Notfall & Hausarztmedizin (Notfallmedizin) 2005; 31(3): A 63
DOI: 10.1055/s-2005-869488
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Besser spät als gar nicht

Peter Knuth
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Publication Date:
09 May 2005 (online)

Die Situation im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz hat in den letzten 15 Jahren tief greifende Veränderungen durchlaufen. Nach der euphorischen Einschätzung einer nicht mehr vorhandenen Bedrohungslage nach der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands musste schmerzhaft erlebt werden, dass durch so genannte asymmetrische Bedrohungslagen durch terroristische Angriffe mitten in den Kern zivilisierter und demokratischer Staaten eine völlig neue Dimension der Bedrohung fast schon alltäglich geworden ist.

Die vorhandenen staatlichen Vorsorgemaßnahmen erwiesen sich als für diese Bedrohungslagen nicht geeignet. In großer Hektik wurde versucht, „irgendetwas zu tun”, um psychologisch zu demonstrieren, dass der Staat in der Lage ist, seine Bürger ausreichend zu schützen. Dass dies nur wenig mit der Realität zu tun hat, ist unter Fachleuten in der Katastrophenmedizin nicht strittig.

Eine besondere Bedeutung bei der medizinischen Versorgung nach einem Schadensfall oder einem terroristischen Angriff haben unsere Krankenhäuser.

Auf der einen Seite wird durch die schmerzhaften Eingriffe in das Gesundheitswesen die Zahl der Krankenhäuser ausgedünnt und durch den Ärztemangel ist eine Überbeanspruchung des medizinischen Personals in allen Krankenhäusern alltägliche Realität. In dieser Situation bedarf es großen Engagements und auch eines Umdenkens, wenn Krankenhausverwaltungen und Leitende Ärzte sich mit Versorgungsstrukturen für besondere Schadenslagen auseinandersetzen. So etwa für ein Szenario einer größeren Anzahl atomar verstrahlter Personen, welche gleichzeitig erhebliche Körperverletzungen nach dem Einsatz einer schmutzigen Bombe erlitten haben. Ein anderes Szenario könnte von dem Einsatz biologischer oder chemischer Terrorwaffen ausgehen. Diese Dimensionen sind bislang in der letzten Konsequenz in der Vorbereitung auf diese Schadenslagen nicht geplant. Krankenhäuser werden lernen müssen, dass es eine andere Angelegenheit ist, für die Versorgung größerer Personenzahlen mit diesen Besonderheiten ihres Verletzungs- oder Erkrankungsbildes zu planen als in den konventionellen Krankenhausalarmplänen Vorsorge zu treffen, dass bei einem Unglücksfall in einem Krankenhaus Evakuierung des Krankenhauses oder Fortbetrieb von intensivmedizinischen Einheiten gewährleistet sind.

Was fehlt, ist eine umfassende, auf einer gesetzlichen Grundlage basierende Vorsorgeplanung und das Bereitstellen ausreichender Materialien auch für besondere Schadenslagen. Verantwortung hierfür trägt der Staat, der die gesundheitliche Versorgung seiner Bürger, gerade in besonderen Notlagen, gewährleisten muss. Bei den Planungen für diese Lagen ist viel Zeit verstrichen, aber es ist noch nicht zu spät; nur, es muss jetzt etwas geschehen.

Prof. Dr. med. Peter Knuth

Wiesbaden

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