Rehabilitation (Stuttg) 2005; 44(4): 215-221
DOI: 10.1055/s-2005-866925
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulante geriatrische Rehabilitation und ihre leistungsrechtliche Einordnung in die gesetzliche Krankenversicherung

Ambulatory Geriatric Rehabilitation and its Legal Classification Within the Statutory Health Insurance SystemA.  Plate1 , M.  Meinck2
  • 1Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung, Unternehmensentwicklung, Hamburg
  • 2Kompetenz-Centrum Geriatrie beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, Hamburg
Die in diesem Artikel vertretenen Auffassungen sind die persönlichen Meinungen der Verfasser, nicht die Position der Techniker Krankenkasse und des Kompetenz-Centrums Geriatrie
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Publication Date:
01 August 2005 (online)

Zusammenfassung

Die Zahl älterer Menschen und ihr Bevölkerungsanteil werden in Deutschland weiter zunehmen. Die vollstationäre geriatrische Versorgung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen stellt im deutschen Gesundheitssystem bisher jedoch einen sehr kleinen Versorgungsbereich dar. Konzepte für abgestufte geriatrische Versorgungsstrukturen sahen die ambulante geriatrische Rehabilitation (AGR) als eigenständige Einrichtungsart und damit als eine Ergänzung bisheriger geriatrischer Strukturen vor. Im Jahre 2004 haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen die Leistungen durch Ziele und die Struktur der AGR in gemeinsamen Rahmenempfehlungen konkretisiert. In diesem Beitrag werden ausgewählte Aspekte dieser gemeinsamen Rahmenempfehlungen (Zielgruppe, Rehabilitationsindikatoren und Ausstattung) skizziert. Anschließend erfolgt eine leistungsrechtliche Einordnung der AGR in die gesetzliche Krankenversicherung. Dabei geht es um die Behandlung in der AGR als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach Maßgabe der gemeinsamen Rahmenempfehlungen. Ferner werden die Voraussetzungen der Zulassung von AGR-Einrichtungen zur Versorgung in der GKV untersucht. In der Diskussion kommen die Autoren zum Ergebnis, dass die AGR konzeptionell nicht von der teilstationären Tagesklinik an einer Rehabilitationseinrichtung zu unterscheiden ist. Auch aus rechtlichen Gründen ist eine Unterscheidung zwischen der AGR und den Leistungen zur teilstationären Rehabilitation nicht zu begründen. Vielmehr ergibt die rechtliche Begutachtung, dass die Begriffe teilstationäre und ambulante Leistungen zur Rehabilitation eine einheitliche Leistung nach SGB V darstellen. Somit ergibt sich kein Unterschied zwischen der AGR und der teilstationären Rehabilitationseinrichtung in der GKV.

Abstract

In Germany, the number and proportion of elderly people will continue to increase. Only few hospitals and rehabilitation units are currently providing inpatient geriatric services. Concepts for graded geriatric care see ambulatory geriatric rehabilitation (AGR) as an independent service und as a complement to pre-existing structures in geriatric care. In 2004, the national association of statutory health insurance funds established recommendations for AGR, which include criteria of structural and process quality of ambulant geriatric rehabilitation. This article describes various aspects of these framework recommendations (target groups, rehabilitation indicators, and equipment of services). In addition, the classification of AGR within the legislation of the statutory health insurance system is evaluated. The financing of AGR by the statutory health insurance system and the preconditions for accreditation of AGR-services within this system are discussed. The authors conclude that discrimination between existing partially-inpatient day clinics and AGR services is not appropriate. Furthermore, there is no legal basis for such a discrimination; on the contrary, the terms partially-inpatient and ambulatory rehabilitation services can be seen as a uniform benefit according to book 5 of the German social code, SGB V. Therefore there is no differentiation between AGR and partially-inpatient rehabilitation in the statutory health insurance system.

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1 Fragen der leistungsrechtlichen Abgrenzung der AGR zur teilstationären geriatrischen Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1 SGB V werden in diesem Beitrag nicht erörtert.

2 Vgl. Ausführungen zur ICF auf den Internetseiten des Deutschen Instituts für Medizinische Information und Dokumentation (DIMDI) unter: www.dimdi.de/static/de/klassi/ICF (aufgerufen 4.5.2005).

3 Ein solcher Vertrag besteht beispielsweise in Sachsen-Anhalt für eine AGR, siehe unter: www.kvsa.de, Rubrik Verträge (aufgerufen 4.5.2005).

4 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreform 2000) vom 22.12.1999. Bundesgesetzblatt Teil I 1999; (59): 2626 - 2656.

5 Zu den ausführlichen Gründen vgl. BSG-Urteil vom 5.7.2000, B 3 KR 12/99 R S. 1 - 10, BSGE 87, 14; verfügbar unter: www.bundessozialgericht.de (aufgerufen 4.5.2005). Die Leitsätze der Entscheidung lauten: 1. Im Krankenversicherungsrecht umfasst die ambulante Rehabilitation auch die teilstationäre Leistungserbringung. 2. Eine teilstationäre Rehabilitationseinrichtung ist durch Verwaltungsakt zur Versorgung der Versicherten zuzulassen, wenn sie die personellen und sachlichen Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V erfüllt. Eine Bedarfsnotwendigkeit ist nicht zu prüfen.

6 Vgl. BSG-Urteil vom 5.7.2000, B 3 KR 12/99 R S. 1 - 10; verfügbar unter: www.bundessozialgericht.de (aufgerufen 4.5.2005).

7 Die entsprechenden Formulare können unter: www.vdak.de/reha_rili.htm heruntergeladen werden (aufgerufen 4.5.2005).

8 Das BSG bezieht Reha-Zentren ohne stationäre Versorgung ein; vgl. BSG-Urteil vom 5.7.2000, B 3 KR 12/99 R S. 1 - 10; verfügbar unter: www.bundessozialgericht.de (aufgerufen 4.5.2005).

9 Vgl. BSG-Urteil vom 5.7.2000, B 3 KR 12/99 R S. 1 - 10; verfügbar unter: www.bundessozialgericht.de (aufgerufen 4.5.2005).

10 Es wird hier nicht geprüft, ob diese Monopolstellung bei der geriatrischen Versorgung gegeben ist, weil die Rentenversicherer in der Regel keine Rehabilitation bei älteren Rentnern bezahlen und deshalb grundsätzlich die Krankenversicherung Kostenträger ist.

11 Vgl. Fußnote 9.

12 Vgl. Hinweise zu den Vorträgen der Podiumsdiskussion „Integrierte Versorgung” der Bundesarbeitsgemeinschaft der Klinisch-geriatrischen Einrichtungen (unter: www.bag-geriatrie.de) am 3.11.2004 in Ulm: Die Rolle der Geriatrie im DRG-Zeitalter (R. Strehl, Universitätsklinikum Tübingen); Integrierte Versorgung aus Sicht des VdAK (T. Riegel, VdAK); Integrierte Versorgung aus Sicht eines Klinikträger (Dr. J. Bader, Helios Kliniken GmbH); I.V. - nicht ohne Kostentransparenz (W. Abraham, A&O Organisation im Gesundheitswesen).

Dr. P. H. Andreas PlateRechtsanwalt 

Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung, Unternehmensentwicklung

Bramfelder Straße 140

22305 Hamburg

Email: andreas. plate@tk-online.de

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