Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(6): B 258
DOI: 10.1055/s-2005-872017
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Chronische Obstipation - Achtung bei Anwendung von Laxantien bei älteren Menschen

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Publication Date:
05 August 2005 (online)

 
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Chronische Obstipation gehört bei Menschen über 60 Jahre zu den am häufigsten genannten Beschwerden. Dies vor allem dann, wenn die körperliche Aktivität eingeschränkt ist oder gar Pflegebedürftigkeit und Immobilisation vorliegen. Aber auch die bei vielen älteren Menschen notwendige Polymedikation bei bestehender Multimorbidität ist nicht selten Ursache einer Obstipation. Folglich steigt mit dem Lebensalter auch die Anwendung von Laxantien, die die Verweildauer des Stuhls im Kolon und Rektum verkürzen sollen.

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Laxantien können Elektrolythomöostase stören

Prof. Ingo Füsgen, Wuppertal, verweist in diesem Zusammenhang aber darauf, dass die wiederholte Einnahme solcher Präparate zwar in vielen Fällen notwendig ist, die Behandlung einer Obstipation aber doch in erster Linie auf Allgemeinmaßnahmen, körperliche Aktivität und entsprechende Ernährung gestützt sein sollte. Er begründet dies mit den Wirkungsmechanismen der Laxantien, denen allen gemeinsam ist, dass "entweder durch eine vermehrte Bindung von Wasser an schwer-resorbierbare Substanzen, durch Hemmung der Wasser- und Elektrolytresorption aus dem Darm oder durch Steigerung der Flüssigkeitssekretion in das Darmlumen ein höherer Wasseranteil am Faeces erreicht werden soll". Zu beachten ist hier aber, dass mit dem höheren Wasseranteil am Faeces Elektrolyte gebunden werden oder zusätzlich aus dem Plasma in den Darm einströmen und so dem Organismus verloren gehen. Dies ist ein Circulus vitiosus, denn "durch die Laxantien kommt es vor allem zum Natrium- und Wasserverlust, was eine gesteigerte Aldosteronsekretion nach sich zieht, mit der Folge eines deutlichen Kaliumverlustes, der wiederum eine ausgeprägte Obstipation bewirkt". Da aber die auf diese Weise entstandene Störung der Elektrolythomöostase oft als typische Alterserscheinung betrachtet wird, unterbleibt die hier eigentlich notwendige Substitution, bis es zu vital bedrohlichen Zustandsbildern (z.B. kognitive Störungen, Muskelschwäche, Hypotonie, Stürze und auch Nierenfunktionsstörungen) kommt.

Experten sehen vor allem im Bereich der Selbstmedikation bestimmte Gefahren, denn viele "Abführmittel" enthalten Sennoide, Aloe-Extrakte, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat, also Substanzen, die Störungen in der Elektrolytbilanz bewirken können.

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Isoosmolare Macrogol-Präparate verhindern Elektrolytverlust

Wesentlich günstiger sei die Anwendung so genannter Macrogole, die einen dosisabhängigen Transport von Wasser in das distale Kolon bewirken und damit den vermehrten Wasserentzug bei Obstipation therapeutisch ausgleichen. Isoosmolare Macrogol-Präparate (z.B. PEG 3.350 mit bilanzierten Elektrolyten) verhindern, dass der durch den osmotischen Druck bedingte vermehrte Elektrolytverlust zu einer veränderten Netto-Gesamtbilanz des Wasser- und Elektrolythaushaltes führt. Diese hochmolekularen Macrogole haben sich gerade im Bereich der Geriatrie in der Behandlung der refraktären beziehungsweise chronischen Obstipation bewährt. Sie haben ein nur geringes Interaktionspotential und verfügen unter Verwendung eines physiologischen Wirkprinzips im Kolon über ein breites therapeutisches Fenster. Die Experten sind sich einig, dass die PEG 3.350 plus Elektrolyte enthaltenden Laxantien eine unproblematische therapeutische Anwendung mit minimalem Nebenwirkungsprofil gerade bei geriatrischen Patienten erlauben und auch bei multifaktoriell bedingten Obstipationen beziehungsweise refraktären Formen (z.B. beim Parkinson-Syndrom, Diabetes mellitus oder bei Opiat-behandelten Patienten) mit Erfolg eingesetzt werden können. Allerdings gehöre die Behandlung älterer Patienten aufgrund der Komplexität der Symptomatik in die Hand des geriatrisch erfahrenen Arztes.

Hilmar Bierl, Berlin

Quelle: Presse- und Konsensusveranstaltung "Bedeutung der Elektrolyte für die Laxantientherapie", März 2005 in Berlin. Veranstalter: Norgine GmbH, Marburg.