Pneumologie 2005; 59(10): 685-688
DOI: 10.1055/s-2005-915564
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kryotherapie eines endobronchialen Lipoms

Cryorecanalization of an Endobronchial LipomaK.  J.  Franke1 , G.  Nilius1 , K.  H.  Rühle1
  • 1Klinik Ambrock, Klinik für Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin, Universität Witten/Herdecke, Hagen
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Karl-Josef Franke

Klinik für Pneumologie · Klinik Ambrock

Ambrockerweg 60

58091 Hagen

Email: Klinik-Ambrock.pneumo@t-online.de

Publication History

Eingang: 1. Juni 2005

Nach Revision akzeptiert: 11. August 2005

Publication Date:
12 October 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Es wird ein Fall präsentiert, bei dem die Vorteile einer neuen Methode zur Entfernung eines endobronchialen Lipoms durch Kryo-Extraktion dargestellt werden. Mit einer neuen Sonde mit hoher mechanischer Stabilität können größere Bereiche tiefgefroren werden und damit größere Gewebe-Stücke von der Bronchialwand abgelöst werden. Das Gewebe kann dann direkt aus dem Tumor extrahiert werden. Das Verfahren besticht durch seine Schnelligkeit und die Möglichkeit, bei einer poststenotischen Pneumonie den obstruierenden Tumor in einer Sitzung zu entfernen.

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Abstract

In this case presentation the advantages of a new method of cryoextraction of an endobronchial lipoma are demonstrated. With an improved probe with high mechanical stability large areas of the lipoma can be frozen and removed from the bronchial wall. The tissue is directly extracted from the tumor. Cryorecanalization permits during one procedure the reopening of an endoluminal airway obstruction.

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Einleitung

Endobronchial wachsende Tumoren im zentralen Bronchialsystem werden häufig mittels Laser-Chirurgie, Argon-Plasma-Koagulation oder Elektro-Kauter entfernt [1] [2]. Bei der konventionellen Kryotherapie wird extreme Kälte lokal appliziert um eine Nekrose im Tumor zu erzeugen. Bei einer sekundären Intervention wird das nekrotische Tumorgewebe entfernt.

Wünschenswert ist aber eine sofortige Rekanalisation im Bereich des zentralen Bronchialsystems. Deshalb wurde eine neue Technik entwickelt, bei der nach Anfrieren des Tumors an der Spitze einer Kältesonde eine sofortige Extraktion möglich ist [3]. In dem Katheter befindet sich ein zentraler Kanal, in dem das Gas bis an die Spitze der Sonde transportiert wird. Als Gas kann Stickstoffmonoxid oder Kohlendioxid verwendet werden. Tritt das Gas unter hohem Druck aus der Sonde aus, wird es akut dekomprimiert und es entsteht ein Kältebereich an der Spitze mit minus 80 Grad Celsius. Wird der Gasfluss unterbrochen, beginnt der Entfrostungs-Prozess.

Im Folgenden wird ein Fall vorgestellt, bei dem die Vorteile der Methode besonders deutlich zum Ausdruck kommen. Aufgrund der Größe des Tumors mussten relativ große Gewebestücke abgetragen werden. Hier bot sich die Kryotherapie an, da durch längeres Anfrieren über 10 - 15 Sekunden hinweg Gewebe bis zu einem Durchmesser von 10 bis 15 mm tiefgefroren wird. Dieses Gewebe kann dann direkt aus dem Tumor extrahiert werden.

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Falldarstellung

Anamnese: Die Aufnahme in ein auswärtiges Krankenhaus erfolgt wegen hypertensiver Entgleisung bei arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz bei koronarer Herzerkrankung, sowie permanentem Vorhofflimmern. Aus der Vorgeschichte ist außerdem eine Lungenembolie im Jahr 2000 sowie eine Lungentuberkulose im Jahr 1955 mit Pneumothoraxanlage links erwähnenswert. Aufgrund des Zufallsbefundes einer linksseitigen Oberlappenatelektase wurde der Patient zur weiteren Klärung vorgestellt.

