Pjrek, Siegfried Kasper, Wien, geben einen kurzen Überblick
über uni- und bipolare Depressionen und versuchen die Frage, wann Psychotherapie,
wann Pharmakotherapie, zu beantworten.
Dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, zeigt auch Georg Adler, Mannheim, in seinem
Beitrag zu Demenzerkrankungen. Bei der Alzheimer-Demenz spielen vaskuläre Faktoren
eine wichtige Rolle. Die zerebralen Mikrogefäße scheinen an der Entstehung der Erkrankung
beteiligt zu sein. Für die Praxis bedeutet dies, dass auch vaskuläre Risikofaktoren
bei der Diagnostik überprüft und gegebenenfalls behandelt werden sollten.
Die z.Zt. absehbaren, wichtigsten Entwicklungen für die Zukunft anxiolytischer Pharmakotherapie
stellen Dirk Wedekind und Borwin Bandelow, Göttingen, vor. Neuropeptid- und Neurosteroid-Rezeptor-Liganden,
spezifische Modulatoren am GABA-A-Benzodiazepin-Rezeptorkomplex und Modulatoren des
glutamatergen sowie des serotonergen Systems können vielleicht schon bald die Palette
der Behandlungsmöglichkeiten ergänzen.