DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2005; 3(03): 24-25
DOI: 10.1055/s-2005-872294
Focus
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Stuttgart

Soll Kieferorthopädie mit fest sitzenden Apparaten durch Osteopathie begleitet werden?

Pro & Contra
Roger Seider
D.O.
,
Marina Fuhrmann
D.O. M.R.O.
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Publication Date:
21 July 2005 (online)

Pro

Dr. med. Roger Seider, D.O.

Mitherausgeber der DO und Vizepräsident der DAOM, Hamm, Deutschland

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Der menschliche Organismus reagiert auf äußere Stimuli solange er lebt. Eine anhaltend chronische Anwendung von umformenden Kräften, wie sie die kieferorthopädische Behandlung mit festsitzenden Bändern darstellt, schränkt zwar die Selbstregulierung ein, ist aber nicht in der Lage, diese Potenz aufzuheben. Durch osteopathische Therapie können die Selbstheilungskräfte unterstützt werden. Deshalb kann diese Behandlungsform in dieser, wie auch in allen anderen Lebenssituationen angewendet werden.

Ein Verzicht auf osteopathische Begleitung würde die Betroffenen in dieser Situation, die oft mit starken Einschränkungen des gesamten Körpers einhergeht, alleine lassen. Gerade unter einer kieferorthopädischen Therapie gilt es ja, das System reaktionsfreudiger zu machen, damit die umformenden Kräfte ergonomischer eingesetzt werden können. Nicht selten werden die kieferorthopädischen Maßnahmen von den Betroffenen als sehr belastend empfunden. Damit einhergehende Kopfschmerzen und Bewegungseinschränkungen können durch die Osteopathie deutlich abgemildert werden. Je massiver jedoch der Körper in eine anhaltende Zwangssituation gebracht wird, desto mehr ist die Hand eines Erfahrenen erforderlich.

Viola Fryman zitiert in ihren «Collected Papers» in dem Artikel «Why does the Orthodontist need Osteopathy in the Cranial Field» die osteopathisch geschulte Kieferorthopädin Isadore L. Imber, DDS, die die gelegentlich brutale, unphysiologische Anwendung von (kieferorthopädischen) Apparaten durch eine Kombination von osteopathischen Prinzipien und Manipulation des kraniofazialen Mechanismus kompensiert. Letztere bringt sie den Patienten zur Selbstbehandlung während der kieferorthopädischen Behandlungsperiode bei. Patienten, die regelmäßig osteopathische Behandlung bekämen, litten weniger unter Schmerzen und Unannehmlichkeiten und verbesserten sich schneller unter der mechanischen Phase der Kieferorthopädie. Dieser unkontrollierte Gebrauch von kranialen Techniken durch Laien mag zwar in unkomplizierten Fällen hilfreich sein, die Dosierung einer Behandlung kann jedoch nicht geschätzt werden, wenn man nicht geübt ist, mit der Gewebeantwort zu arbeiten. Deshalb kann auch weniger erfahrenen Therapeuten nicht uneingeschränkt geraten werden, sich an Fällen von schwerer externer Kompression durch Bebänderung zu versuchen.

Symptome lindern

Für den Geübten ist jedoch gerade in diesen Krisenzeiten der körperlichen Entwicklung ein dankbares Aufgabenfeld gegeben. Kopf- und Nackenschmerzen, die Ausbildung eines Rundrückens und Einschränkungen der allgemeinen Elastizität sind klinische Realität unter der Therapie mit Zahnspangen. Durch gezielte osteopathische Intervention kann hier zumindest symptomatisch Linderung verschafft werden durch Entspannung des membranösen Systems, Verbesserung des Lymphflusses, der Atmung, des Schluckmechanismus und Reduzierung sonstiger Läsionen im Körper, die eventuell eine zusätzliche Belastung darstellen. Der äußere Stress wird besser verteilt. Es handelt sich dabei selbstverständlich um keine kurativen Maßnahmen, so lange die kieferorthopädische Behandlung fortgesetzt wird.


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Osteopathische Vorbereitung

V. Fryman betont auch die Wichtigkeit einer osteopathischen Vorbereitung, wenn eine Zahnspangenbehandlung ansteht. Dadurch wird der Körper besser in der Lage sein, die therapeutische Absicht der Spangenbehandlung umzusetzen und wird auch weniger Nebenwirkungen entwickeln. «Er (der Kieferorthopäde) wird sie (die Zähne) nicht gegen starren Widerstand zwingen müssen. Der übrige kraniale Mechanismus wird sich an die Veränderungen anpassen und deshalb wird die korrigierte Okklusion sicher sein, sobald die Arbeit abgeschlossen ist.»


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Dekompression zum Schluss

Die Dekompression des kranialen Mechanismus mit Revitalisierung des Gesamtmechanismus nach Abschluss der kieferorthopädischen Maßnahme ist eine sehr dankbare Aufgabe. Da es mit und ohne osteopathische Behandlung zu Rezidiven der alten Zahnstellung kommen kann, muss dieser Punkt natürlich mit den Betroffenen sachlich diskutiert werden. Nicht selten empfinden diese aber ihren Zustand inzwischen als so stark eingeschränkt, dass dies als das kleinere Übel angesehen wird. Die Lösung der durch die kieferorthopädische Maßnahme verursachten Spannungen kann den Organismus auf den verschiedenen Ebenen dann wieder heilen.


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