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Radiologie einschl. Computertomographie des Thorax

Es fand sich ein zentraler Prozess im Bereich des linken Oberlappenbronchus mit Oberlappenatelektase sowie eine posttuberkulöse pleurale Schwielenbildung links basal (siehe Abb. [1] u. [2]).

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Abb. 1 Röntgen-Thorax pa: Verschattung im linken Oberfeld mit leichter Verziehung der Trachea nach links. Pleuraschwiele links basal.

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Abb. 2 Computer-Tomogramm: Schicht in Höhe des linken Oberlappenbronchus Mediastinalshift nach links bei Obstruktionsatelektase des linken Oberlappens. Typischer Dichtewert von - 22 HE des sich konvexbogig in das Lumen des Oberlappenbronchus vorwölbenden endobronchialen Lipoms.

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Endobronchialer Befund

Bronchoskopisch sah man einen gelblich schimmernder Tumor im linken Oberlappen mit Verschluss des Segmentostiums 1 bis 3. Alle anderen Lappen und Segmentostien links und rechts waren unauffällig.

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Histologie der Probeexzision

Es fand sich respiratorische Schleimhaut mit mehrreihigem Flimmerepithel und dichter unterminierender rundzelliger und granulozytärer Infiltration. Diese ging über in ausgedehnte Formationen von reifzelligem, teils lobulär gegliederten Fettgewebe. Der Befund sprach für ein endobronchiales Lipom.

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Kryotherapeutische Extraktion (siehe Abb. [3] u. [4])

In starrer Technik wurde mit dem Bronchofiberskop der Tumor im linken Oberlappen aufgesucht. Nach Einführen der Kryo-Sonde (Fa. Erbe Elektromedizin, Tübingen) in den Instrumentier-Kanal wurde die Spitze der Sonde in Kontakt mit dem Tumor gebracht. Dabei ragte die Spitze der Sonde nur wenige Zentimeter aus dem Instrumentier-Kanal heraus. Die Kälte-Applikation erfolgte über fünf bis 15 Sekunden. Die Größe des Vereisungs-Bezirkes konnte anhand der weißlichen Verfärbung abgeschätzt werden. Sodann wurde die Sonde zusammen mit dem Fiberskop unter Fortsetzung der Vereisung mit Ausübung eines gewissen Zugs entfernt. Die Sonde wurde in warmes Wasser eingetaucht und das Gewebestück abgetaut. Insgesamt wurde der Tumor in fünf Teilstücken subtotal extrahiert. Es war weder eine Arterenol-Instillation noch eine Argon-Plasma-Koagulations-Behandlung zur Blutstillung erforderlich. Bei Beendigung der Untersuchung war das Lumen des linken Oberlappen-Bronchus wieder durchgängig.

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Abb. 3 a: Verschluss des linken Oberlappens durch einen gelblich schimmernden Tumor. b: Kryosonde mit weißer Gefrierzone.

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Abb. 4 Durch Kryoextraktion entfernte größere Gewebestücke des Lipoms bis zu 17 mm Durchmesser.

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Diskussion

Wir berichten unseres Wissens erstmalig über die Entfernung eines endobronchial wachsenden Lipoms mit einer Kryosonde. Endobronchiale Lipome sind sehr selten (0,1 Prozent aller Lungentumoren) [4] [5]. Radiologisch kann mittels CT anhand des Dichtekoeffizienten und der fehlenden Anreicherung von Kontrastmittel im Tumor die Verdachtsdiagnose eines Lipoms gestellt werden [6]. Differenzialdiagnostisch kam bei dem endobronchialen Befund auch ein anderer benigner Tumor, ein Carcinoid oder ein maligner Tumor infrage, aber der histologische Befund der diagnostischen Bronchoskopie war eindeutig, so dass an der Diagnose eines Lipoms nicht zu zweifeln war. In über 80 Prozent aller Fälle liegt das Lipom in den zentralen Atemwegen, ist oft gestielt und weist ein endoluminales Wachstum auf.

