Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(5): B 198
DOI: 10.1055/s-2005-871670
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Hochdruckbehandlung bei Adipositas - Telmisartan wirkt metabolisch vorteilhaft und endothelprotektiv

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Publication Date:
24 June 2005 (online)

 
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Ein modernes Antihypertensivum soll nicht nur den Blutdruck senken und stoffwechselneutral sein, sondern zusätzlich auch die Insulinempfindlichkeit und die endothelialen Entzündungsvorgänge günstig beeinflussen, erläuterte Prof. Dr. Klaus Parhofer, München, auf dem Kardiologenkongress in Mannheim. Diese Erwartungen seien durch die Ergebnisse großer Interventionsstudien wie CHARM[1] und LIFE[2] aufgekommen, in denen Patienten unter Sartantherapie seltener einen Diabetes entwickeln als unter anderen Antihypertensiva. Für die Beeinflussung der Insulinresistenz sprach auch eine Studie, in der 20 Patienten mit metabolischem Syndrom plazebokontrolliert über drei Monate mit 40 mg/Tag Telmisartan[3] behandelt worden waren. Obwohl der Nüchternblutzucker konstant blieb, sank unter Sartanbehandlung der HOMA-Index[4] als Ausdruck der Insulinresistenz um 11% ab, während die Insulinsekretion nach Glukosestimulation um 32% zunahm. In der Subgruppe reagierten besonders Patienten mit ausgeprägtem Übergewicht mit einer deutlichen Besserung der β-Zellfunktion.

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Remodelling der Gefäßwände

Verantwortlich dafür ist die Funktion von Telmisartan als selektiver PPAR-γ-Modulator, erklärte Prof. Dr. Rainer Böger, Hamburg. PPAR (Peroxisome Proliferator-Activated Receptor(s)) sind Transkriptionsfaktoren, die Gene regulieren, deren Produkte an wichtigen Schaltstellen im Stoffwechsel beteiligt sind. Während PPAR-α auf den Lipidstoffwechsel wirken (Ansatzpunkt Fibrate), binden Substanzen wie Glitazone und Telmisartan an den PPAR-γ und verbessern so die Insulinempfindlichkeit. Eine Studie mit 40 neu diagnostizierten Hyertonie-Patienten, die mit Telmisartan (80 mg/Tag) oder Losartan (50 mg/Tag) behandelt wurden, zeigte, dass Telmisartan den Lipidstoffwechsel nicht beeinflusste, aber die Insulinresistenz senkte (HOMA-Index).

Der endothelialen Dysfunktion kommt eine prognostische Bedeutung für kardiovaskuläre Ereignisse zu, fuhr Böger fort. Ein chronisch erhöhter Angiotensin II-Spiegel löst eine erhöhte Zytokinproduktion (z.B. IL-6, TNFα) aus, es kommt zu Mikroentzündungen in der Gefäßwand und zur Gefäßwandverdickung mit erhöhtem Pulsdruck. Sartane unterbrechen diese endotheliale Entzündungskaskade und wirken den Gefäßumbau entgegen. Zum Remodelling der Gefäßwand zitierte Böger eine eigene Studie, in der 56 Patienten mit Hypertonie entweder 40 mg Telmisartan oder 10-20 mg Nisoldipin pro Tag über sechs Wochen erhielten. Der Endpunkt, die endothelabhängige Vasodilatation in der Art. brachialis, hatte sich unter der Sartantherapie signifikant deutlicher verbessert.

Nach Prof. Dr. Georg Nickenig, Homburg/Saar, wurde ein solcher Beweis auch auf zellulärer Ebene erbracht. Carotisbiopsien, die während der Angioplastie entnommen worden waren, wiesen nach vorhergehender Telmisartan-Therapie der Patienten eine signifikante Verminderung der MCP (Monocyte Chemoattractive Proteine)-1 als Marker der Entzündung auf. Die ONTARGET[5]-Studie mit zirka 23000 Koronar-Patienten werde zeigen, ob sich eine Behandlung mit Telmisartan, Ramipril oder eine Kombinationstherapie in Bezug auf kardiovaskuläre Endpunkte als besser erweist.

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Pharmakotherapie bei Patienten mit metabolischem Syndrom

Nach Prof. Dr. Jürgen Scholze, Berlin, hat die deutsche PROCAM[6]-Studie die Ansicht bestätigt, einen BMI > 25 kg/m2 als Krankheit anzusehen und von den Fachgesellschaften neue Richtwerte für die antihypertensive Einstellung der meist adipösen Typ 2-Diabetiker zu erarbeiten. Von der Deutschen Hochdruckliga wird heutzutage bei Diabetikern ein Blutdruck von < 135/85 mmHg empfohlen, wenn tolerabel, sogar von < 130/80 mmHg.

Übergewichtige haben einen gesteigerten Sympathikotonus, erhöhten Blutdruck und Herzfrequenz, sowie Hyperinsulinämie. β-Blocker, die den Sympathikotonus wirksam dämpfen, verschlechtern die Insulinsensitivität, und erschweren die Gewichtsabnahme. Vom Stoffwechselprofil her sollten Beta-Blocker und Diuretika nicht alleine verordnet werden. AT1-Blocker stabilisieren ähnlich wie b-Blocker das autonome Nervensystem. Sie verbessern den Stoffwechsel, wobei Telmisartan als selektiver PPAR-γ-Agonist herausragt. Dies scheine ein substanzspezifischer Effekt zu sein: "Die Waage neigt sich immer mehr zur Seite der Sartane plus Calciumantagonisten, eventuell zusammen mit einem ACE-Hemmer oder einem Diuretikum", fasste Scholze zusammen.

Dr. med. Inge Kelm-Kahl, Wiesbaden

Quelle: Veranstaltung "Sartane - mehr als nur ein Blutdrucksenker!", im Rahmen der 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), April 2005 in Mannheim. Veranstalter: Bayer HealthCare, Bayer Vital GmbH, Leverkusen.

1 Candesartan in Heart failure - Assessment of Reduction in Mortality and morbidity

2 Losartan Intervention for Endpoint Reduction in Hypertension

3 Kinzalmono® 20, 40, 80 mg; oder Kinzalkomb® mit zusätzlich Hydrochlorothiazid 40/12,5mg, 80/12,5 mg

4 Homeostasis Modell Assessment (Nüchterninsulin x Glukose : 22,5)

5 The ONgoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial)-Studie

6 Prospective Cardiovascular Muenster-Study

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4 Homeostasis Modell Assessment (Nüchterninsulin x Glukose : 22,5)

5 The ONgoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial)-Studie

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