Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26(3): 113-118
DOI: 10.1055/s-2005-872303
Forschung

Warme und trockene Heilpflanzen?

Eine Untersuchung zum Verständnis der Primärqualitäten in der HumoralpathologieJohannes Gottfried Mayer
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Publication Date:
25 July 2005 (online)

Zusammenfassung

Die vier Primärqualitäten (warm, kalt, feucht, trocken) der Drogen spielten eine zentrale Rolle bei der Medikation in der Humoralpathologie. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Zuordnung der Primärqualitäten heute noch nachvollziehbaren Prinzipien folgte. Deshalb wird hier untersucht, ob sich die modernen Kriterien »Zugehörigkeit zur einer botanischen Familie oder zu einer Wirkstoffgruppe« in der Zuteilung der Primärqualitäten widerspiegeln. Es zeigt sich, dass bei der Zugehörigkeit zur gleichen Familie oder Gattung die selben Primärqualitäten zu finden sind. Bei gemeinsamen Inhaltsstoffen gibt es neben einheitlichen Bewertungen (z.B. Bitterstoffe) auch Abweichungen bei der Zuordnung (Schleimstoffe). Man kann davon ausgehen, dass die Primärqualitäten nicht willkürlich vergeben worden sind. Des Weiteren kann gezeigt werden, dass die Primärqualitäten den Ausgangspunkt für die so genannte »Indikationslyrik« der Volksmedizin darstellen.

Summary

Warm and dry medicinal herbs? The source of primary qualities of herbal remedies in the Humoralpathology epoch

The article mainly deals with the categorization of herbal remedies during the Humoralpathology epoch. The findings show a close non-contradictory correlation between the species affiliates and the primary plant qualities. There are different assignments of primary plant qualities in the material content category. However, there was no clear classification tendency in the tannin-containing remedies. Nonetheless, indications show that historical assessment of the plants was mostly dependent on the external criteria as well as from sensory criteria like strong smell or occurrence of mucilage. The classification of the primary qualities was not at any rate done arbitrarily. On the contrary, clear tendencies are noticeable, especially in plants that are in use since Antiquity.

Literatur

  • 1 Mayer J G Eine ausführliche Darstellung der Humoralpathologie bis zu Avicenna siehe bei: . Medizintheorie des Mittelalters. Die Entstehung der Viersäftetheorie in der Naturphilosophie. In: Mayer JG, Goehl K (Hrsg.): Kräuterbuch der Klostermedizin Reprint-Verlag-Leipzig Holzminden; 2003: 30-41
  • 1 Mayer J G, Goehl K. Die Grundzüge der Medizintheorie Avicennas, ebd. 42-73
  • 2 . Die letzten einschlägigen Werke der Klostermedizin, der ›Macer‹ des Odo Magdunensis (Ende 11. Jh.) und die ›Physica‹ der Hildegard von Bingen (Mitte 12. Jh.), gehen noch nicht mit dieser Konsequenz vor, obwohl der ›Liber graduum‹ bereits bekannt war: der ›Macer‹ übernimmt sogar zahlreiche Kapitel.
  • 3 . Z.B. in »Dr. Johann Schröders trefflich versehene Medicin. Chymische Apotheke oder höchstlöblicher Arzneischatz ...« Verleger Johann Hoffmann (Reprint: Konrad Kölbl, München 1963) Nürnberg; 1685
  • 4 . Eine zweisprachige Ausgabe findet sich in: Höhepunkte der Klostermedizin. Der ›Macer floridus‹ und das Herbarium des Vitus Auslasser. Hrsg. mit einer Einleitung und deutschen Übersetzung von J.G. Mayer und K. Goehl. Reprint-Verlag Leipzig Holzminden; 2001
  • 5 Mayer J G. Zur Geschichte von Baldrian und Hopfen. Eine moderne Verbindung alter Arzneipflanzen?.  Z Phytotherapie. 2003;  24 70-81, insbesondere die Tabelle S. 77-79
  • 6 . Der ›Liber graduum‹ wird nach dem Basler Druck von 1536 zitiert: Constantini Africani medici, De gradibus quos vocant simplicium liber [Liber de gradibus], in: Constantini Africani ... opera ..., Basel (Henricus Petri), 1536, S. 342-; das ‚Circa instans’ nach der Transkription einer Handschrift der Universitätsbibliothek Erlangen durch Konrad Goehl. 
  • 7 Galen. De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus, Liber VI-VII; Ausgabe Kühn: Bd. XI/XII: Bd. XI: S. 789-892; Bd. XII: S. 1-82. Hildesheim und New York Olms Verlag;
  • 8 von Bingen Hildegard. Heilkraft der Natur. ›Physica‹. Das Buch von den inneren Wesen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe Erste vollständige, wortgetreue Übersetzung, bei der alle Handschriften berücksichtigt sind, übersetzt von Marie-Louise Portmann Augsburg; 1991
  • 9 . Zitiert nach einer Transkription der Bibliotheca Malatestiana in Cesena/Italien von Konrad Goehl. 
  • 10 Genaust H Der ›Canon medicinae‹ des Avicenna bietet ein Kapitel zu »Taraxacum«; es bleibt aber bislang fraglich, ob es sich hier um den Löwenzahn handelt. Vgl. zur Problematik:. Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Birkhäuser Basel, Boston, Berlin; 1996: 629
  • 11 Mayer J G. Cynara scolymus und Cynara cardunculus - die Artischocke. Kulturhistorisches Porträt einer wichtigen Arzneipflanze.  Z Phytotherapie. 2003;  24 291-294
  • 12 Berendes J. Des Pedanios Dioskurides aus Anazarbos Arzneimittellehre in fünf Büchern. Übersetzt und mit Erklärungen versehen von J. Berendes. Stuttgart: Verlag Ferdinand Enke 1902; Nachdruck: Vaduz/Lichtenstein: Sändig Reprints 1987: 207

Dr. Johannes Gottfried Mayer
Katharina Englert

Institut für Geschichte der Medizin

Universität Würzburg

Oberer Neubergweg 10a

97074 Würzburg

Nach einem Vortrag anlässlich des Symposiums »Die Natur schafft nichts umsonst« in Marburg am 16.12.2004.

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