Bei der Größe des Tumors bot sich die Kryo-Therapie an, um in kurzer Zeit großvolumige Gewebestücke des Tumors entfernen zu können. Da der Knorpel ein bradytrophes Gewebe darstellt, ist die Gefahr einer Schädigung durch Kälteapplikation relativ gering. Wir verwandten das Verfahren nicht zur Zerstörung der Fettzellen, sondern zum Debridement des Tumors, da Lipome eher kryoresistent sind. Die Laser-Therapie beinhaltet im Vergleich dazu ein höheres Risiko der Bronchialwand-Perforation.

Während früher die Lipome chirurgisch entfernt wurden, werden heute in der Regel Lipome endoskopisch mittels Laser Therapie oder dem Elektro-Kauter entfernt. In einer aktuellen Studie wird von 16 Patienten berichtet, die im Zeitraum von sechs Jahren interventionell bronchoskopisch mit Laser-Therapie behandelt wurden [1]. Gegenüber der chirurgischen Intervention spricht für das Verfahren, dass es schnell durchführbar, wenig komplikativ sowie preisgünstiger ist.

Die zentrale Lage der Lipome und damit leichte Zugänglichkeit prädestiniert diesen Tumor für eine endoskopische Kryoextraktion mit dem Ziel der Rekanalisation. Zu der Häufigkeit von Rezidiven nach Kryotherapie kann allerdings nichts gesagt werden. Hier sind Kontrolluntersuchungen geplant.

Die neue Methode zur Entfernung von malignen endobronchialen Tumoren mittels Kryo-Extraktion wurde kürzlich vorgestellt [3]. Die bisherigen Katheter besaßen eine relativ geringe Kälte-Energie, so dass nur kleine Gewebe-Stücke extrahiert werden konnten. Mit einer neuen Sonde mit hoher mechanischer Stabilität können jetzt größere Areale tiefgefroren werden und damit größere Gewebe-Stücke von der Bronchialwand abgelöst werden.

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Vor- und Nachteile des Verfahrens

Bei dem Abtragen des Lipoms konnten bis zu 17 mm im Durchmesser große Stücke gewonnen werden. Von der Zeitdauer des Gefriervorgangs abhängig können verschieden große Gewebe-Stücke mit der Sonde extrahiert werden. Wird das Verfahren mit dem flexiblen Bronchofiberskop eingesetzt, muss das Instrument aus dem Bronchialsystem zusammen mit dem Tumor entfernt werden. Bei großen Gewebe-Extraktionen empfiehlt es sich deshalb, starr zu intubieren.

Das Verfahren besticht durch seine Schnelligkeit und die Möglichkeit, bei einer poststenotischen Pneumonie den obstruierenden Tumor in einer Sitzung zu entfernen [7] [8]. Die Blutung ist in der Regel leichtgradig, da durch die Kälte eine Vasokonstriktion und evtl. Mikrothrombose der kleinen Gefäße erzeugt wird.

Zeitlich limitierend ist die Auftauphase. Durch Eintauchen der Sondenspitze in ein warmes Wasserbad kann diese Zeitspanne auf etwa 10 sec verkürzt werden. Bei Benutzen einer starren Sonde besteht keine zeitliche Limitation durch die mögliche aktive Auftauphase, da durch Insufflation von Gas die Sondenspitze sehr schnell erwärmt wird.

Während der Kryo-Extraktion können zwei bis vier Liter pro Minute Sauerstoff insuffliert werden. Die Gefahr einer thermischen Schädigung des Bronchialsystems wie bei der Lasertherapie in Verbindung mit Sauerstoff besteht nicht. Die Handhabung ist einfach, Schutzbrillen sind nicht notwendig.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, neben den etablierten Methoden wie Lasertherapie, Elektrokauter, Argon-Plasma-Koagulation, die Kryoextraktion ein neues alternatives Verfahren darstellt, um eine schnelle Rekanalisation bei obstruierenden Tumoren zu erreichen. Lipome mit zentraler Lokalisation erscheinen uns für die Kryoextraktion besonders geeignet zu sein, da die Gefahr einer Schädigung der normalen Bronchialwand im Vergleich zur Lasertherapie noch geringer ist. (Tab. [1]).

