Fortschr Neurol Psychiatr 2005; 73: 96-102
DOI: 10.1055/s-2005-870999
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Spätadoleszenz und junges Erwachsenenalter - Ätiopathogenetische Bedeutung für schizophrene Psychosen

Late Adolescence and Young Adulthood - Their Etiopathogenetic Significance for SchizophreniaH.-P.  Kapfhammer1
  • 1Klinik für Psychiatrie, Medizinische Universität Graz/Österreich
Herrn Prof. Dr. H. Hippius zum 80. Geburtstag herzlich gewidmet
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Publication Date:
04 November 2005 (online)

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Zusammenfassung

Der signifikante Anstieg schizophrener Erkrankungen in Adoleszenz und jungem Erwachsenenalter ist ein epidemiologischer Kernbefund der Schizophrenieforschung. Die Ursachen hierfür sind vermutlich vielfältig, aber letztlich nur unzureichend verstanden. In einer neurobiologischen Reifungsperspektive wird der neuronalen Reorganisation kortikaler und subkortikaler Strukturen eine besondere Beachtung geschenkt. Störungen des adoleszenten Pruning, des Sprouting und der Myelinisierung könnten eine bedeutsame Rolle in der Pathogenese schizophrener Störungen spielen. Die Konsequenzen für zentrale pathophysiologische Prozesse schizophrener Psychosen sind zu bedenken. Hierbei sind die adoleszenten Entwicklungsprozesse einer Neuroplastizität sowohl mit einer erworbenen Vulnerabilität in der frühen neuronalen Entwicklung als auch mit einer möglichen Neurotoxizität während akuter psychotischer Zustände in ihren negativen Folgen auf den weiteren Krankheitsverlauf zu verknüpfen. In einer entwicklungspsychopathologischen Perspektive sind die speziellen Entwicklungsaufgaben des Altersabschnitts hervorzuheben, die in einem ebenfalls kritischen Zeitfenster die Bewältigung zahlreicher psychosozialer Herausforderungen bedeuten und für eine Subgruppe Jugendlicher mit einem beträchtlichen Risikopotenzial einhergehen können. Individuelle Lösungsmuster müssen in ihren langfristigen Folgen für die weitere psychosoziale Entwicklung und Adaptation gesehen werden. Neurobiologische Reorganisation und psychosoziale Transformation stellen zwei Betrachtungsebenen der adoleszenten Entwicklung dar, die auf einander bezogen werden müssen, um Risiken und Potenzial dieses Lebensabschnitts für die Auslösung und den weiteren Verlauf schizophrener Erkrankungen beurteilen zu können.

Abstract

The significant upsurge of schizophrenic illness manifestations during adolescence and young adulthood is a core finding of epidemiological research in schizophrenia. The reasons are probably manifold, so far, however, not well understood. From the perspective of neurobiological maturation, processes of neuronal reorganisation in cortical and subcortical structures are hot topics. Aberrant forms of pruning, sprouting and myelinization may play a major role in the pathogenesis of a schizophrenic breakdown. The consequences for the pathophysiology of schizophrenia have to be considered. Models of neuroplasticity during adolescence can be connected with models of a neurodevelopmental vulnerability and models of neurotoxicity within an integrated aproach in order to better understand premorbid adjustment, onset, and course of schizophrenic illness. From the perspective of psychosocial development, prominent developmental tasks have to be considered, which form a major challenge to all adolescents, bearing, however, special risks for some adolescents. Patterns of psychosocial adaptation found during this developmental period must be considered in their long-term consequences. Neurobiological reorganisation and psychosocial transformation are both sides of one developmental process during adolescence and young adulthood.

Literatur

Prof. Dr. med. Dr. phil. Hans-Peter Kapfhammer

Klinik für Psychiatrie · Medizinische Universität Graz

Auenbruggerplatz 31

8036 Graz

Österreich

Email: hans-peter.kapfhammer@klinikum-graz.at