psychoneuro 2005; 31(10): 462
DOI: 10.1055/s-2005-921995
Journal-Club

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Roiser et al. Am J Psychiatry 2005; 162: 609-612 - Serotonintransporter-Gen an emotionalen Verarbeitungsstörungen bei Ecstasykonsumenten beteiligt?

Further Information

Publication History

Publication Date:
17 January 2006 (online)

 
Table of Contents

    Trägt der funktionelle Polymorphismus in der "5-HTT gene linked polymorphic region" (5-HTTLPR s-Allel), der zu einer verminderten Expression des Serotonintransporters (5-HTT) führt, bei chronischem Ecstasykonsum zu vermehrten emotionalen Verarbeitungsstörungen und Depression bei?

    Einschlusskriterien: Fallgruppe A Ecstasykonsum zu mindestens 30 Gelegenheiten, Fallgruppe B mit Ecstasyabstinenz mindestens drei Wochen vor Studienbeginn

    Kontrollgruppen: Probanden ohne Suchterkrankung, Cannabiskonsumenten und Probanden ohne Suchterkrankung mit Cannabiskonsum ohne bisherigen Ecstasykonsum

    Ausschlusskriterien: Jeglicher Drogenkonsum am Tag der Studie. Ecstasy/Amphetaminnachweis im Plasma

    Studiendesign: Fall-Kontroll-Studie, genetische Assoziationsstudie. N=66 in der Fallgruppe, N=58 (30 Cannabiskonsumenten, 28 ohne Drogenkonsum) in der Kontrollgruppe. Vor Beginn: Persönlichkeitstest (Impulsivität, Waghalsigkeit, Empathie), Intelligenzquotient, Suchtmittelanamnese

    Studienort: University of Cambridge School of Clinical Medicine, UK

    Neuropsychologische Tests: emotionale Verarbeitung und Depression. Anschließende Zuordnung der Ergebnisse zu dem jeweiligen Serotonintransporter-Genotyp

    Outcome: Genotypisierung: Polymerase-Chain Reaction (PCR). Funktioneller Polymorphismus in 5-HTTLPR (Chr. 17q12): 44bp Insertion (long>l-Allel>>5-HTT↑) und/oder Deletion (short > s-Allel>>5-HTT↓). Allelkombinationen: l/l, s/l, s/s

    Neuropsychologische Test: Emotionale Verarbeitungsprozesse: Affective Go/No-Go Test: Wortblöcke je zur Hälfte aus traurigen/ glücklichen Worten im Wechsel. Nach Vorgabe auf zu reagierende Emotion (Traurigkeit/Glücklichkeit) Reaktion durch Knopfdruck bei Erscheinen des zur Vorgabe passenden Wortes. Wechsel der Vorgabe alle 2 Blöcke (shift>nonshift>shift...). Erwartungsgemäß Fehlerreduktion beim Wechsel shift zu nonshift-Block, ausbleibende Fehlerreduktion als Hinweis für Störungen bei emotionalen Verarbeitungsprozessen

    Affektive Störungen: Beck Depression Inventory (BDI) Cut-off: 9 Punkte (milde Depression). Scoremax: 63 Punkte

    Resultat: Die Genotypverteilung unterscheidet sich nicht signifikant und entspricht der zu erwartenden in der Bevölkerung. Damit ist 5-HTTLPR wahrscheinlich kein Prädiktor für Ecstasykonsum

    Störung der kognitiven emotionalen Verarbeitung bei ausbleibender Fehlerreduktion im Affective Go/No-Go-Test bei Ecstasykonsumenten mit s/l- und s/s-Genotyp, nicht mit l/l-Genotyp. Normales Verhalten bei Kontrollgruppen, kein Unterschied hinsichtlich des Genotyps. Keine signifikante Interaktion anderer Drogen

    Signifikant höhere BDI-scores bei Ecstasykonsumenten mit s/l- oder s/s-Genotyp im Vergleich zu Kontrollen und Ecstasykonsumenten mit l/l-Genotyp. Höchste Anzahl an Depressiven (BDI>9) bei Ecstasykonsumenten mit s/s Genotyp

    Kommentar: Erste Studie, die 5-HTTLPR und emotional-kognitive Defizite bei Ecstasykonsumenten untersucht

    Bei experimentell alimentär verursachtem Serotoninentzug ähnliche Ergebnisse, wie in vorliegender Studie

    Schluss: s-Allel führt vermutlich über niedrigere serotonerg vermittelte Neurotransmission zu erhöhter Vulnerabilität des serotonergen Transmittersystems bei und begünstigt dadurch das Auftreten emotional-kognitiver und affektiver Störungen

    Nachteile dieser Studie: Familienanamnese (genetischer Hintergrund?) und Gen-Umweltinteraktion wurden nicht berücksichtigt. Kleine Fallzahl

    Özgür Albayrak,

    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Rheinische Kliniken Essen

    Quelle: Assocation of a Functional Polymorphism in the Serotonin Transporter Gene With Abnormal Emotional Processing in Ecstasy Users. Roiser JP, Cook LJ, Cooper JD, Rubinsztein DC, Sahakian BJ. Am J Psychiatry 2005; 162: 609-612