Tab. 1 Kryoextraktion im Vergleich zu den etablierten endobronchialen Verfahren der Rekanalisation
KryoextraktionLaserElektrokauterArgon-Plasma Koagulation
Gerätekostengünstiggrößergünstiggünstig
Wartungskostengünstiggrößergünstiggünstig
zeitlicher Untersuchungsaufwandgeringergrößergrößergrößer
Gefahr der Bronchialwandschädigunggeringergrößergrößergeringer
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Literatur

  • 1 Krüger S, Stanzel F, Morresi-Hauf A. et al . Endobronchiales Lipom: erfolgreiche Therapie mittels bronchoskopischer Laserresektion versus Chirurgie.  Pneumologie. 2004;  58 769-772
  • 2 Huisman C, Kralingen K W van, Postmus P E. et al . Endobronchial lipoma: a series of three cases and the role of electrocautery.  Respiration. 2000;  67 689-692
  • 3 Hetzel M, Hetzel J, Schumann C. et al . Cryorecanalization: a new approach for the immediate management of acute airway obstruction.  J Thorac Cardiovasc Surg. 2004;  127 1427-1431
  • 4 Muraoka M, Oka T, Akamine S. et al . Endobronchial lipoma: review of 64 cases reported in Japan.  Chest. 2003;  123 293-296
  • 5 Bango A, Colubi L, Molinos L. et al . Endobronchial lipomas.  Respiration. 1993;  60 297-301
  • 6 Rodriguez E, Pombo F, Gallego C. et al . Endobronchial lipoma. Computed tomography and magnetic resonance.  Chest. 1994;  105 1628
  • 7 Schreiber J, Hummel B, Osterland R. et al . Obturierendes endobronchiales Lipom - bronchoskopische Therapie.  Pneumologie. 1999;  53 423-425
  • 8 Arber N, Breuer R, Berkman N. et al . Unresolved pneumonia due to endobronchial lipoma and actinomycosis.  Eur Respir J. 1989;  2 794-796

Karl-Josef Franke

Klinik für Pneumologie · Klinik Ambrock

Ambrockerweg 60

58091 Hagen

Email: Klinik-Ambrock.pneumo@t-online.de

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Literatur

  • 1 Krüger S, Stanzel F, Morresi-Hauf A. et al . Endobronchiales Lipom: erfolgreiche Therapie mittels bronchoskopischer Laserresektion versus Chirurgie.  Pneumologie. 2004;  58 769-772
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  • 3 Hetzel M, Hetzel J, Schumann C. et al . Cryorecanalization: a new approach for the immediate management of acute airway obstruction.  J Thorac Cardiovasc Surg. 2004;  127 1427-1431
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  • 8 Arber N, Breuer R, Berkman N. et al . Unresolved pneumonia due to endobronchial lipoma and actinomycosis.  Eur Respir J. 1989;  2 794-796

Karl-Josef Franke

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Abb. 1 Röntgen-Thorax pa: Verschattung im linken Oberfeld mit leichter Verziehung der Trachea nach links. Pleuraschwiele links basal.

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Abb. 2 Computer-Tomogramm: Schicht in Höhe des linken Oberlappenbronchus Mediastinalshift nach links bei Obstruktionsatelektase des linken Oberlappens. Typischer Dichtewert von - 22 HE des sich konvexbogig in das Lumen des Oberlappenbronchus vorwölbenden endobronchialen Lipoms.

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Abb. 3 a: Verschluss des linken Oberlappens durch einen gelblich schimmernden Tumor. b: Kryosonde mit weißer Gefrierzone.

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Abb. 4 Durch Kryoextraktion entfernte größere Gewebestücke des Lipoms bis zu 17 mm Durchmesser.