ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2005; 114(5): 233-234
DOI: 10.1055/s-2005-870604
Fortbildung
Komplementäre Zahnmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schnittstelle Zahnmedizin und Endokrinologie - Die Rolle des Zahnarztes bei der Diagnose der Akromegalie

B. L. Herrmann
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Publication Date:
18 May 2005 (online)

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Der Zahnarzt spielt häufig bei der Diagnose einer Vielzahl von Erkrankungen außerhalb seines Fachgebietes eine wichtige Rolle. Bei der Akromegalie, einer seltenen Erkrankung, die zu einer Vergrößerung der Hände, Füße und Teile des Gesichts führt, ist dies zum Beispiel der Fall. Der Name Akromegalie entstammt aus dem griechischen Wort für Extremitäten (Akros) und Vergrößerung (Mega) und reflektiert das abnorme Wachstum von Händen und Füßen. Veränderungen im Bereich des Kiefers und der Zahnstellung sind frühzeitige Symptome, die auf eine Akromegalie hinweisen, sodass der Diagnosestellung eines Zahnarztes eine wichtige Rolle zuteil wird [1] [2]. Es vergehen vom Zeitpunkt der ersten klinischen Veränderungen im Durchschnitt ca. 8-10 Jahre, bis die Diagnose einer Akromegalie gestellt wird.

Der Akromegalie liegt in den allermeisten Fällen ein Wachstumshormon (GH: growth hormone) - produzierendes Hypophysenadenom - zugrunde. Der GH-Exzess und der damit verbundene, vorwiegend in der Leber gebildete hohe IGF-1-Spiegel [2] [3] [4] führen zu einer Vielzahl von systemischen Veränderungen. Durch eine Herzmuskelvergrößerung (Kardiomegalie), schlafbezogene Atemstörungen (Schlafapnoe-Syndrom) und durch eine erhöhte Neoplasieneigung haben Patienten mit Akromegalie eine erhöhte Mortalität und eine verkürzte Lebenserwartung um durchschnittlich 10 Jahre [2] [5] [6]. Die Akromegalie führt insbesondere zu Veränderungen der Gesichtsphysiognomie mit typischen charakteristischen Gesichtszügen: supraorbitale Orbitawülste, grobe Hautfältelung, dicke Lippen, große Zunge (Makroglossis) und eine Progenie [4] [7] [8] [9]. Es ist somit nicht ungewöhnlich, dass ein Zahnarzt der initial behandelnde Arzt eines Patienten mit Akromegalie ist [7] [10].

Eine frühzeitige Diagnose der Akromegalie kann infolgedessen dem Patienten weitere zahn- und kieferchirurgische Interventionen ersparen, da sich nach einer erfolgreichen Therapie der Akromegalie die Veränderungen zurückbilden können. Eine frühzeitige Therapie beeinflusst ganz wesentlich das Outcome.

Zahnärzte sollten somit bei einer Progenie, einer Makroglossis, einem Diasthema und der charakteristischen Gesichtsphysiognomie an die Akromegalie denken und den Patienten dann rasch einem Endokrinologen vorstellen.

Bei Patienten mit Akromegalie ist eine vorwiegend auf transsphenoidalem Wege durchgeführte Resektion des Hypophysenadenoms anzustreben. Bei postoperativ bestehender Restaktivität (ca. 50 %) besteht die Indikation zur medikamentösen Therapie mit Somatostatinanaloga (Octreotid, Lanreotid) oder dem Wachstumshormon-Rezeptor-Antagonist Pegvisomant, der den IGF-1-Spiegel in 97 % reduzieren kann [11] [12] [13] [14]. Ebenfalls besteht die Option einer stereotaktischen Bestrahlung.

Die angefügten Bilder zeigen die Zahn- und Kieferveränderungen bei Patienten mit Akromegalie aus der Klinik für Endokrinologie und der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie der Universität Duisburg-Essen. Die Erkrankungsdauer akromegaler Patienten hatte einen entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß der Progenie. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer frühzeitigen Therapie dieser Patienten, die nur mithilfe anderer Fachdisziplinen, wie z. B. Zahnärzten, erreicht werden kann.

Literatur

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Burkhard L. Herrmann

Oberarzt der Klinik für Endokrinologie

Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinikum Essen

Hufelandstr. 55, 45147 Essen

Email: burkhard.herrmann@uni-essen.de