Notfall & Hausarztmedizin (Notfallmedizin) 2005; 31(9): 417-421
DOI: 10.1055/s-2005-921864
psychoneuro für die Hausarztpraxis

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„... Diagnose einfach zu breit...”

Posttraumatische BelastungsstörungStefan Gesenhues
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 November 2005 (online)

Bei Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) oder auch PTSD (Posttraumatic Stress Disorder) assoziieren wir Ereignisse wie den 11. September 2001 oder jüngste Katastrophen in Verbindung mit Terror, Krieg, Folter oder Gewaltverbrechen.

Die Psychotraumatologie nahm in den 70er-Jahren in den USA ihren Anfang. Damals diagnostizierte man bei zahlreichen Vietnam-Veteranen schwere psychiatrische Störungen, die nicht mit klassischen Therapieverfahren zu behandeln waren. Für viele der damaligen Zivilisten und Soldaten ging der Krieg nie zu Ende, da die Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse sie ein Leben lang quälten.

Nicht nur Krieg und Katastrophen, sondern auch schwere Verkehrs- und Arbeitsunfälle, Vergewaltigungen oder alle Formen der häuslichen Gewalt können das Krankheitsbild der PTBS verursachen. Selbst Fernsehbilder können ebenso traumatisieren wie das reale Erleben eines aversiven Ereignisses (The Journal of Nervous and Mental Disease 2004; 3: 217-226). Auch Unfallzeugen, Katastrophenhelfer, Polizisten oder Feuerwehrleute - obwohl nicht unmittelbar am eigenen Leib betroffen - leiden häufig an PTBS.

Die aktuelle Forschung bestätigt dies: sie stellt inzwischen ebenfalls mehr das subjektive Erleben als das traumatisierende Ereignis selbst in den Vordergrund.

Vor diesem Hintergrund ist insbesondere auch der Hausarzt gefordert, die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in ihrer Häufigkeit und klinischen Bedeutung nicht zu unterschätzen. Oft ist das Krankheitsbild nur schwer zu erkennen, „...weil die Diagnose einfach zu breit ist”. Häufig stellt sich primär nicht die typische Traumasymptomatik dar, sondern eher unspezifische, komorbide Symptome führen zur Arztkonsultation.

Die ersten Ergebnisse der Heidelberger Gewaltopferstudie unterstreichen die Bedeutung der Frühintervention zur Verhinderung einer Traumafolgekrankheit.

Die frühzeitige Identifizierung von Risikopatienten und die Vermeidung einer entsprechenden Chronifizierung erfordert spezifische hausärztliche Behandlungsstrategien. In diesem Supplement beschreibt die allgemeinärztliche Kollegin G. Fobbe diese Strategien in ihrer Arbeit außerordentlich prägnant unter besonderer Berücksichtigung der Relevanz für die hausärztliche Versorgung. In einer weiteren aktuellen Übersichtsarbeit von Herrn Dr. rer. medic. Dipl. Psych. Sefik Tagay zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung gelingt es ebenfalls vorzüglich, die Leser für das wichtige Krankheitsbild der PTBS zu sensibilisieren.

Prof. Dr. med. Stefan Gesenhues

    >